Ein Team aus Anwälten und Wissenschaftlern hat 10 Jahre lang die Mine in Cerro de Pasco untersucht. Ein Beitrag von Reinhold Gallmetzer und Flaviano Bianchini.
Flaviano Bianchini.
Flaviano Bianchini. - Screenshot - www.thenewfederalist.eu

Das Wichtigste in Kürze

  • Flaviano Bianchini und Reinhold Gallmetzer haben die Zusände in Cerro de Pasco untersucht.
  • In den letzten 10 Jahren hat eine Fachgruppe den Einfluss der Glencore-Mine analysiert.
  • Die Gesundheit der Kinder aus der Stadt sei durch eine Mine beeinträchtigt, behaupten sie.
Ad

Ein Team aus Juristen und Wissenschaftlern hat 10 Jahre lang die Mine in Cerro de Pasco untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Bergbaukonzern Glencore und dessen Tochterunternehmen Volcan für die Verschmutzung und das menschliche Leid in der peruanischen Stadt verantwortlich sind.

Das Gesicht der KVI-Initiative

Ein Mädchen aus Cerro de Pasco ist zum Gesicht der Konzernverantwortungsinitiative geworden. Wir kennen die Identität dieses Mädchens nicht, aber wir kennen das Leid, das sie symbolisiert nur zu gut.

Wir vertreten beide Non-Profit-Organisationen, bestehend aus Staatsanwälten und Umweltwissenschaftlern. Bei unserer Arbeit setzen wir unser jeweiliges Fachwissen ein und lassen uns von den ethischen Standards unserer Berufsstände leiten, um das zu tun, was wir am besten können: die Feststellung von Tatsachen.

Genau das haben wir in Cerro de Pasco während der letzten 10 Jahre gemacht. Unsere Ergebnisse haben wir in einem öffentlichen Bericht präsentiert.

In der Diskussion um die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz wird den Initianten immer wieder vorgeworfen, sie würden die Situation in Cerro de Pasco für ihre Zwecke falsch darstellen, übertreiben oder verzerren. Es wird von der Gegenseite behauptet, dass die Lage im Ort nicht so eindeutig ist.

Plakat Ja zur Konzern-Initiative.
Plakat Ja zur Konzern-Initiative. - Screenshot - www.konzern-initiative.ch

Wir möchten daher die Gelegenheit nutzen, um unsere Arbeit näher zu erläutern. So möchten wir Zweifel über unsere Schlussfolgerungen ausräumen, dass der Bergbaukonzern Volcan Compañía Minera S.A.A., welcher die Mine in Cerro de Pasco betreibt und seit 2017 im Besitz des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore ist, in der Tat verantwortlich ist für die Umweltverschmutzung und das Leid der Menschen in Cerro de Pasco.

Die Untersuchung

Um unsere Untersuchungen durchzuführen, haben wir uns mit mehreren Organisationen und Institutionen zusammengetan. Neben CCCA und Source International – den zwei Organisationen, welche wir beide vertreten – waren auch Wissenschaftler der American Association for the Advancement of Science und des Cyber Environmental Law Enforcement, Experten im Bereich der forensischen Medizin der Universitäten von Santiago de Compostela und Cohimbra, Rechtsinstitute der Universität von Essex und der Universität Berkeley in Kalifornien, sowie das Centro de Cultura Popular LABOR aus Cerro de Pasco bei unseren Untersuchungen dabei.

Darüber hinaus konsultierten wir Experten des Niederländischen Forensischen Instituts und mehrere Kriminalermittler und Staatsanwälte.

Zwischen 2009 und 2019 sammelten und testeten wir hunderte von Wasser-, Boden- und Staubproben, untersuchten luftgetragene Verunreinigungen und entnahmen Blut- und Haarproben von Kindern in Cerro de Pasco.

Wir machten medizinische Untersuchungen von den Kindern im Ort und analysierten relevante statistische Daten zur Sterblichkeit, zur Häufung gewisser Krankheiten und zur psychischen Gesundheit in der Region. Zusätzlich werteten wir relevante Berichte zu wissenschaftlichen Tests aus, die von anderen Organisationen durchgeführt wurden – darunter peruanische Regierungsbehörden, das American Center for Disease Control, die Weltgesundheitsorganisation und private Beratungsfirmen.

Stadt in Peru.
Stadt Cerro de Pasco, in Peru. - keystone

Wir durchforsteten öffentlich zugängliche Dokumente von Volcan, einschliesslich der Umweltverträglichkeitsprüfungen und Dokumente der peruanischen Umweltbehörden. Und schliesslich führten wir mehrere Fernerkundungsstudien mittels Satellitendaten und eine Simulation zur Ausbreitung der Luftverschmutzung durch.

Unsere Ergebnisse

Auf der Grundlage der Informationen, die wir gesammelt haben, stellten wir fest, dass die Gesundheit praktisch aller Kinder aus Paragsha (einem Viertel in Cerro de Pasco, das der Mine besonders ausgesetzt ist) beeinträchtigt ist. Sie weisen stark erhöhte Werte von Blei und anderen Schwermetallen in ihrem Blut und ihren Haaren auf.

