St. Galler Stadtpolizei: «Können Sie am Montag wiederkommen?»
Die St. Galler Stadtpolizei vertröstet ein Opfer von sexueller Gewalt. Zuvor hatte ihr ein Mann an die Brüste gefasst und sein entblösstes Glied gezeigt.

Das Wichtigste in Kürze
- Früh um 3 Uhr meldet sich ein Opfer von sexueller Gewalt bei der Stadtpolizei St. Gallen.
- Diese vertröstet sie und fragt, ob sie nicht am Montag wiederkommen könne.
- Grund dafür ist ein Missverständnis seitens Beamten.
«Können Sie nicht am Montag wiederkommen?»
Der Satz schallte nachts um drei Uhr durch die Gegensprechanlage der Stadtpolizei St. Gallen, wie das «Tagblatt» berichtet.
Worte, die eine junge Frau in diesem Moment kaum fassen kann. Kurz zuvor wurde sie Opfer eines sexuellen Übergriffs. Was sich später als Missverständnis entpuppt, klingt für sie zunächst wie ein schlechter Witz.
Täter lauert auf dem Nachhauseweg
Es ist spät, als «Lucy» – so wird sie im «Tagblatt» genannt – gemeinsam mit einer Freundin den Heimweg antritt. Nach einem Abend im Ausgang biegen die beiden in eine Quartierstrasse ein.
Der Ort des Zwischenfalls ist nicht weit von Lucys Wohnung entfernt. Sie fühlt sich sicher, der Weg ist ihr vertraut.
Als sie von einem Mann mit den Worten «Kannst du mir helfen?» angesprochen wird, dreht sich Lucy um. Der Täter nutzt die Chance, er greift ihr mit beiden Händen an die Brüste. Anschliessend fasst er sich an die Hose und zeigt ihr sein entblösstes Glied.
Polizei reagiert zunächst zögerlich
Lucy reagiert sofort. Sie schreit den Mann an, der daraufhin die Flucht ergreift. Noch immer geschockt, treffen die beiden Frauen wenig später auf zwei Sicherheitsmänner. Diese raten ihnen, umgehend zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten.
Gesagt, getan. Es ist kurz nach drei Uhr, als Lucy den Polizeiposten an der Vadianstrasse erreicht. Über die Gegensprechanlage nimmt sie Kontakt auf.
Der diensthabende Polizist meldet sich – und will sie offenbar wegschicken. Ob sie nicht am Montag wiederkommen könne, fragt er.
Doch Lucy lässt nicht locker – und handelt damit völlig richtig. Ihr Beharren zahlt sich aus, die Polizei nimmt den Vorfall ernst.
Kommunikationsleiter spricht von Missverständnis
Wie Roman Kohler, Kommunikationsleiter der Stadtpolizei St. Gallen, gegenüber dem «Tagblatt» sagt, sei der Vorfall auf einem Missverständnis beruhend entstanden.
Lucy habe an der Gegensprechanlage von einer «Belästigung» gesprochen – was der Polizist zunächst falsch eingeordnet habe. Man bedauere, dass einer Nachfrage seitens des Mitarbeiters bedurfte, um zu verstehen, was vorgefallen sei.

«Da unklar war, worum es genau ging, wurde sie gebeten, sich am Montag an die Kantonspolizei zu wenden», erklärt Kohler.
«Wir nehmen den Vorwurf seitens des Opfers, wonach es abgewiesen worden sei, sehr ernst», und fügt hinzu: «Das darf nicht sein.»
Gleichzeitig bittet der Kommunikationsleiter um Verständnis: Es sei nicht immer leicht, solche Fälle einzuordnen.
Nach dem Fehlstart folgte korrektes Vorgehen
«Sobald klar war, was sich ereignet hatte, war das Vorgehen unseres Mitarbeiters korrekt», erläutert Kohler.
Lucy und ihre Freundin wurden in den Warteraum gebeten. Kurz darauf traf eine Patrouille der Kantonspolizei ein, die die weiteren Schritte übernahm. Lucy: «Sie waren super!»
Ihre Kleidung musste die junge Frau zwecks Spurensicherung auf dem Posten lassen. Der Vorfall gilt als Offizialdelikt und muss deshalb von Amts wegen verfolgt werden.