Wolf reisst wenige Nutztiere: Umweltverbände sehen Beruhigung
Trotz steigender Population sind Nutztierrisse durch den Wolf stabil oder rückläufig. Umweltverbände führen das auf Herdenschutzmassnahmen zurück.

Das Wichtigste in Kürze
- Trotz steigender Wolfszahl blieben Nutztierrisse schweizweit Land stabil.
- Umweltverbände sehen darin den Nutzen von Herdenschutzmassnahmen.
- Die Kantone gehen bei der Erfassung der Risszahlen unterschiedlich vor.
Die vom Wolf verursachten Nutztierrisse sind im Vergleich zum vergangenen Jahr schweizweit stabil oder rückläufig. Trotz einer leicht wachsenden Wolfspopulation.
Umweltverbände sehen darin den Nutzen von Herdenschutzmassnahmen. Doch die Kantone handhaben die Risszahlen unterschiedlich.
Laut Pro Natura, WWF Schweiz, der Gruppe Wolf Schweiz und BirdLife Schweiz ist der Herdenschutz zentral. Er ermögliche ein friedliches Zusammenleben von Wölfen und Nutztieren.
Gemeinsam mit gesetzeskonformen Abschüssen bilde er die Grundlage für eine nachhaltige Koexistenz in der Schweiz. Es werden aktuell rund 42 Wolfsrudel gezählt – im vergangenen Jahr waren es gemäss der Stiftung Kora schweizweit rund 38.
Wolf reisst 37 Nutztiere weniger als im Vorjahr
Insgesamt rissen Wölfe bis Ende Oktober 832 Nutztiere – das sind 37 weniger als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr zuvor.
Nur im Kanton Tessin nahmen die Zahlen zu, in Graubünden, Glarus und im Wallis sind sie stabil. In der Waadt und in St. Gallen wurden deutlich weniger Nutztiere getötet. Das zeigen die Publikationen der jeweiligen kantonalen Fachstellen.
Doch diese Fachstellen gehen mit den Nutztierrissen nicht immer gleich um. In einigen Kantonen werden alle Nutztierrisse gemeldet. Andere Kantone veröffentlichen nur die Risse geschützter Rudel oder Fälle, die nicht zumutbar geschützt werden können.
In Graubünden – dem Kanton mit den meisten Wolfsrudeln – ist dies beispielsweise der Fall. Im Tessin werden gar alle Ereignisse mit Nutztieren aufgelistet, auch wenn eine Beteiligung von Wölfen ausgeschlossen werden kann.
Wegen der unterschiedlichen Handhabung der Zahlen müssten diese mit «sehr grosser Vorsicht» interpretiert werden. Das erklärte Lukas Berger, Präsident des Schweizerischen Schafzuchtverbands, auf Anfrage von Keystone-SDA.
Viele Nutztierverluste – Beteiligung von Wolf unbestätigt
Er berichtete, dass es diesen Sommer viele grosse Verluste bei Nutztieren gegeben habe. Der Verband gehe dabei von einer Beteiligung von Wölfen aus. Ein Nachweis dafür sei jedoch nicht möglich.
Viele betroffene Bäuerinnen und Bauern seien am Anschlag. Psychisch, wegen der vielen getöteten Schafe, aber auch physisch, wegen des aufwändigen Herdenschutzes. Grundsätzlich vertrete der Verband die Ansicht, dass es den Wolf in der Schweiz nicht brauche.
Nun sei er aber da, so Berger. Deshalb sei man mit den Umweltverbänden einig, dass es sowohl Herdenschutz als auch Wolfsabschüsse für eine Koexistenz brauche.
David Gerke, Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz, erklärte auf Anfrage von Keystone-SDA, dass die Statistiken klar seien. Sie zeigten, dass gut installierte Herdenschutzmassnahmen die Zahl der Nutztierrisse deutlich senken.
Dass es aber dennoch Risse bei geschützten Herden gebe, sorge bei den Betroffenen für grossen Frust, so Berger.
Trotz Schutz: Nutztierrisse führen zu Ärger bei Betroffenen
Bei den Wolfsabschüssen hingegen sei kein generalisierbarer Effekt nachweisbar, argumentierte Gerke. Bei der Auslöschung ganzer Wolfsrudel bestehe die Gefahr.
Dadurch könnten Lücken für nachfolgende, möglicherweise noch schädlichere Rudel entstehen. Ein Beispiel im Bündner Unterengadin habe dies gezeigt.
Dort hatten die Behörden im vergangenen Jahr trotz einer Petition und unter Protest das teilweise im Nationalpark ansässige Fuorn-Rudel erlegt.
Es wurde für zwei Angriffe auf Rinder verantwortlich gemacht. Das Rudel war tot, und plötzlich kam es in diesem Sommer im Tal zu unzähligen Schafsrissen.
Es brauche aber beides – Herdenschutz und Wolfsabschüsse. Da sind sich Berger und Gerke einig. Nur die Ausgestaltung ist umstritten.
Proaktive Abschüsse sorgen für Debatte
Aktuell läuft die dritte Regulierungsphase für Wölfe. Das revidierte Jagdgesetz erlaubt seit 2022 proaktive Abschüsse der Raubtiere, also noch bevor es zu Nutztierrissen kommt.
Berger stellte hierzu infrage, ob «dies reicht» oder ob es umfassendere Massnahmen bräuchte. In Graubünden beispielsweise will die kantonale SVP eine Ausweitung der Wolfsjagd und einen stärkeren Einbezug der Jägerschaft fordern.
Die Umweltverbände hingegen verlangen Augenmass bei den Wolfsabschüssen. Sie wollen künftig vor allem dort Herdenschutzmassnahmen etablieren, wo es heute noch als «unzumutbar» gilt, erklärte Gerke.
Der Aufwand sei zwar gross, aber es gebe schlicht keine andere Lösung. Das Tier bleibe trotz des neuen Jagdgesetzes in der Schweiz.















