Waadtländer Justiz eröffnet Strafuntersuchungen in Dittli-Affäre
Der Generalstaatsanwalt hat zwei Strafuntersuchungen eingeleitet, um zu klären, ob im Finanzdepartement unter Valérie Dittli Straftaten begangen wurden.

Der Generalstaatsanwalt des Kantons Waadt hat zwei Strafuntersuchungen in der Dittli-Affäre eingeleitet. Die Untersuchungen sollen klären, ob im Finanzdepartement, das damals von Valérie Dittli (Mitte) geleitet wurde, Straftaten begangen wurden.
Ein Sprecher der Waadtländer Staatsanwaltschaft bestätigte am Freitag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen Bericht von «24 heures». Nach der Prüfung eines Berichtes zu einer externen Untersuchung und der vom Staatsrat erstatteten Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung habe Generalstaatsanwalt Eric Kaltenrieder beschlossen, zwei Strafuntersuchungen zu eröffnen.
Mitte-Politikerin Dittli verliert Verantwortung
«Die beiden getrennten Ermittlungen haben zum Ziel, festzustellen, ob Straftaten begangen wurden oder nicht, und gegebenenfalls die Täter zu identifizieren. Die Ermittlungshandlungen, darunter Vernehmungen, sind im Gange. Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine Person beschuldigt», betonte der Sprecher.
Kaltenrieder werde «zu gegebener Zeit über die Ergebnisse dieser beiden Verfahren informieren», sagte er weiter. Der Staatsrat habe die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis genommen, schrieb die Kantonsregierung in einer Medienmitteilung am Freitagnachmittag. Sie werde «während der gesamten Dauer des Strafverfahrens keinen Kommentar» abgeben.
Die Staatsratskolleginnen und -kollegen hatten vor rund zwei Monaten Dittlis Kompetenzen beschnitten. Sie entzogen der Mitte-Politikerin am 21. März mit sofortiger Wirkung die Verantwortung für die Finanzen und Steuern. Dies, nachdem eine externe Untersuchung des früheren Neuenburger Regierungsrates Jean Studer (SP) Missstände in ihrem Departement aufgezeigt hatte.
Dittlis Antrag auf Steueraufhebung als illegal eingestuft
Studers Bericht zeigte insbesondere eine «schwer beeinträchtigte Zusammenarbeit» zwischen Dittli und ihrer Generaldirektorin für Steuern auf. Dieses schlechte Einvernehmen erstrecke sich «über die beiden Protagonisten hinaus» und beeinträchtige «das gute Funktionieren des Staates», so die Schlussfolgerung des Berichts.
Im Bericht wurde auch ein Antrag der 32-jährigen gebürtigen Zugerin Dittli auf Aufhebung der Steuerveranlagung für wohlhabende Steuerpflichtige als «illegal» bezeichnet. Der Bericht Studer wies zudem auf eine «mögliche Verletzung des Amtsgeheimnisses» hin.
Der Grosse Rat kündigte bereits am 25. März an, die im Bericht von Jean Studer angesprochenen Missstände im Finanzdepartement vollständig aufklären zu wollen. Eine Delegation der Aufsichtskommissionen (Finanzen und Geschäftsführung) soll bis Ende des Jahres einen spezifischen Bericht erstellen.
Waadt entgingen wegen Rechenfehler Millionen
Der Fall Dittli, Studers Bericht sowie Recherchen der Zeitung «Le Temps» haben im Kanton Waadt zudem eine hitzige Debatte über den Steuer-Rabatt für reiche Personen ausgelöst. Der Kanton hatte laut zwei Gutachten wegen eines Rechenfehlers vermögende Steuerzahler während 13 Jahren zu schwach zur Kasse gebeten. Dem Fiskus entgingen möglicherweise Dutzende Millionen Franken.
Anfang Mai beantragte Hadrien Buclin von der Fraktion Ensemble à Gauche und der Partei der Arbeit im Kantonsparlament die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). 55 Abgeordnete aller Parteien ausser der FDP unterzeichneten die Motion mit.
Druck auf Dittlis Vorgänger wächst
Vor einer Woche gab auch die Kantonsregierung bekannt, dass sie eine externe Prüfung der umstrittenen Praxis des Steuerrabatts für reiche Personen in Auftrag geben werde. Zuletzt geriet auch Dittlis Vorgänger, Pacal Broulis (FDP), zunehmend unter Druck.
Der ehemalige Waadtländer Finanzdirektor und heutige Ständerat verteidigte unlängst in einem Interview mit der Zeitung «24heures» die Waadtländer Steuerpraxis, für die er jahrelang verantwortlich war. Er bestritt die angeblichen Steuerausfälle in Millionenhöhe. Die Vermögenssteuerbremse habe dazu beigetragen, wichtige Steuerzahler im Kanton zu behalten, betonte er.