Glaube ist stärker als Wissen

Im Dezember jagt jeweils ein Jahresrückblick den anderen. Kaum einer ist dabei so aussagekräftig wie derjenige, der die beliebteste Bibelstelle des Jahres kürt.

Ein möglicher Weg, diese zu ermitteln: Bei der bekanntesten Online-Bibel gucken, welchen Vers am meisten User markiert und geteilt haben.

Der Gewinnervers im Wahnsinns-Jahr 2020 steht im Jesaja, Kapitel 41: «Fürchte dich nicht, denn ich stehe dir bei; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark – ich helfe dir, mit meiner siegreichen Hand beschütze ich dich!»

Wow! Was für eine Ermutigung. Kein Wunder, haben diese Worte in den letzten Monaten viele getröstet. Es sind Worte von Gott, die er durch den Propheten Jesaja seinem Volk Israel zurufen liess.

Aber natürlich gilt diese Verheissung auch für uns, da sie zeigt, wie Gott ist. Er wischt Angst mit seiner Stärke fort und behütet uns.

Wirklich? Naja. Fühlt sich nicht so an, wenn die scheusslichen Boko-Haram-Islamisten im Norden Nigerias immer wieder Jesus-Nachfolger abschlachten.

Oder wenn in weiteren Ländern wie Nordkorea, Afghanistan oder Somalia Christen bis aufs Blut verfolgt werden. Jeden Tag, ganz normal, ohne europäischen Aufschrei.

Das christliche Hilfswerk «Open Doors» schätzt, dass 200 Millionen Christen in etwa 60 Ländern wegen ihres Glaubens an Jesus leiden. Wir reden dabei nicht «nur» von Diskriminierungen, sondern auch von Gefängnis, Folter und Mord.

Horror! Und wo ist da dieser Gott, der seinen Followern vollmundig verspricht, er würde sie beschützen?

Schwer zu verstehen, gebe ich zu. Einerseits dieser Vers des Jahres, andererseits die oft so anders aussehende Realität. Lügt die Bibel? Ist Gott schlicht nicht mächtig genug?

Wer die Bibel nur mit seinem Verstand verstehen möchte, wird meiner Meinung nach entgleisen. Zu viele Fragen lassen sich nicht beantworten, zu viele vermeintliche Widersprüche verwirren.

Es stellt sich die Frage: Will ich alles wissen oder bin ich mutig genug, an etwas zu glauben?

Wissen braucht Beweise. Vieles aus der Bibel lässt sich beweisen, was ermutigend sein kann für Bibel-Fans wie mich. Wissen hat aber immer einen Deckel: Den menschlichen Verstand. Es kann nie mehr geben, als ich zu verstehen in der Lage bin.

Glaube indes akzeptiert, dass der Mensch mit seinem Verstand vieles nicht kapiert. Das lässt drückende Fragen offen, was Courage braucht. Dafür birgt es die Chance, an etwas zu glauben, was übernatürliche Hoffnung bringt.

Damit ich den Gott der Bibel verstehen kann, brauche ich Glauben. Ohne diese Voraussetzung sind viele Argumente wertlos.

Wenn Sie die Wahrheit der Bibel mit Bibelversen beweisen wollen, ist das etwa so, wie wenn Sie jemandem auf Spanisch spanisch beibringen. Er wird Sie lange nicht verstehen.

In erster Linie sollten wir davon erzählen, woran wir glauben. Und betonen, dass wir nicht auf alle Fragen Antworten liefern können, müssen oder wollen.

Denn könnte ich Ihnen beweisen, dass mein Glaube stimmt, würde ich ja einer bewiesenen Wissenschaft nachfolgen, die folglich mit menschlichem Verstand greifbar wäre.

Sehr viel lieber folge ich einem allmächtigen Gott nach, dem ich zutraue, dass er seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferstehen liess.

Diesem Gott traue ich auch zu, dass er mir beisteht, wenn ich mich fürchte. Dass er mein Gott ist, wenn ich Angst habe und dass er mich stärkt, hilft und beschützt. Genauso, wie es im Vers des Jahres steht.

Ob es Gott dann wirklich tut, kann ich nicht wissen. Aber ich darf daran glauben, was so viel stärker ist.

Sam Urech ist 36-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Marketing Agentur «ratsam».

Er liebt seine Familie, seine Kirche, Guinness, Fussball, Darts, den EHC Wetzikon, Preston North End und vor allem Jesus Christus. Sam schreibt wöchentlich auf Nau.ch über seine unverschämt altmodischen Ansichten. Hier finden Sie alle seine Halleluja-Kolumnen.

Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie Sam ein Email: sam@hiSam.ch

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