Ungereimtheiten prägen Prozess am Bezirksgericht Meilen ZH
Der Indizienprozess am Bezirksgericht Meilen ZH ist geprägt von Ungereimtheiten und Unklarheiten. Grund dafür ist vor allem, dass nicht von Anfang an wegen Delikten ermittelt wurde, sondern Unfälle angenommen wurden.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Beschuldigte hatte seine geschiedene Frau im April 2014 tot in ihrer Wohnung in Küsnacht ZH gefunden.
An Rücken und Gesäss wies sie Verbrühungen auf. Weil es sich um einen «aussergewöhnlichen Todesfall» handelte, kamen Polizei und Staatsanwaltschaft. Gestützt auf die Aussagen des Mannes nahm man aber einen Unfall an. Auch bei der Obduktion der Leiche ging man von dieser Annahme aus.
Dass man nicht von Anfang an ein Tötungsdelikt in Erwägung gezogen habe, sei «einer der Mängel, welche die Rekonstruktion so erschwerten», sagte am Mittwoch ein Rechtsmediziner aus Frankfurt am Main, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Berichte der Schweizer Kollegen analysiert und ein Obergutachten erstellt hatte.
Unzweifelhaft sei die Frau ertrunken, sagte er. Wie es dazu gekommen war, dazu legte er sich nicht fest. Klar sei: «Es war kein einfacher Sturz in die Badewanne». Die Leiche in der Badewanne war mit Socken und Pullover bekleidet. Die übrigen Kleider seien nirgends erwähnt. Mit in der Badewanne lagen Kosmetikfläschchen, ein Handy, Sandalen.
Die ganze Fundsituation «spreche nicht für einen Suizid». Er habe auch noch nie gesehen, dass jemand in eine Badewanne steige und willentlich unter Wasser gehe. Ob die Frau allerdings einen psychotischen Schub oder einen epileptischen Anfall gehabt hatte, liess der Rechtsmediziner offen.
Dass die Verbrühungen in der Wanne entstanden sein könnten, schloss der Experte aus. Sie seien nicht mit der Lage der Leiche in der Wanne vereinbar. Auf die Frage des vorsitzenden Richters, ob es Anhaltspunkte für Fremdeinwirkung gebe, sagte er vage, mit eigenem Handeln sei die Situation «schwerlich zu erklären.»
Am Vormittag hatte das Gericht den Beschuldigten zum Tod der Frau befragt. Dabei wies der Richter auf zahlreiche Ungereimtheiten in seinem damaligen Tagesablauf hin. Wie schon zuvor schwieg der 50-Jährige beharrlich. Aus den Vorhalten des Richters ergab sich der Eindruck einer berechnenden Kälte des Schweizers gegenüber seiner französischen Frau.
Dies stand in krassem Gegensatz zu den schwärmerischen Ausdrücken, mit denen er sie in seinem Buch «Zur Hölle und zurück» bezeichnet, das er dem gemeinsamen Kind gewidmet hat. Darin schildert er die Vorkommnisse aus seiner Sicht. Und er bezeichnet die Frau etwa als «Chérie Maman» oder «Ma Petite Rose d'Amour».
Laut Anklage hat der Beschuldigte im Dezember 2012 in einem Ferienhaus auf Mallorca die Frau so brutal zusammengeschlagen, dass sie schwere Brüche und andere Verletzungen im Gesicht und am Kopf erlitt. Am gleichen Abend soll er sie vor dem Haus mit dem Mietauto angefahren und ihr schwerste Beinverletzungen zugefügt haben. Die Frau blieb stark gehbehindert.
Nach langen Klinikaufenthalten wurde sie im Februar 2014 entlassen. Der Mann hatte für seine inzwischen von ihm geschiedene Frau eine kleine Wohnung in Küsnacht ZH gemietet - die nur über zahlreiche Treppenstufen erreichbar war. Eine adäquate medizinische und psychiatrische Betreuung der Frau verunmöglichte er. Aus diesem Grund richtete die Spitex eine Gefährdungsmeldung an die Kesb.
Am 16. April 2014 kam die Frau zu Tode. Gleich am nächsten Tag, und dann in den folgenden Monaten immer drängender, verlangte der Beschuldigte von der Versicherung die Auszahlung der Lebensversicherungssumme von einer halben Million Franken.
Die Versicherung wurde misstrauisch und veranlasste Untersuchungen. Diese mündeten schliesslich in die Aufnahme eines Strafverfahrens, in dem auch die Ereignisse auf Mallorca neu aufgerollt wurden. Im Oktober 2016 wurde der Mann festgenommen. Seither ist er in Haft.
Der Staatsanwalt klagt den Mann des Mordes und des Mordversuchs an. Ein Strafantrag ist noch nicht bekannt. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe zurück. Die Verhandlung wird am 8. Februar fortgesetzt. Dann kommen Anklage und Verteidigung sowie die Vertreter der Privatkläger zu Wort.