Nach einem «Tagesschau»-Beitrag zu Long Covid auf SRF gibt es mehrere Beanstandungen. Die Ombudsstelle sieht eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots.
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Ein Long-Covid-Beitrag der «Tagesschau» hatte 27 Beschwerden zur Folge. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Gemäss Ombudsstelle hat ein «Tagesschau»-Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt.
  • Er habe Long Covid verharmlost.
  • Zu reden gaben Aussagen eines Genesenen, die nicht repräsentativ seien.
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Die Ombudsstelle erhielt nach einem «Tagesschau»-Beitrag vom 19. Januar 27 Beschwerden. Der Beitrag thematisierte einen Durchbruch in der Erforschung von Long Covid.

Die Kritik richtete sich hauptsächlich gegen die Aussagen eines ehemaligen Covid-Patienten im Beitrag. Diese zeichneten laut den Beschwerdeführern ein verzerrtes Bild von Long Covid und spielten den Schweregrad herunter. Sie argumentierten, der Interviewpartner sei nicht repräsentativ für die Mehrheit der Betroffenen.

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Von Long Covid betroffene Menschen spüren die Folgen des Coronavirus monate- oder auch jahrelang. In einem «Tagesschau»-Beitrag auf SRF soll Long Covid verharmlost worden sein. (Symbolbild) - keystone

Auslöser für den Beitrag war eine bedeutende Entdeckung in der Grundlagenforschung zu Long Covid. Wissenschaftler der Universität und des Universitätsspitals Zürich identifizierten einen sogenannten Biomarker im Blut von Patienten. Mit diesem seien vielleicht eine Diagnose oder sogar die Behandlung von Long Covid möglich.

In dem Beitrag äusserte sich neben Wissenschaftlern und einer Wissenschaftsredakteurin von SRF auch ein Betroffener über seine Krankheits- und Genesungsphase.

Betroffene fühlen sich diskreditiert

Trotz Lob für den Teil des Beitrags über den Forschungsdurchbruch sorgte vor allem das Interview mit dem Betroffenen für Kritik. Die Beschwerdeführer, von denen die meisten selbst an Long Covid leiden, sahen in ihm keinen repräsentativen Vertreter der Krankheit. Sie argumentierten, dass er eher unter den Nachwirkungen einer akuten Covid-Erkrankung zu leiden schien als unter Long Covid.

Insbesondere eine Aussage wurde als beleidigend empfunden. Der Mann sagte, dass er wohl durch regelmässiges Fahrradfahren und Arbeiten wieder fit geworden sei. Man sollte aktiv sein, statt faul herumzusitzen.

Doch viele Betroffene seien aufgrund ihrer Symptome gar nicht in der Lage, körperliche Aktivitäten auszuüben.

Kennen Sie jemanden, der an Long Covid leidet?

Die Beschwerdeführer beklagten weiter, dass die Aussagen des Interviewpartners das Stigma um Long Covid verstärken würden. Es werde dazu beigetragen, die Schwere und Verbreitung der Krankheit weiter zu verharmlosen.

Zudem stünde seine Behauptung im Widerspruch zu aktuellen Erkenntnissen über Long Covid: Medizinische Behandlungen seien oft unverzichtbar und körperliche Aktivität könne sogar kontraproduktiv sein.

SRF mit Folgebeitrag bei «10vor10»

Die Redaktion zeigte sich betroffen von den Reaktionen der Beschwerdeführer. Aus Respekt vor den schwerstbetroffenen Patienten sperrte sie den beanstandeten Beitrag im Player. Zusätzlich nahm sie das Thema Long Covid in einem «10vor10»-Beitrag auf SRF vom 13. Februar 2024 nochmals auf.

Laut Redaktion lag der Fokus des «Tagesschau»-Beitrags auf dem Forschungsdurchbruch und nicht auf den Symptomen oder einer Kontroverse. In einem kurzen Beitrag müsse man sich beschränken. Aber in zahlreichen anderen Beiträgen seien verschiedene Aspekte von Long Covid behandelt und verschiedene Betroffene ausführlich zu Wort gekommen.

Long Covid Coronavirus
Long-Covid-Kranke haben oft Mühe Sport zu treiben. (Symbolbild) - Getty

Der von SRF interviewte Betroffene galt als eines der ersten Schweizer Long-Covid-Opfer. Neben organischen Problemen litt er jahrelang unter Erschöpfung und Konzentrationsproblemen, was laut Redaktion typisch für Long-Covid-Patienten sei. Dass er selbst wesentlich zu seiner Genesung beigetragen habe, sei nicht als Stigmatisierung oder Herabwürdigung anderer Betroffener gemeint gewesen.

Kritik an der Auswahl des Interviewpartners

Die Ombudsleute lobten die wissenschaftlichen Erklärungen der Forscher sowie die Einordnungen der Wissenschaftsredakteurin von SRF als verständlich und aufschlussreich. Sie kritisierten jedoch die Wahl des interviewten Patienten. Seine Aussagen über seinen Intensivstation-Aufenthalt und seine organischen Probleme während seiner Covid-Erkrankung hätten nichts mit Long Covid zu tun gehabt.

Nach Ansicht der Ombudsleute hätte man seine Aussage einordnen oder eine weitere Perspektive einbringen sollen. So entstand bei den Zuschauern möglicherweise das Missverständnis, dass Sport und Arbeit ausreichend seien, um Long Covid zu bekämpfen. Dies, obwohl viele Betroffene weder Sport treiben noch arbeiten können.

Die Ombudsleute stellten daher eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots fest. Sie widersprachen der Redaktion, dass die wiederholte, sachliche und ausgewogene SRF-Berichterstattung über Long Covid hier als Argument gelten könne. Der «Tagesschau»-Beitrag müsse für sich selbst beurteilt werden.

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