Das Losverfahren für die Wahl ans Bundesgericht hat bei Volk und Ständen keinen Anklang gefunden. Während das Parlament statt eines Systemwechsels nun eine sanfte Reform des Wahlsystems vorbereitet, hält der Kopf der Justizinitiative an seinem Vorhaben fest.
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Das Parlament empfiehlt die Justizinitiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Jedoch könnte das Wahlverfahren von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern punktuell verändert werden. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Das Losverfahren für die Wahl ans Bundesgericht hat bei Volk und Ständen keinen Anklang gefunden. Während das Parlament statt eines Systemwechsels nun eine sanfte Reform des Wahlsystems vorbereitet, hält der Kopf der Justizinitiative an seinem Vorhaben fest.

Obwohl über zwei Drittel der Stimmenden und alle Kantone die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justizinitiative)» verwarfen, hat der Zuger Unternehmer Adrian Gasser noch am Sonntagabend angekündigt, eine zweite Abstimmung anzustreben. Beim zweiten Anlauf will Gasser nicht vom Initiativtext abweichen.

Es sei unmöglich gewesen, die Bevölkerung innert so kurzer Zeit über die Missstände in der Justiz zu informieren, sagte Gasser der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Deshalb brauche es einen zweiten Anlauf. Für das deutliche Nein machte Gasser unter anderem die angeblich negative und falsche Berichterstattung über die Initiative in Medien sowie die frühe Verteilung des Abstimmungsbüchleins durch den Bund verantwortlich.

Die Politologen zogen andere Schlüsse: Neben der Pflegeinitiative und dem Covid-19-Gesetz sei die Justizinitiative im Abstimmungskampf etwas untergegangen, analysierten sie. Eine breite Debatte sei nicht entstanden, obwohl dies wegen der nicht ganz einfach formulierten Initiative wohl nötig gewesen wäre, um sie erfolgreich zu gestalten.

Andererseits zeige das deutliche Nein zum Volksbegehren, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz vorhanden sei. Laut Bundesrätin Karin Keller-Sutter bleibt die verfassungsmässige Ordnung von 1848 bestehen und damit auch die demokratische Legitimation von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern. «Die Unabhängigkeit der Justiz bleibt essenziell.»

Mit dem Nein von Volk und Ständen bleibt nun grundsätzlich alles beim Alten: Weiterhin wählt das Parlament alle sechs Jahre die Bundesrichterinnen und -richter. Wahlvorschläge macht die Gerichtskommission der Räte.

Das Parlament werde auch künftig für eine ausgewogene Vertretung des Geschlechts, der Regionen und der Sprache am Bundesgericht sorgen, gaben alle grossen Parteien unisono zu verstehen. Das sei wichtig für die Akzeptanz der Rechtsprechung.

Das Experiment mit dem Losverfahren darf als gescheitert bezeichnet werden. Für die deutliche Mehrheit ist die Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter durch das Parlament ein bewährtes System, das eine demokratische Legitimation schafft.

Trotz des Neins zur Initiative zeichnet sich allerdings ab, dass das Wahlverfahren für Bundesrichter einer sanften Reform unterzogen wird. Die Rechtskommission des Ständerats will, dass die Gerichtskommission zur Begleitung ihrer Auswahlverfahren künftig einen Fachbeirat einsetzen und beiziehen kann. Mit der entsprechenden parlamentarischen Initiative befasst sich als nächstes die Nationalratskommission.

Zudem hat die parlamentarische Gerichtskommission kürzlich beschlossen, die bisherige Praxis zu überprüfen und neu allenfalls auch Parteilose als Bundesrichterinnen oder -richter zu nominieren. Und theoretisch könnte dieses Gremium beispielsweise auch ohne Gesetzesänderungen Korrekturen im Hinblick auf die Mandatssteuer vornehmen. Diese ist freiwillig und nicht gesetzlich geregelt.

Für die unterlegenen Initiantinnen und Initianten wäre das Losverfahren dagegen zentral, weil bei der Wahl der Richterinnen und Richter sonst der «institutionellen Korruption und Vetterliwirtschaft» die Tür offenstehe, wie es Gasser ausdrückte.

Die von der Initiative verlangte Fachkommission hätte Personen auswählen müssen, die sich fachlich und persönlich für das Richteramt eignen. Die Amtssprachen sollten gemäss Initiativtext angemessen vertreten sein. Weitere Vorgaben zum Verfahren wären erst auf Gesetzesebene gemacht worden.

Mit der Abschaffung der Wiederwahl von Richterinnen und Richtern hätten die Initianten zusätzlich verhindern wollen, dass das Parlament durch Abwahldrohungen politischen Druck auf die Justiz ausüben kann. Doch der Mehrheit war das bewährte System doch wichtiger als ein «Casino», «Lotterie» - oder ein «elitärer Richterstaat», wie es die SVP beschrieb.

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