«Breitbeinige Männer sind für Frauen demütigend!»
Unsere Kolumnistin Verena Brunschweiger sagt «Manspreading» und «Mansplaining» den Kampf an. Und liefert spannende Hintergründe.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Mann erklärt etwas in der Annahme, mehr zu wissen als sein weibliches Gegenüber.
- Mit «Mansplaining» kann unsere Kolumnistin gar nichts anfangen.
- «Man darf es Männern nicht durchgehen lassen», schreibt Verena Brunschweiger.
Das Phänomen des «Mansplaining» ist uralt. Der Begriff hingegen geht auf die US-amerikanische Feministin Rebecca Solnit zurück, die 2008 in der Los Angeles Times einen Essay mit dem Titel «Men Explain Things to Me» veröffentlichte.
Einem Artikel, der unter anderem die wahre Begebenheit enthielt, wie ihr ein Mann ein Buch erklärte, das sie selbst verfasst hatte. Richtig abstrus wird es, wenn es dem Typen nach dieser Glanzleistung nicht mal peinlich ist!
Die US-amerikanische Schriftstellerin Rebecca Solnit nennt in ihren Büchern immer wieder die schwule Community als Inspirationsquelle. Sie schreibt: «Mir führten sie beispielhaft vor, welche radikale Schönheit darin liegt, sich der zugewiesenen Rolle zu verweigern. Wenn sie nicht sein mussten, was sie sein sollten, dann musste ich es auch nicht.»
Wann ist etwas harmlos?
Ein Mann, der sich superschlau vorkommt und herablassend einer Frau etwas erklärt («Mansplaining»). Oder der breitbeinig im öffentlichen Verkehr Platz nimmt («Manspreading»). Sind das nicht vergleichsweise harmlose Delikte?

Solnit erklärt: «Mir haben schon öfter Leute vorgehalten, ich setze kleinere Demütigungen mit echten Verbrechen gleich. Aber diese Leute begreifen nicht, oder wollen nicht begreifen, dass es hier um Ausschnitte aus einem breiten Spektrum geht, die sehr unterschiedlich aussehen können, aber eben alle zu ein und demselben Spektrum gehören. Schwarze zu zwingen, aus separaten Wasserspendern zu trinken und sie zu lynchen sind zwei Massnahmen, die sich in Art und Ausmass unterscheiden. Aber beiden liegt die Absicht zugrunde, Rassentrennung und -ungleichheit zu zementieren, und das versteht fast jede*r.»
Nicht erst bei Gewalt und Femiziden beginnen
Wachsam zu sein, was strukturelle Diskriminierungen betrifft, ist «woke» im besten Sinn und ein Beitrag, den alle im täglichen Leben leisten können (statt sich mit rechten Ideologen gemein zu machen, die abwertend-karikierend Wokeness als übertriebene Lächerlichkeit darzustellen versuchen).
Man kann nicht erst bei häuslicher Gewalt und Femiziden anfangen. Man muss die Verhaltensweisen, die in genau solchen Taten kulminieren thematisieren und bekämpfen.
Wenn Männer die Welt erklären
Man darf es Männern nicht durchgehen lassen, von ihrer überlegenen Position aus Frauen, die teilweise viel mehr wissen als sie, aber kein krankhaft übersteigertes Selbstbewusstsein haben wie sie, die Welt zu erklären.

Man darf ihnen «Manspreading» nicht durchgehen lassen, eine selbstverständliche Vereinnahmung des öffentlichen Raums. Sei es durch sich körperlich Ausbreiten oder durch überproportionale Redeanteile in Diskussionen (die dann auch noch paternalistisch daherkommen).
Männer haben Vorteile
Dass Männer in der Gesellschaft bestimmte Vorteile haben, ist eine Tatsache. Es ermüdet ungemein, dass man manche Typen erst mal dazu bringen muss, dies überhaupt anzuerkennen.
Dass sie es um keinen Preis hergeben wollen, verwundert nicht. Wir sind halt nicht in Norwegen, wo die männlichen Fussballer einen Teil ihres exorbitanten Gehalts freiwillig abgaben, um das grundlos schlecht verdienende Frauennationalteam öffentlichkeitswirksam zu unterstützen.
Schon bei diesem Beispiel fällt auf, dass es tolle Typen nicht notwendig haben, mehr Raum einzunehmen als ihnen zusteht.

Normale Männer lassen Frauen ausreden
Normale Männer fallen Frauen nicht ins Wort, sondern lassen sie ausreden statt «Manterrupting» zu betreiben (= man + interrupt).
Sie nehmen Frauen ernst, was selbstverständlich sein sollte, aber leider nicht ist.
Ihnen ist bewusst, dass man Frauen nicht in langen Monologen «erklären» muss, was diese ohnehin meist schon wissen. Ihnen ist bewusst, dass man nicht einfach seinen Arm kommentarlos auf die Lehne zwischen zwei Theatersesseln knallt, sondern die Aufteilung höflich thematisiert.
Genitalien direkt vor dem Gesicht
Diese seltene Spezies ist in der Regel nicht in patriarchalen Institutionen daheim. Ganz im Gegenteil: Männliche Polizisten stellen sich im Zug gern vor sitzende weibliche Passagiere.
Und zwar so, dass diese, wenn sie geradeaus schauen, direkt die Genitalien und die Dienstwaffe zentimeterweit entfernt vorm Gesicht haben. Die müssen es wirklich notwendig haben!
Und wen kontrollieren sie? Jedenfalls kaum weisse, reiche, alte Hetero-Männer.
Daher Kampf dem «Manspreading» und «Mansplaining». Ob es in Uniform daherkommt oder nicht!

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.