Meret Schneider: «Schweizer Volk kann Tierqual ein Ende bereiten»
Sind die Anpassungen der Tierschutzverordnung ein grosser Wurf der Schweiz? Eine Kolumne von Nationalrätin Meret Schneider.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat die Botschaft zu Änderungen im Tierschutzgesetz verabschiedet.
- Das Volk kann sich an der Urne für unser Tierschutzgesetz aussprechen.
Der Bundesrat beschloss an seiner Sitzung im Mai 2025 als indirekten Gegenvorschlag zur Pelzimportverbotsinitiative ein Importverbot für die Ein- und Durchfuhr von tierquälerisch erzeugten Pelzprodukten.
Das wurde gefeiert wie ein grosser Meilenstein: Schweizer Pelzfachgeschäfte, Modegeschäfte und Onlineanbieter müssen beim Einkauf von Pelzprodukten deren Herstellungsmethode künftig abklären – und einen Nachweis über eine nicht-tierquälerische Gewinnungsart erbringen. Das wird stichprobenweise kontrolliert.
Schritt in die richtige Richtung
Das Pelzimportverbot wurde beschlossen, nachdem die zuvor geltende Deklarationspflicht in den Verkaufsstellen flächendeckend missachtet wurde. Und ist mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung.
An der gleichen Sitzung beschloss der Bundesrat zudem die Einführung einer Deklarationspflicht für gewisse importierte tierische Lebensmittel.

Tierschützerinnen und Tierschützer jubeln
Diese sieht konkret vor, dass bei Rind-, Schweine-, Hühner- und Truthühnerfleisch, Froschschenkeln, Kuhmilch und Hühnereiern künftig ein Vermerk anzubringen ist, wonach die Produkte mit schmerzverursachenden Eingriffen ohne Schmerzausschaltung gewonnen wurden, falls im Rahmen der Herstellung solche Praktiken zur Anwendung gelangten.
Zudem müssen Produkte aus der Stopfmast (beispielsweise Foie gras) neu mit dem Hinweis versehen werden, dass sie von zwangsernährten Gänsen oder Enten stammen.
Tierschützerinnen und Tierschützer konnten ihr Glück kaum fassen: Gleich zwei gute Botschaften aus einer Bundesratssitzung – das ist selten genug!
Kritisch hinterfragen ist wichtig
Und wenngleich ich eine grosse Freundin der kleinen Schritte und der Spatzen in der Hand (statt der Tauben auf dem Dach) bin, gilt es, diese beiden Beschlüsse kritisch zu hinterfragen.
Denn: Besieht man deren Wirkung nämlich im Detail, entpuppen sich Meilensteine ganz schnell als Meilenkiesel.
Es gibt Handlungsbedarf
Und es liegt der Schluss nahe, dass hier im Zuge der nahenden Volksinitiativen der Eindruck erweckt werden soll, man mache alles bereits sehr gut. Und es gebe keinen Handlungsbedarf mehr. Doch weit gefehlt.
Zunächst zum Pelzimportverbot aus tierquälerischer Produktion: Hier wurde die Schweiz als Vorreiterin und Pionierin gefeiert, die neue Standards setzt. Was in doppelter Hinsicht nicht stimmt.

Was ist Tierquälerei?
Zum einen ist der Begriff «tierquälerisch» viel zu eng gefasst. Was zur Folge hat, dass beispielsweise Pelze von Tieren, die mit Schlagfallen gejagt wurden, gemäss den Erläuterungen des Bundesrats ausgenommen sind.
Solche Fallen führen aufgrund ihrer unzuverlässigen Wirkungsweise nicht selten zu einem langsamen, schmerzhaften Tod der Tiere, weshalb ihr Einsatz als klar tierquälerisch zu bezeichnen ist.
Ausserdem bergen sie ein hohes Risiko dafür, dass es zu Fehlfängen kommt, womit sie auch aus Artenschutzsicht bedenklich sind.
In der Schweiz ist die Jagd mit Schlagfallen aufgrund ihrer Tierschutzrelevanz ausdrücklich verboten, wie auch Tier im Recht kritisiert.
Vorreiterrolle der Schweiz ist zu hinterfragen
Vor diesem Hintergrund ist in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb der Bundesrat deren Einsatz im Zusammenhang mit der Pelztierjagd im Ausland als «nicht tierquälerisch» beurteilt.
Zum anderen gilt es auch die Vorreiterrolle der Schweiz zu hinterfragen, die suggeriert, man sei anderen Ländern weit voraus.
Dieser Interpretation wohlmeinender Tierschutzorganisationen steht entgegen, dass beispielsweise in Israel bereits seit 2021 der Verkauf von Pelzen untersagt ist. Und in Indien 2017 der Import von Pelzen von Chinchillas, Nerzen und Füchsen für Bekleidung und Accessoires verboten wurde.

