Tickets für Bundeshausführung sind «in zwei Minuten weg»
Fast täglich bietet das Bundeshaus Führungen an. Ein Zürcher stellte den Wecker, um ein Ticket dafür zu ergattern.

Das Wichtigste in Kürze
- «Die Tickets gehen so schnell weg wie begehrte Konzerttickets», sagt ein Zürcher.
- Die Nachfrage übersteige das Angebot, bestätigt der Verantwortliche für Bundeshausbesuche.
- Ein Politikwissenschaftler weiss, was an einem freien Tag ins Bundeshaus lockt.
Nervös vor dem Computer sitzen Fans, wenn sie ein Ticket für ein Konzert von US-Superstar Taylor Swift ergattern wollen. 2023 startete der Ticketverkauf für die beiden Zürcher Konzerte der «The Eras Tour» der Popsängerin. Nach einer halben Stunde waren sämtliche Tickets weg.
Ähnlich fühlte sich Sven H.* aus Zürich. Allerdings wollte er keine Tickets für einen Auftritt von einem Popstar ergattern. Er interessierte sich lediglich für eine Führung durch das Schweizer Bundeshaus.
«Die Tickets gehen so schnell weg wie begehrte Konzerttickets», sagt der 30-jährige Inhaber eines KMUs zu Nau.ch erstaunt.
«Es waren schon alle Plätze weg»
In der sessionsfreien Zeit bietet der Besucherdienst des Parlaments von Dienstag bis Samstag täglich sechs Führungen an. Diese sind kostenlos und dauern rund eine Stunde.
Maximal 30 Personen können teilnehmen. Anmeldungen sind frühestens drei Tage im Voraus möglich.
Vor rund einem Jahr versuchte Sven H. erstmals, eine Führung für Samstag zu buchen. «Doch als ich mich am Mittwochmorgen um sieben Uhr anmelden wollte, waren schon alle Plätze weg», sagt er.
«Ich stellte den Wecker»
Bei seinem zweiten Versuch kürzlich wollte der Zürcher beim Frühstück nicht nochmals vorweg gesnappten Tickets sitzen.
Um Mitternacht werden die Tickets jeweils freigeschaltet.
«Ich stellte am Dienstag den Wecker, damit ich pünktlich um 00:00 Uhr buchen konnte», sagt er. Nur knapp schaffte er es, ein Ticket zu ergattern.
«Zwei Minuten später waren alle 30 Plätze für die Führung auf Deutsch weg.» Kurz darauf seien auch sämtliche Führungen in Französisch und Italienisch ausgebucht gewesen.
Nachfrage sei konstant hoch
Michael Fritsche ist als Leiter des Besucherdiensts für die Führungen im Bundeshaus verantwortlich. Er bestätigt die hohe Nachfrage gegenüber Nau.ch.
«Die Nachfrage nach Plätzen für Führungen übersteigt das Angebot», sagt er. «Sodass die allermeisten Führungen für Einzelpersonen innerhalb kurzer Zeit ausgebucht sind.»
Sven H. ist nicht der Einzige, der beim Buchen zuerst Pech hatte. «Es kommt regelmässig vor, dass die Führungen am Morgen nach der Aufschaltung bereits ausgebucht sind», sagt Michael Fritsche.
Der Leiter der Besucherdienste stellt eine konstant hohe Nachfrage fest. Diese erreicht seit Jahren die Kapazitätsgrenzen.
Dies gelte nicht nur für Führungen für Einzelpersonen, sondern auch für alle anderen Angebote für die Öffentlichkeit. Dazu gehören Führungen für Gruppen, Sessionsbesuche, Schulangebote und Tage der offenen Türen.
Digitales Zeitalter als Grund
Was genau lockt die Schweizerinnen und Schweizer an einem freien Tag ins Bundeshaus?
«Die Faszination für den Besuch des Parlamentsgebäudes hat im digitalen Zeitalter eher noch zugenommen.» Diesen Eindruck haben Michael Fritsche und sein Team.
Er macht darauf aufmerksam, dass das Parlamentsgebäude ein nationales Baudenkmal und das Zentrum der nationalen Politik ist. «Viele Menschen kennen das Gebäude aus den Medien.»
Sie verspürten deshalb das Bedürfnis, den Ratsbetrieb mitzuverfolgen oder das Parlamentsgebäude von innen zu erleben. «Im National- und Ständeratssaal Platz zu nehmen, die Kuppelhalle auf sich wirken zu lassen und in der Wandelhalle umherzugehen.»
Fritsche versteht die hohe Nachfrage auch als Kompliment an die Mitarbeitenden. «Sie führen die Besuchenden mit grosser Kenntnis und Leidenschaft durch das Gebäude.»
«Breite politische Neugier»
Politikwissenschaftler Michael Strebel zieht ähnliche Schlüsse aus dem grossen Interesse an Bundeshausführungen.
«Es lässt sich als Ausdruck einer breiten politischen Neugier und Wertschätzung für die nationalen Institutionen verstehen», sagt er.
Viele Menschen möchten das Herz des Parlaments einmal selbst erleben, sagt Strebel. «Dort, wo National- und Ständerat tagen und zentrale politische Entscheidungen fallen.»

Strebel merkt an, dass die nationale Politik im Vergleich zur kantonalen Ebene deutlich präsenter ist als die kantonale Politik. «Das Bundeshaus ist als Symbol der politischen Entscheidungen stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert.» Medienberichterstattung, Social Media und Diskussionen über nationale Themen trügen dazu bei.
«Das Interesse wird auch dadurch verstärkt, dass Bundesparlamentarier häufig in den Medien sichtbar sind», sagt der Politikwissenschaftler. Auch besuchten diese viele Anlässe. «Die nationale Politik ist in der öffentlichen Kommunikation auf unterschiedliche Weise präsent.»
«Führungen sind lebendig»
Strebel lobt die Gestaltung der Führungen unter der Bundeshauskuppel.
«Sie vermitteln politische Inhalte anschaulich und eröffnen Einblicke in den parlamentarischen Alltag.»
Auch böten sie eine konkrete Verbindung zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Politik. Zudem sei die historische Bedeutung sowie die Architektur des Bundeshauses spannend.
«Aus eigener Erfahrung kann gesagt werden, dass diese Führungen informativ und lebendig sind», sagt Strebel. «Sie machen politische Prozesse greifbar und wecken zusätzliches Interesse an der Arbeit des Parlaments.»
Neues Besuchs- und Informationszentrum
Einen Ausbau des Angebots plant der Bund trotz des Besucheransturms aktuell nicht.
«Mit den aktuellen Ressourcen sind die Kapazitätsgrenzen ausgeschöpft», sagt Michael Fritsche. Er verweist jedoch auf die Machbarkeitsstudie für ein externes Besuchs- und Informationszentrum.
«Diese zeigt, wie das Besuchsangebot mit einem externen Besuchs- und Informationszentrum modernisiert und ausgebaut werden könnte.»
Das Zentrum soll 2029 eröffnet werden.
*Name von der Redaktion geändert.













