Martin Jucker: «Hofläden: Willkommen im Land der Agrar-Bürokratie!»
Es gibt gute Gründe, weshalb in der Schweiz so wenige professionelle Hofläden geführt werden. Unser Kolumnist Martin Jucker weiss, wovon er schreibt.

Das Wichtigste in Kürze
- Martin Jucker betreibt die bekannte «Jucker Farm» in Seegräben ZH.
- Auf Nau.ch schreibt Jucker regelmässig Kolumnen.
- Heute schreibt er über die Schwierigkeiten und Hürden bei den Hofläden.
«Kauf im Hofladen ein und unterstütze unsere Bauern!» Dieser Aufruf wird von fast allen Akteuren der Landwirtschaftspolitik Mantra-mässig wiederholt. Aber ist das wirklich zielführend?
Mit Direktvermarktung können Bauern und Bäuerinnen ihr Einkommen aufbessern. Es bleibt mehr Wertschöpfung auf dem Betrieb. Das ist unbestritten und sehr positiv.
Zudem werden sie so unabhängig(er) von übergrossen Marktpartnern. Der Schweizer Lebensmittelmarkt ist nämlich nicht gerade dynamisch mit seinen zwei dominierenden orangen Riesen und der Fenaco dazwischen.
Und es ist auch als Lieferant meist so, dass man entweder ein Coop- oder ein Migros-Kind ist. Beides ist selten.
Hofläden sind Teil der Lösung gegen Bauernsterben
Ein Hofladen oder anders gesagt, die Direktvermarktung, kann Abhilfe schaffen. Gerade in der kleinen Schweiz ist kaum ein Bauernhof zu weit weg, um in Kontakt mit Kundschaft zu treten.
Selbst aus entlegenen Berggebieten lässt sich dank Onlineshopping ein erfolgreicher Direktverkauf aufbauen. Meine Erfahrungen sind auf den Grossraum Zürich fokussiert – für Direktvermarktung sicher das spannendste Gebiet. Hier wohnen fast mehr Personen, als Kürbisse wachsen können.
Hofläden sind also ein Teil der Lösung, um dem Bauernsterben entgegenzuwirken.

Direktvermarktung streng geregelt
Die landwirtschaftlichen Ausbildungsstätten haben das erkannt. Es gibt unzählige Weiterbildungsangebote für wissbegierige Bäuerinnen und Bauern. Doch wieso gibt es in der Schweiz so wenige professionelle Hofläden? Wieso beschränkt sich die Auswahl bei der Direktvermarktung oft nur noch auf einen Automaten unter dem Scheunendach?
Der Gesetzgeber (das Parlament) hat in unzähligen Schritten die Direktvermarktung geregelt. Viele dieser Regeln stammen noch aus der Zeit, als an jeder Ecke ein Tante-Emma-Laden florierte.
Hofladen darf nur als Nebenerwerb geführt werden
Diese «Lädeli» durften von Bauern nicht konkurrenziert werden. Darum gibt es klare Vorschriften, was in einem Hofladen alles verkauft werden darf. Überwiegend hofeigene Produkte müssen es sein.
Ausserdem darf der Hofladen nur als Nebenerwerb geführt werden. Und kann als solches den Umsatz des Haupterwerbs nicht übersteigen.
Es ist also verboten, alle Produkte direkt zu verkaufen. Ein Hofladen verursacht ja auch viele Kosten, die gedeckt werden müssen. Dazu ist die Marge da. Also der Mehrpreis, den man für die Produkte erhält, wenn man sie direkt verkauft.
Logisch ist der Umsatz bei hundert Prozent Direktvermarktung rund vierzig Prozent höher als in der Landwirtschaft. Damit übersteigt der Umsatz des Nebenerwerbs den des Haupterwerbs, was nicht legal ist.
Es braucht eine sehr vielseitige Landwirtschaft
Der Bauernhof soll mehrheitlich ein Familienbetrieb sein.
Dieses romantische Bild wird gerne «verpolitisiert» und ist im bäuerlichen Bodenrecht festgeschrieben. Um einen Hofladen mit einem attraktiven Sortiment an hofeigenen Produkten zu bespielen, braucht es aber eine sehr vielseitige Landwirtschaft.
Diese umfasst dann meist mehrere Berufe wie Obstfachfrau/-mann, Gemüsegärtner/-gärtnerin oder LandwirtIn. Das sind alles separate Ausbildungen. Und nicht umsonst dauert die Lehre in jedem Bereich drei Jahre.
Man sollte viele Berufe beherrschen
Wer auf seinem Hof Direktvermarktung betreiben will, soll also alle diese Berufe beherrschen, möglichst alles selber machen und dann auch noch einen Hofladen führen. Dort soll er oder sie laut Gesetz auch selbst arbeiten.
Da käme dann noch ein weiterer Beruf dazu: der Detailhandelsfachmann beziehungsweise die -Fachfrau. Natürlich reicht in allen Bereichen die Grundausbildung nicht, um den Betrieb zu führen. Das erfordert noch Weiterbildungen.
Sie haben jetzt beim Lesen gerade den Überblick verloren? Willkommen im Land der Agrarbürokratie!
Hofläden rentieren meist nicht
Aber zurück zum Thema. Ein Hofladen ist nichts anderes als ein Detailhandelsgeschäft. Sicher nicht zu vergleichen mit einem grossen Supermarkt, aber aus wirtschaftlicher Sicht durchaus vergleichbar mit einem Quartierladen.
Ausgerechnet die Quartierläden sterben aber reihenweise aus, weil sie nicht mehr rentieren. Wieso soll das jetzt auf einem Bauernhof funktionieren?
Die Wirtschaftlichkeit eines Hofladens entscheidet sich an den Kennzahlen des Umsatzes, der Marge und der Personalkosten.