Die meisten haben medizinische Symptome entwickelt, die typischerweise mit Schwermetallvergiftungen einhergehen, wie Blutarmut, chronische Magen-Darm-Erkrankungen, verminderte Sehkraft, dermatologische Veränderungen, Depressionen und andere Verhaltensstörungen.

Die Kontamination der Kinder mit Schwermetallen wird in erster Linie durch die Aufnahme kontaminierter Erde, Wasser und Nahrungsmittel und durch das Einatmen oder Verschlucken von kontaminiertem Staub verursacht.

Der Boden von Cerro de Pasco, inklusive der Spielplätze für die Kinder, ist verseucht mit Schwermetallen. Genauso wie die Flüsse um Cerro de Pasco und das Trinkwasser der Stadt.

Volcan trug wesentlich zur Umweltverschmutzung in Cerro de Pasco bei. Der Konzern lagerte in unmittelbarer Nähe zur Stadt mit Schwermetallen angereicherte Minenabfälle ab und türmte diese zu riesigen Halden auf.

Durch eine Reihe von Untersuchungen, kamen wir zum Schluss, dass die Excelsior-Abraumhalde, die sich im Besitz eines anderen Unternehmens befindet, keine Hauptquelle für die heutige Verschmutzung darstellt.

Vielmehr steht die Kontamination von Luft und Boden in direktem Zusammenhang mit den laufenden Bergbauaktivitäten von Volcan, vor allem mit dem Zerkleinern, Zermahlen und dem anschliessenden Transport von Erz und Abfallgestein. Auch das Abwasser aus den Anlagen von Volcan enthält extreme hohe Konzentrationen von Schwermetallen.

Zum Vergleich: die in einem Fluss unterhalb der Volcan-Mine gemessene Kontamination war um das 166fache höher als die in der amerikanischen Stadt Flint im Bundesstaat Michigan gemessene Bleiverunreinigung, für die sich das betreffende Unternehmen nun vor Gericht verantworten muss.

Zusammen mit Spezialisten für visuelle Ermittlungen des New Yorker Architekturbüros SITU haben wir eine interaktive Plattform erstellt, um die Folgen der Minentätigkeiten von Volcan in Cerro de Pasco zu dokumentieren und die massive Verschmutzung fassbar zu machen.

Sie ist damit die Visualisierung unserer jahrelangen Untersuchungen und enthält über 100'000 Datenpunkte aus den Proben und den Tests, die in Cerro de Pasco an zahlreichen Standorten gemacht wurden.

Die Rolle von Glencore

Die Umwelt- und Gesundheitssituation in Cerro de Pasco hat sich seit 2017, als Glencore die Kontrolle über Volcan übernahm, nicht entspannt. Wir haben Haaruntersuchungen von Dutzenden von Kindern aus Paragsha verglichen, die 2016 und dann wieder 2018 durchgeführt wurden.

Firmengebäude Glencore.
Hauptsitz der Firma Glencore in Baar, Kanton ZG. - keystone

Die Ergebnisse sind eindeutig: 2018 ist die Schwermetallkonzentration in den Haaren der Kinder dramatisch angestiegen. Im Durchschnitt hatte sich der Mangan-, Eisen- und Chromgehalt mehr als verdoppelt und der Bleigehalt war um 47 Prozent gestiegen.

Daneben zeigte die Analyse von Satellitenbildern eine signifikante Zunahme der räumlichen Ausdehnung der Bleiverunreinigung in Cerro de Pasco zwischen 2016 und Ende 2018.

Fazit

Niemand in Peru war erstaunt über die Ergebnisse unserer Untersuchungen. Tatsächlich hatte die zuständige nationale Regulierungsbehörde dutzende Geldstrafen gegen Volcan wegen der Überschreitung zulässiger Maximalwerte für Schadstoffe und anderer Umweltverstösse ausgesprochen.

Darüber hinaus erklärte die peruanische Regierung 2017 und erneut 2018, nachdem Glencore die Kontrolle über Volcan übernommen hatte, den gesundheitlichen Notstand in Cerro de Pasco.

Volcan gibt an, dass es einer der weltweit grössten Produzenten von Zink, Blei und Silber zu einem der niedrigsten Kosten in der Branche ist. Unser Bericht zu Cerro de Pasco zeigt, dass für diese Metalle ein grosser Teil der Kosten von anderen getragen wird, nämlich von den Menschen in Cerro de Pasco.

Es sind vor allem Kinder, wie das Mädchen auf dem Plakat der Konzernverantwortungsinitiative, die dafür mit ihrer Gesundheit bezahlen.

Die Fakten, die wir zur Situation in Cerro de Pasco festgestellt haben, erzählen ein klare Geschichte. Sie lügen nicht.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

WasserDatenDepressionenErdeGerichtUmweltRegierungGlencore