Auch diverse Städte wie Sao Paulo, Cambridge, Kalifornien, Los Angeles, San Francisco und diverse weitere haben ein Pelzverkaufs- und damit auch Importvebot beschlossen – unabhängig von der Produktionsweise.
Die Schweiz bleibt mit ihrer Regelung also hinter den Pionieren zurück, statt selber voranzugehen.
Während das Importverbot tierquälerischer Pelze aber wenigstens als echten Fortschritt gewürdigt werden kann, handelt es sich bei der Deklarationspflicht tierquälerisch erzeugter Produkte wie der Stopfleber tatsächlich um ein reines Feigenblatt.

Stopfleber oder Foie Gras darf bereits heute nur als solche bezeichnet werden, wenn sie von gestopften Gänsen und Enten kommt – ansonsten heisst es Gänseleber/Entenleber.
Nur die durchs Stopfen künstlich vergrösserte und unnatürlich fette Leber darf als Foie Gras bezeichnet werden. Dies nicht aus tierschützerischen Gründen, sondern aus Gründen der Qualitätssicherung.
Eine Deklaration ist mit der Bezeichnung «Stopfleber/Foie Gras» also de facto bereits gegeben.
Schwachpunkt der Deklarationspflicht
Ein weiterer Schwachpunkt der Deklarationspflicht liegt zudem in der Beweislastverteilung, wie auch Tier im Recht konstatiert.
Die Behörden können fehlende Kennzeichnungen nur dann beanstanden, wenn ihnen der Nachweis gelingt, dass die betreffenden Produkte tatsächlich mit einer kennzeichnungspflichtigen Methode gewonnen wurden.
Hierfür müssten sie allerdings die im Ausland liegenden Produktionsbetriebe kontrollieren, was einerseits mit einem unverhältnismässigen Aufwand und andererseits mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden wäre.
Eine seriöse Überprüfung der Einhaltung der Deklarationspflicht wird damit weitestgehend verunmöglicht.
Nicht nachvollziehbar
Wesentlich sinnvoller wäre eine Regelung gewesen, die den Verkaufsstellen die Beweislast auferlegt hätte.
Diese hätten dann den Nachweis erbringen müssen, dass nicht deklarierte Produkte tatsächlich ohne die anzugebenden tierquälerischen Methoden gewonnen wurden, wie es beim Pelzimportverbot gehandhabt wird.
Warum hier nicht das gleiche Vorgehen gewählt wurde, ist aus materieller Sicht in meinen Augen nicht nachvollziehbar.

Insbesondere in Bezug auf die Deklarationspflicht von Stopfleber ist klar: Der Bundesrat will bereits jetzt der Initiative für ein Importverbot von Stopfleber den Wind aus den Segeln nehmen. Und den Eindruck vermitteln, man ergreife bereits heute die nötigen Massnahmen.
Tierschutzgesetz kommt an die Urne
Mit der Deklarationspflicht seien die Konsumierenden informiert und könnten mündige Konsumentscheidungen treffen, so die Argumentation.
Eine Antwort auf die Frage, warum wir diese tierquälerische Methode in der Schweiz seit vierzig Jahren verbieten, exakt das gleiche Produkt aber aus dem Ausland importieren und damit die Praxis unterstützen, bleiben er und die Gegnerinnen und Gegner der Initiative schuldig.
Es bleibt zu hoffen, dass sich das Volk an der Urne für unser Tierschutzgesetz ausspricht und dieser Tierqual – ob in der Schweiz oder im Ausland – ein Ende bereitet.
Zur Person: Meret Schneider (32) ist Mitglied des Schweizer Nationalrats. Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.