Für genügend Umsatz braucht es ein attraktives Sortiment – was wie oben beschrieben für sich allein schon eine gewaltige Aufgabe ist –, damit die Kundschaft auch die Möglichkeit hat, genügend Geld auszugeben.
Für tiefe Personalkosten muss genug Umsatz her. Und für eine gute Marge braucht es angemessene Preise.
Als Faustregel können Sie davon ausgehen, dass kein Quartierladen mit weniger als 1,5 Millionen Franken Jahresumsatz überleben kann. Demnach muss auch jeder Hofladen 1,5 Millionen Jahresumsatz machen, damit er schwarze Zahlen schreiben kann. Und nein, der Zwischenhandel, der wegfällt, macht die Produkte nicht billiger.

Nur grosse Betriebe machen Sinn
Kürzlich hat mir eine junge, erfolgreiche Winzerin erzählt, dass sie im Rahmen ihrer Meisterprüfungsarbeit viele Hofläden der Schweiz analysiert habe. Das Fazit: 95 Prozent müssten aus wirtschaftlicher Sicht sofort schliessen.
Die aktuellen Rahmenbedingungen ermöglichen nur grossen Betrieben, wie der «Jucker Farm», einen legalen Hofladen, der auch wirtschaftlich funktioniert.
Damit das auch auf einem kleinen Hof gewinnbringend funktioniert, müssen Rahmenbedingungen her, die das ermöglichen.
Ich möchte diesen Beitrag keinesfalls so verstanden haben, dass die Schweizer Hofläden schlecht sind. Im Gegenteil.
Zur Person
Martin Jucker ist gelernter Obstbauer und hat sich mit der «Jucker Farm» in Seegräben ZH über die Landesgrenzen hinweg einen Namen gemacht. Er steht für innovative, nachhaltige und unabhängige Landwirtschaft. 2014 wurde er zusammen mit seinem Bruder Beat, als bisher einziger Bauer, zum Schweizer Unternehmer des Jahres gewählt.
Sie als Konsumenten und Konsumentinnen bekommen auf dem Bauernhof oft viel mehr fürs Geld, als sie tatsächlich bezahlen. Zudem sind es meist saisonale Produkte von maximaler Qualität. Ideal für einen Festtags-Einkauf.








