Passend zum Stück «flöört.ch - Flirten lernen in 90 Minuten» fand auf dem Berner Hausberg ein äusserst interessantes Podiumsgespräch statt.
Menschen auf Bühne
Podiumsgespräch von Theater Gurten v.l.: Fritz Rothen (ehem. CEO IP-Suisse), Livia Anne Richard (Autorin und Regisseurin), Jeannine Borer (Moderation), Curdin Orlik (Kranzschwinger) und Marianne Kauer (Projektleiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern). - Hannes Zaugg-Graf

Noch bis 27. August 2022 wird auf dem Berner Hausberg heftig geflirtet. Im Stück «flöört.ch – Flirten lernen in 90 Minuten» spielt die Regisseurin und Autorin Livia Anne Richard gekonnt mit den Rollen der Geschlechter.

Unter dem Titel «LEBEN, WER ICH BIN. FLIRTEN, WIE ICH WILL.» fand auf dem Gurten unter anderem mit Curdin Orlik, Kranzschwinger und Marianne Kauer, Projektleiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern, ein äusserst interessantes Podiumsgespräch statt.

Verschiedene Fragen wurden von den Teilnehmenden am Podiumsgespräch, organisiert von der Regisseurin und Autorin Livia Anne Richard, mit viel Tiefgang aber auch Witz diskutiert. Feinfühlig hat Jeannine Borer, bekannt als ehemalige Radio- und TV-Redaktorin bei SRF und Autorin des Buches «Vorbild und Vorurteil« über lesbische Spitzensportlerinnen, durch die Gesprächsrunde geführt.

Ein richtiger Befreiungsschlag

Kranzschwinger Curdin Orlik hat sich vor über zwei Jahren als erster Schweizer Spitzensportler als schwul geoutet. «Im Nachhinein war es für mich das Beste, was ich tun konnte. Das Coming-out war ein richtiger Befreiungsschlag. Heute fühle ich mich frei.»

Kranzschwinger Curdin Orlik
Kranzschwinger Curdin Orlik bekannte sich als erster Schweizer Spitzensportler zu seiner Homosexualität. - Hannes Zaugg-Graf

Curdin Orlik hatte sich in der Schwingerszene bereits Respekt verschafft und wurde daher nicht nur auf seine Homosexualität reduziert. Auch wurde er von seinen Sponsoren nicht fallen gelassen.

Orlik wurde darauf von vielen queeren Menschen angesprochen oder angeschrieben. Vor allem die Älteren unter ihnen betonen, wie froh sie in ihrem Leben gewesen wären, ein Vorbild wie Orlik gehabt zu haben.

Fritz Rothen, CEO IP-Suisse und seit einer Woche pensioniert, war damals der Arbeitgeber von Curdin Orlik. «Als Curdin mich [...] über seine Homosexualität informierte, dachte ich nur – ‘ist das jetzt wichtig?’.»

Die Reaktion seines Arbeitgebers war für den Kranzschwinger nicht sehr überraschend, da er wusste, dass er in einem toleranten und offenen Umfeld arbeitet.

Versteckspiel am Arbeitsplatz?

In den letzten Jahrzenten wurde das Klima für queere Menschen zunehmend liberaler. Trotzdem sei die Angst vor einem Coming-Out am Arbeitsplatz bei vielen immer noch gross.

Marianne Kauer
Marianne Kauer (Projektleiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern): «Auch trans und intergeschlechtliche Menschen haben das Recht auf Sichtbarkeit, Respekt und das Ende von Diskriminierungen und Gewalt.». - Hannes Zaugg-Graf

«Es ist belastend und kostet viel Energie, die eigene Identität oder Lebensweise am Arbeitsplatz verstecken zu müssen. Weil wir die Welt aber durch eine Art «heteronormative Brille» anschauen, gehen die meisten selbstverständlich davon aus, dass eine Person heterosexuell und cis-endo-geschlechtlich ist.

Queere Menschen, auf die diese Vorannahmen nicht zutreffen, müssen ein Coming-Out machen, wenn sie in ihrer Identität erkannt werden wollen.» sagt Marianne Kauer, Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Bern.

Queere Themen normalisieren

Während sich die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in der Schweiz in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, seien wir in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu den Themen Transidentität und Intergeschlechtlichkeit noch weniger weit fortgeschritten, sagt Marianne Kauer.

Trotzdem glaubt sie, dass eine positive Entwicklung im Gang ist: Jugendliche werden heute bereits früh über die sozialen Medien mit queeren Themen konfrontiert. Auch in der Schule und Jugendarbeit werden Themen der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt zunehmend aufgegriffen und dadurch «normalisiert».

«Es geht vorwärts, wenn auch vielen nicht schnell genug», so Kauer. «Solche gesellschaftlichen Entwicklungen brauchen einfach auch ihre Zeit».

Um den Bogen zurück zum Theaterstück «flöört.ch» zu spannen, sagt Moderatorin Jeannine Borer:

«Ich selbst bin lesbisch und flirte mit allen Menschen gern. Flirten tut einfach gut und es ist doch schön, jemandem seine Aufmerksamkeit zu schenken. Egal, welches Geschlecht.» So sollte es sein.

Theaterstück «flöört.ch – Flirten lernen in 90 Minuten»

Wann: noch bis 27. August 2022

Wo: Gurten – Park im Grünen, kleine Gurtenwiese beim Aussichtsturm

Tickets: theatergurten.ch

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