Im Mordprozess vor dem Zürcher Obergericht hat einer der Verteidiger am Dienstag den Experten des Zürcher Instituts für Rechtsmedizin (IRM) schwere Versäumnisse vorgeworfen. Für ein Urteil dürfe man sich nicht auf deren Gutachten abstützen, sagte er.
zürcher obergericht
Das Obergericht in Zürich, aufgenommen am Dienstag, 31. Januar 2012. - Keystone

Das Bezirksgericht hatte 2020 einen heute 39-jährigen Mann des Mordes, des Raubs und weiterer Delikte schuldig gesprochen und ihn zu einer 19-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Das Gericht war überzeugt, der Schweizer habe im August 2016 in Küsnacht ZH eine 73-jährige Frau in deren Villa erstickt und beraubt. Der Beschuldigte bestreitet die Tat. Er rief das Obergericht an.

Die Leiche der Frau, einer Ärztin, war im Bett liegend, mit einem Kissen über dem Gesicht, gefunden worden. Auch Teile von Frischhaltefolie wurden gefunden. Daran und an mehreren weiteren Stellen wurde DNA des Beschuldigten sichergestellt.

Nach der Untersuchung der Leiche und unter Einbezug der Fundsituation schlossen die Zürcher IRM-Experten, die Frau sei vom Beschuldigten erstickt worden. Dem widersprach ein von der Verteidigung in Auftrag gegebenes Gutachten eines deutschen Rechtsmediziners. Er hielt einen natürlichen Tod der Frau, namentlich einen plötzlichen Herztod, für wahrscheinlich.

Wie der deutsche Gutachter monierte der Verteidiger am Dienstag, die Zürcher Rechtsmediziner hätten die Leiche zu spät untersucht, nämlich erst am Tag nach deren Auffinden. Da sei namentlich das Lungengewebe, das Auskunft über ein allfälliges Ersticken hätte machen können, schon nicht mehr aussagekräftig gewesen.

Den Zürcher IRM-Experten warf er im Weiteren Parteilichkeit vor. Sie seien als «Gehilfen der Anklage» aufgetreten, nicht als Sachverständige. Damit hätten sie gegen die Strafprozessordnung verstossen. Zudem habe das Bezirksgericht verschiedene entlastende Indizien nicht berücksichtigt.

Es gebe «erhebliche, nicht zu unterdrückende Zweifel» an der Täterschaft seines Mandanten. Dieser müsse freigesprochen und für die zu Unrecht verbüsste Haft entschädigt werden. Der Beschuldigte selbst machte auch vor Obergericht - wie schon im ganzen Verfahren - von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch.

Sein Verteidiger lenkte in seinem Plädoyer den Tatverdacht auf die heute 48-jährige Tochter der Getöteten. Ihr wirft der Staatsanwalt vor, ihren Mitbeschuldigten zur Tötung angestiftet und ihm ein Honorar von 300'000 Franken dafür versprochen zu haben.

Er forderte 18,5 Jahre Freiheitsentzug. Die seit ihrem Teenageralter drogen- und medikamentenabhängige Frau habe es auf das Millionenerbe der Mutter abgesehen gehabt.

Laut dem Verteidiger des 39-Jährigen sei es gut möglich, dass die Tochter ihre Mutter nach und nach vergiftet habe. Das Bezirksgericht hatte sie, wie auch einen weiteren Beschuldigten, mangels Beweisen freigesprochen. Der Staatsanwalt zog die Urteile weiter. Am Obergericht sagte die Frau zwar aus, machte aber fast durchwegs Erinnerungslücken geltend. Der dritte Beschuldigte weilt im Ausland.

Die Verhandlung geht am Nachmittag und am Donnerstag mit der Fortsetzung der Plädoyers weiter. Das Urteil wird voraussichtlich am Freitag eröffnet.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

StaatsanwaltFrankenMutterHaftTodGericht