«Brüllende Kids im Flugzeug - die Eltern sind faul!»

Verena E. Brunschweiger
Verena E. Brunschweiger

Zürich,

Unsere Zukunft seien nicht Kinder, die völlig erziehungsfrei aufwachsen, schreibt Kolumnistin Verena Brunschweiger. Sie liefert Beispiele, die schief laufen.

Flugzeug
Genervt von schreienden Kindern im Flugzeug? Das passiert öfters, als man denkt. - Getty

Das Wichtigste in Kürze

  • Dr. Verena E. Brunschweiger schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
  • Heute schreibt sie über Eltern, die ihren Kindern alles erlauben.

Satte 96 Prozent der Nau.ch-Lesenden befürworten, dass Eltern im Flieger bei ihren Kindern sitzen sollen. Das ist für mich keine Überraschung. Denn wir erinnern uns: Platz 1 von allem, was im Flugzeug nervt, sind brüllende Babys.

Nau.ch-Voting
Ein deutliches Voting-Resultat auf Nau.ch. - Nau.ch

Kein Wunder, dass sich die Leute ein wenig erzieherisches Wirken versprechen, wenn wenigstens Kleinkinder bei ihren Erzeugern sitzen. Auch das ist aber leider nicht mehr besonders in.

Der steigende Bedarf und die hohe Popularität kinderfreier Räume haben ja gerade damit zu tun, dass Eltern ihrem Erziehungsauftrag nicht oder nur sehr sporadisch und oftmals nach Lust und Laune nachkommen.

Es wird rasch aggressiv

Diese Eltern sind es dann auch, die sich ausserordentlich aggressiv gebärden, wenn man die Stirn hat, sie dezent darauf hinzuweisen, dass sie ihre Aufgabe nicht (ausreichend) erfüllen. Die Vormachtstellung der Elternschaft muss schliesslich mit allen Mitteln aufrechterhalten werden.

Kritik an Eltern erlaubt sich ohnehin fast niemand. Denn aufgrund ihrer Mehrheit herrscht die kinderbesitzende Masse – und nimmt sich Unverschämtheiten heraus wie keine andere gesellschaftliche Gruppe.

Verena Brunschweiger
Verena Brunschweiger schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen. - zvg / Wolf-Dietrich Nahr

Tritte im Flugzeug in den Vordersitz

Sie scheuen auch nicht davor zurück, ihre dummdreiste Pseudo-Rhetorik all jenen ins Gesicht zu klatschen, die auch nur eine Augenbraue hochziehen, wenn im Flugzeug brüllend der Sitz des Vordermanns traktiert wird.

«Das sind Kinder!» Äh, nein? Das sind völlig unfähige Eltern, die faul und rücksichtslos sind!

Sollten Eltern im Flugzeug mehr Verantwortung übernehmen?

Auch mit vergleichbaren Äusserungen enragierter Eltern spielen kinderfreie Menschen längst Bullshit-Bingo: «Wer zahlt mal deine Rente?», heisst es dann. Antwort: Bestimmt nicht jemand, der ohne jegliche Regeln aufwächst und die Aufmerksamkeitsspanne eines TikTok-Videos hat.

Kreative Zerstörungswut?

Die französische Philosophie-Professorin Élisabeth Badinter (selbst Mutter und als Autorin eine scharfe Kritikerin des Muttermythos) schrieb ausführlich über «König Kind» – und die desaströsen Auswirkungen einer «Erziehung», die bereits Klein(st)kinder auf ein Podest stellt, als wären es höhere Wesen. Und nicht junge Menschen, die noch ganz viel lernen müssen.

Aber vermutlich lesen erziehungsscheue Eltern nicht, sondern folgen nur Mommy-/Daddy-Influencern, die den missratenen Sohn als kleinen Prinzen bezeichnen. Sie lassen die Kids «Amok» laufen – und feiern die Zerstörungswut auch noch als Ausdruck von Kreativität.

Kind läuft im Restaurant hinter Tresen

Dafür «wundern» sie sich dann, wenn es läuft wie im Düsseldorfer Thai-Imbiss Ayutthaya, der im April 2025 überregional in die Schlagzeilen kam. Dort hatte sich das Betreiber-Ehepaar Rosik dazu entschieden, Gästen mit kleinen Kindern das Essen nur noch zum Mitnehmen anzubieten. Warum? «Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit kleineren Gästen.»

Einmal sei ein Kind hinter den Tresen in die offene Küche gelaufen, dann habe ein Kind auch schon auf einem gedeckten Tisch gestanden. Oder habe sich am Nachbartisch einfach bedient.

Restaurant mit Kindern
Immer eine Herausforderung: Mit Kids ins Restaurant gehen. - Depositphotos

Die Rosiks geben die Schuld den Eltern, die lieber ins Smartphone schauen und ihre Kinder nicht beaufsichtigen. Und sie sind mutige Menschen, die nicht-stattfindende Erziehung ahnden.

Warum das nicht öfter so gemacht wird? Wegen befürchteter Umsatzeinbrüche.

Die Rosiks, offenbar weniger geldgeil, betonen, dass fehlerfreies Kochen und die Konzentration auf die Arbeit bei störendem Kindergeräusch nicht möglich seien.

Den Gästen mit Kids raten sie: «Geniessen Sie unser Essen mit Ihren Kindern in vertrauter Umgebung. Dort, wo Sie und Ihre Kinder entspannter sind.»

Kindergebrüll wird nicht geliebt

Die Leute lieben Kindergebrüll einfach nicht, das muss man auch als Elternteil akzeptieren.

Nicht umsonst klagten in München Anwohner gegen eine Kita, die in einer alten Villa eingerichtet werden sollte. Die Begründung war «enorme Lärmbelästigung» der Nachbarn!

Und um einen dritten Bullshit-Klassiker zu entkräften: Nein, unsere Zukunft sind NICHT Kinder, die völlig erziehungsfrei aufwachsen – und dadurch selber keinerlei Zukunft haben.

Unsere Zukunft sind wir über acht Milliarden, die wir bereits existieren. Und Kinder, die an unsere Welt adäquat herangeführt werden, um wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu werden.

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.

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Kommentare

User #3153 (nicht angemeldet)

Früher waren wir alle Diktatoren und konnten Kinder so erziehen, dass sie den richtigen Weg finden. Unsere Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern haben dazu damals die Ohrfeige erfunden.

User #5429 (nicht angemeldet)

«Wo lag also meine Schuld?»: Tidjane Thiams Abrechnung mit der Schweiz Der ehemalige Credit-Suisse-Chef zeichnet in seinem Buch ein düsteres Bild seiner Zeit in Zürich. Er beschreibt eine fremdenfeindliche Elite, die ihn von Anfang an abgelehnt habe und schliesslich aus dem Amt drängte.

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