«Abnehmen? Aber wehe, ich mache Sport im Bikini!»
«Man will von mir Disziplin sehen, aber bitte nicht in XL.» Auf diese Doppelmoral habe sie keine Lust mehr, schreibt unsere Kolumnistin und Curvy-Model Stella.

Das Wichtigste in Kürze
- Stella Kizildag (29) ist ein Curvy-Model. Sie schreibt Kolumnen über Body-Positivity.
- Heute schreibt Stella über XL-Doppelmoral und «Lookismus».
Die Hitzewelle hat die Schweiz zwischenzeitlich erwischt. Für mich ist es dann zu heiss, um ins «Gym» zu gehen.
Also gehe ich morgens in Freibad, um zu schwimmen. Und so Sport in meinen Alltag zu bringen.
Plötzlich kommt eine ältere Frau auf mich zu, mustert mich. Und zischt mich an: «Wie trauen Sie sich nur, mit diesem Körper einen Bikini zu tragen?»
Ich bin für einen Moment sprachlos. Nicht, weil ich verletzt bin. Sondern, weil ich denke: «Ernsthaft?».

Du solltest wissen, dass sich ungefähr neunzig Prozent der Leser-Kommentare unter meinen Nau.ch-Kolumnen sich um mein angeblich «unzumutbare Gesundheitsrisiko» drehen.
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Aber wehe, ich mache Sport! Und wehe, ich gehe ins Gym – oder ziehe ein paar Bahnen im Freibad. Dann bin ich plötzlich das Gespött und zugleich die Zielscheibe für Blicke oder doofe Sprüche.
Wie soll das bitteschön zusammenpassen?
Ist dick wirklich gleich dumm?
Schon in der Schule musste ich lauter, besser, perfekter sein, um überhaupt ernst genommen zu werden.
Heute, egal ob im Studium oder bei der Arbeit, ist das nicht viel anders. Oder kennst du etwas viel kurvige Frauen in Führungspositionen? Nein, die sind kaum zu sehen.

Warum glauben so viele, dass mehr Gewicht gleichzeitig weniger Verstand bedeutet?
Vielleicht, weil sie mit «dick» auch gleich «faul» oder «undiszipliniert» assoziieren? Als wäre mein Körper ein Zeugnis für fehlenden Ehrgeiz.

«Lookismus»? Gibt es wirklich!
Ich stelle mir die Frage, ob es wirklich nur mir so geht. Also habe ich angefangen zu recherchieren. Und schon nach ein paar Minuten bin ich auf diesen einen Begriff gestossen, der mir alles erklärt hat: «Lookismus»!
«Lookismus» beschreibt die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Aussehens.
Wer also nicht der gesellschaftlichen Norm von «schön» entspricht (zu dick, zu dünn, zu alt, zu anders) wird benachteiligt. Ob im Job, in der Schule, beim Arzt oder in meinem Fall im Freibad.
Und plötzlich ist mir klar, dass hier nicht ich das Problem bin. Sondern, dass Oberflächlichkeit mit Kompetenz verwechselt wird!
Oberflächlich bis auf die Knochen
Und nein, ich bilde mir das alles nicht ein: Ich bin nicht überempfindlich. Auch nicht dramatisch. Und vor allem nicht allein mit diesem Problem.
Denn solange wir Menschen nach Kleidergrösse, Falten oder Körperformen beurteilen statt nach ihren Gedanken, Gefühlen und Taten, bleibt unsere Welt eine Bühne der Oberflächlichkeiten.

Ich gefalle nicht? Perfekt!
Ganz ehrlich: Ich bin nicht hier, um zu gefallen. Und falls man damit ein Problem hat, sollten diese Personen damit anfangen, nicht mich, sondern die eigenen Vorurteile zu hinterfragen.
Denn mein Körper ist nicht das, was stört. Sondern dass ich ihn zeige, ohne mich zu schämen.
Zur Person: Stella Kizildag (29) ist ein Curvy-Model, Selflove-Vorbild und der Beweis, dass wahre Stärke Kurven hat. Sie macht Schluss mit Schönheitsnormen und Platz für echte Geschichten, echte Körper und Power. Instagram: @stellakizildag.