Auf Youtube schaltet ein Thurgauer Online-Gym Werbung, die «voll auf die Unsicherheiten von jungen Frauen abzielt». Eine Nau.ch-Leserin ist empört.
Diese Youtube-Werbung sorgt für Empörung. - Youtube / Fit on Time

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Thurgauer Fitness-Studio bietet ein Abnehm-Programm für vielbeschäftigte Frauen an.
  • Dafür wirbt es unter anderem auf Youtube – und wird dafür nun harsch kritisiert.
  • Eine Leserin ist empört darüber, wie das Gym auf Unsicherheiten von Frauen abziele.
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«Wenn man als Frau vier bis fünf Kilo zu viel wiegt, ist das kein Weltuntergang. Das Schlimmste daran ist, dass man sich den Kopf darüber zerbricht, was denken andere über mich? Was denken meine Arbeitskollegen?»

Worte, die für Empörung sorgen. Sie stammen aus einem Youtube-Werbespot des Fitnessberatungsunternehmens «Fit on Time» in Frauenfeld TG. Dieses zählt teils über 46'000 Zuschauer. Beworben wird ein Online-Coachingprogramm, das Frauen beim Abnehmen helfen soll.

Leserin Nadine H.* aus Bern, welcher der Spot auf Youtube angezeigt wird, ist entsetzt – sie wendet sich an Nau.ch: «Für mich ist das Ganze sehr manipulativ. Vor allem die Tatsache, dass auch noch ein Foto von lästernden hübschen Frauen gezeigt wird.»

Sie macht sich Sorgen, dass so etwas Frauen mit Unsicherheiten schaden könnte. Und: «Wenn man vier Kilo ‹zu viel› hat, hat man doch keinen ungesunden Körper!»

Fitness-Coach betont «Verständnis und Respekt»

Die Bernerin glaubt, die Marketing-Strategie des Fitness-Unternehmens «zielt voll auf die Unsicherheiten von jungen Frauen ab». Es sei «sexistisch», wenn Männer Frauen erklären, «wie sie auszusehen haben».

Youtube
Mit dieser Thumbnail wirbt das Ostschweizer Online-Gym «Fit on Time».
Fitness
Eine Leserin ist empört – sie findet die Werbung «manipulativ». (Symbolbild)
Mursic
«Auch wenn es durch plakative Werbung so wirken mag, unterstützen wir keineswegs unrealistische Schönheitsideale oder möchten jemanden dorthin bewegen», sagt Filip Mursic von «Fit on Time».

Diese Vorwürfe will «Fit on Time» nicht auf sich sitzen lassen. Sein Programm sei von «Respekt und Verständnis» geprägt, betont Mitgründer Filip Mursic auf Anfrage von Nau.ch.

«Bei uns arbeiten auch Frauen», Frauen seien auch in Videos zu sehen. Mursic glaubt: «Wenn Männer dieses Coaching nicht anbieten dürften, wäre es genauso diskriminierend, wie einem Damenschneider seine Tätigkeit zu untersagen.»

«Unsicherheiten wachzurufen nützlich»

Über den Clip sagt Mursic: «Auch wenn es durch plakative Werbung so wirken mag, unterstützen wir keineswegs unrealistische Schönheitsideale.» Man distanziere sich von dem Vorwurf, die Werbung ziele auf Unsicherheiten von Frauen ab.

Dürfen Gyms Unsicherheiten von Kundinnen ansprechen?

Sein Coaching soll Frauen helfen, ihre selbst empfundenen Defizite auszugleichen und zu akzeptieren. Der Coach folgert daraus: «Wenn Unsicherheiten durch eine Werbung wachgerufen werden und dann erfolgreich überwunden werden, ist das nicht schädlich, sondern nützlich!»

Expertin: Coach soll «Strategie überdenken»

Dem widerspricht Ernährungspsychologin Ronia Schiftan vehement. «Solche Werbungen sind nicht zielführend», sagt sie zu Nau.ch.

«Jede Werbung will zuerst ein Defizit aufzeigen. Dann kommt das Produkt, das das Defizit lösen soll.» Nur: «Der Körper ist kein Defizit, an dem man etwas verändern muss. Diese Botschaft ist unglaublich problematisch.» Diät-Werbung gebe Menschen das Gefühl, ein Defizit zu haben, wo keines ist.

Noch schlimmer: «Für Personen mit Essstörungen kann das Video ein Trigger sein. Vermittelte Schönheitsideale und Medien können gar zur Entstehung einer Störung beitragen», so Schiftan. Doch gefährlich sei die Werbung auch schon für Menschen mit Körper-Unsicherheiten.

Schiftan
Ernährungspsychologin Ronia Schiftan. - Ronia Schiftan

«Ein solches Video tut niemandem gut. Deshalb macht es Sinn, dass er seine Werbestrategie überdenkt», appelliert sie an den Fitness-Coach. «Sie geht auf allen Ebenen nicht, ist frauenverachtend und respektlos gegenüber der Vielfalt an Körpern.»

Für Training könne man auch respektvoll werben. «Denn wer vordergründig für Gesundheit werben möchte, soll diese auch fördern – ohne dabei der psychischen Gesundheit zu schaden.»

*Name geändert

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