Tessiner Opfer-Organisation kritisiert Urteil im Priester-Prozess
Die Tessiner Vereinigung für Opfer sexueller Misshandlungen im kirchlichen Umfeld kritisiert das Urteil im Prozess gegen einen Priester.

Die Tessiner Vereinigung zur Unterstützung von Opfern sexueller Misshandlungen im religiösen Umfeld übt Kritik am Urteil im Prozess gegen einen Priester. Bei sexuellem Missbrauch gebe es keine «leichten» Taten, hielt die Vereinigung in einer Stellungnahme fest.
«Jeder sexuelle Missbrauch an Minderjährigen oder an einer verletzlichen Person ist ein Missbrauch zu viel», schreibt die Vereinigung Gava (Gruppo di Ascolto per le Vittime in Ambito Religioso) in einer Stellungnahme.
Das Leid der Betroffenen hänge weder von quantitativen Faktoren (wie oft es geschehen ist) noch von qualitativen (welche Art von körperlichem Kontakt, an welchen Körperstellen) ab – und auch nicht davon, wie die Ermittlungen abliefen, schreibt die Vereinigung weiter. Für die Opfer gebe es weder Verjährung noch bedingte Strafen; es existiere nur die Möglichkeit, Hilfe zu suchen, um mit dem Geschehenen zu leben.
Kritik an Richteraussage im Priester-Prozess
Gava nimmt damit Bezug auf die Argumentation des vorsitzenden Richters im Prozess gegen einen Tessiner Priester vom vergangenen Donnerstag. Der Richter hatte argumentiert, dass bei den «meisten» der insgesamt neun Opfer der Priester die Genitalien nicht berührt habe. Nur in «wenigen Fällen» habe er diese zwischen den Beinen berührt.
Zudem hatte der Richter den Fall im Vergleich zu anderen, am Kantonsstrafgericht verhandelten Fällen, als «leicht» eingestuft. Die Forderung nach einer fünfeinhalbjährigen Freiheitsstrafe bezeichnete er als «völlig überzogen». Der Mann sei «kooperativ» gewesen und habe aufrichtige Reue gezeigt, so der Richter.