Eine Genossenschaft vermietet eine gesamte Zürcher Siedlung an ein Unternehmen, das sich auf Kurzzeitmieten spezialisiert hat. Die Mitglieder sind überrascht.
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Die Siedlung Grossalbis ist ein typisches Arbeiterviertel aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. - Google Maps

Das Wichtigste in Kürze

  • Für sechs Monate soll die Siedlung Grossalbis für Kurzmieten zur Verfügung stehen.
  • Diese Entscheidung wurde allerdings von der Genossenschaft ohne ihre Mitglieder getroffen.
  • Diese hätten die Häuser lieber an eine gemeinnützige Organisation vermietet.
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In der Siedlung Grossalbis im Friesenbergquartier am Fusse des Uetlibergs stehen 74 zweistöckige Häuser aus den 1930er-Jahren. Eigentlich sollte die typische Arbeitersiedlung abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Darüber berichtet der «Tagesanzeiger».

Doch wenige Tage bevor der Prozess begonnen hätte, wurde klar: Die Baugenehmigung fehlt.

Die Familienheim-Genossenschaft Zürich (FGZ), die der Eigentümer der Siedlung ist, musste sich kurzfristig eine andere Idee überlegen. Deswegen vermieteten sie spontan an die Novac Solutions GmbH, die sich auf temporäre Vermietungen spezialisiert hat. Seit Anfang März sind sie offiziell die Mieter dieser Gebäude, die Zusammenarbeit ist vorerst auf ein halbes Jahr begrenzt.

Ein Marketing-Geniestreich?

Die Häuschen werden nun, die meisten mit Ikea-Möbeln ausgestattet, über kurze Zeiträume vermietet. Das Projekt brilliert definitiv mit seiner Marketing-Strategie: Die Siedlung bezeichnet Novac Solutions als «Chreis45», auf ihrer Website werden Bilder von hellen Räumen und glücklichen Menschen gezeigt.

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Kontroverse um die Vermietung

Die Häuser, die gut instand sind, dienen für die nächsten sechs Monate als Co-Living. Beispielsweise können sich hier Studierende in kleine WG-Zimmer einmieten, der Rest des Raums wird geteilt. Häuschen, für die es keine lokale Nachfrage gibt, werden über Airbnb vermietet.

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Die Häuser, die in gutem Zustand sind, finden als Co-Living oder Airbnb ihren Gebrauch. - Google Maps Street View

Doch diese Entwicklung hat bei einigen Mitgliedern der FGZ, eine der grössten Genossenschaften in Zürich, für Unmut gesorgt. Sie verstehen nicht, warum die FGZ nicht an eine gemeinnützige Organisation vermietet hat, die den Wohnraum beispielsweise an Geflüchtete weitergibt. «Das ist für mich ein Affront gegen die Werte unserer Genossenschaft», sagt ein Genossenschafter gegenüber dem «Tagesanzeiger».

Grosser Druck

Die FGZ-Mitglieder wurden über die kurzfristigen Änderungspläne nicht befragt. Trotz des Unverständnisses vieler Mitglieder ist das Vorgehen der FGZ-Führung legal. Der Vorstand darf gemäss Statuten bei Abrisshäusern alle Auswahlkriterien ausser Kraft setzen und hat dies getan.

Die FGZ erklärt in einer schriftlichen Stellungnahme, dass sie selber sehr stark unter Druck standen und innert Tagen entscheiden mussten.

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