Knapp 20 Personen werden mit unverpixelten Bildern im Internet von der Basler Staatsanwaltschaft gesucht. Das stösst manchem sauer auf.
Grosser Polizeieinsatz an der Kundgebung der Pnos (Partei National Orientierter Schweizer).
Grosser Polizeieinsatz an der Kundgebung der Pnos (Partei National Orientierter Schweizer). - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Basler Staatsanwaltschaft fahndet im Internet mit unverpixelten Bildern.
  • Für den Strafrechtler Christian von Wartburg ist dies unverhältnismässig.
  • Ein Richter müsse zuerst konsultiert werden, sollte eine Online-Fahndung nötig sein.

Am 24. November 2018 sorgte Basel für Schlagzeilen. Im Zuge einer Pnos-Kundgebung versammelten sich um die 2000 Personen, um gegen die rechtsextreme Partei zu demonstrieren.

Es kam zu Ausschreitungen. Im Nachgang leitete die Basler Staatsanwaltschaft (Stawa) 60 Verfahren ein. Im November dieses Jahres folgte dann eine öffentliche Fahndung gegen 20 weitere Personen. Deren Identität konnte nicht festgestellt werden.

In einem ersten Schritt wurden die Bilder verpixelt veröffentlicht, am Donnerstag folgte dann die unverpixelte Veröffentlichung der Bilder. Die Bilder werden erst vom Netz genommen, wenn die Person identifiziert werden konnte. Etwa, indem man sich selbst bei der Staatsanwaltschaft meldet.

Anwalt findet Fahndung problematisch

Das Vorgehen der Ermittler stösst dem Strafrechtler und Basler SP-Grossrat Christian von Wartburg sauer auf: «Das ist eine hochproblematische Form der Fahndung.» Zwar sei die rechtliche Grundlage gegeben, aber: «Mit dem Internet haben sich die Voraussetzungen geändert.»

Christian von Wartburg
Christian von Wartburg lehrt ausserdem an der Universität Bern. - zVg

Artikel 74 der Schweizerischen Strafprozessordnung gibt die Grundlage. Der Artikel besagt, dass die Staatsgewalt «die Öffentlichkeit über hängige Verfahren orientieren» kann, wenn nötig. Jedoch sei «der Grundsatz der Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beachten.»

Für von Wartburg ist klar: Das ist bei Online-Fahndungen nicht der Fall. Der praktizierende Anwalt sprich von «Online-Pranger». Früher sei die Hoheit der Bilder effektiv bei beispielsweise der Staatsanwaltschaft gelegen. «Heute werden die Bilder über eine Vielzahl von Kanälen multipliziert, etwa von Medien», führt von Wartburg aus, «daher sind die Bilder theoretisch ewig einsehbar.»

In der Folge heisse das: «Das Recht auf Vergessen wird so sabotiert.» Grundsätzlich sollte laut von Wartburg nur bei schweren Straftaten diese Form der Fahndung Verwendung finden, die die Grundrechte einschränke. Ähnliches spiele sich auch im Rahmen von Fussballspielen ab, nicht nur bei Demonstrationen.

Selbst im Mittelalter waren Pranger rechtsstaatlicher

Der Anwalt fügt an: «Eigentlich ist Pranger der falsche Ausdruck, den im Mittelalter wurden Straftäter immerhin vorher schuldig gesprochen.» Beim Fall in Basel beispielsweise handelt es sich um mutmassliche Täter, die etwa des Landfriedensbruchs oder der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verdächtigt werden.

Pnos Messeplatz
Eine Handvoll Demonstranten für die Pnos (Partei National Orientierter Schweizer) versammeln sich an der organisierten Kundgebung gegen den UNO-Migrationspakt in Basel im Jahr 2018. - Keystone

Die Konsequenzen für die nicht verurteilten Personen können schwerwiegend ausfallen, so der Jurist. Es handle sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Gerade in diesem Rahmen werde die Verhältnismässigkeit nicht gewährleistet. Ausserdem sei möglich, dass durch das repressive Vorgehen das Recht auf die freie Meinungsäusserung tangiert wird. «Aus Angst kann es in der Konsequenz heissen, dass niemand mehr an Kundgebungen geht und die Meinungsäusserungsfreiheit indirekt eingeschränkt wird», so von Wartburg.

Prozess kann beeinflusst werden

Zudem sei es möglich, dass ein fairer Prozess verunmöglicht werde. «Durch das Zeigen der Bilder, obwohl es sich um mutmassliche Täter handelt, können Richter oder Zeugen beeinflusst werden», sagt von Wartburg. Dahin gelte die Unschuldsvermutung.

Der Anwalt plädiert deshalb für eine Erweiterung des Strafgesetzes. «Vor einer Öffentlichkeitsfahndung sollte ein Richter konsultiert werden, der in Kenntnis der gesamten Aktenlage zuerst sein Einverständnis geben muss», sagt von Wartburg. Nur dann sollten laut dem Juristen solche Massnahmen erlaubt sein.

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Demonstranten protestieren gegen die Pnos (Partei National Orientierter Schweizer) in Basel. - keystone

Laut Mediensprecher René Gsell setzt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das Mittel der Online-Fahndung dann ein, wenn «alle anderen Ermittlungs-Massnahmen nicht erfolgreich waren».

Die Verhältnismässigkeit sei gewährleistet, da die Bilder nach der Fahndung wieder vom Netz genommen würden. Doch wie steht es um die Bilder, welche beispielsweise von Medien verbreitet werden? Gsell: «Dies fällt in die Verantwortung des jeweiligen Unternehmens.»

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