Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prüft im Falle eines 68-jährigen Mannes aus dem Kanton Appenzell-Ausserrhoden das Schweizer Witwerrenten Gesetz.
EMRK
Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Die Schweiz macht bei Renten für verwitwete Personen eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen. (Symbolbild) - sda
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der EGMR prüft in zweiter Instanz das Schweizer Witwerrenten Gesetz.
  • Einem 68-jährigen Mann wurde die Witwerrente nach 16 Jahren gestrichen.
  • Der Grundgedanke des Gesetzes sei in der heutigen Zeit nicht mehr anwendbar heisst es.

Die zweite Instanz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat sich am Mittwoch mit dem Gesetz zur Schweizer Witwerrente befasst. Die kleine Kammer stellte im Oktober 2020 einen Verstoss gegen die Menschenrechtskonvention fest. Deshalb beantragte die Schweiz die Behandlung durch die grosse Kammer.

Das Urteil der zweiten Instanz des EGMR folgt zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt.

Die Anhörung hat heute Vormittag stattgefunden. Der Fall betrifft einen heute 68-jährigen Mann aus dem Appenzell-Ausserrhoden.

Witwerrente nach 14 Jahren gestrichen

Dieser kümmerte sich nach dem tödlichen Unfall seiner Frau um die damals knapp zwei und vier Jahre alten Kinder. Als das jüngste Kind die Volljährigkeit erreichte, wurde dem Mann im Dezember 2010 die Witwerrente gestrichen. Er war damals 57 Jahre alt und hatte sich 16 Jahre lang um seine Kinder gekümmert.

Das AHV-Gesetz sieht die Aufhebung der Rente bei Witwern explizit so vor. Bei Frauen besteht auch nach Erreichen der Volljährigkeit der Kinder ein Anspruch auf Witwenrente.

Der beschränkte Witwerrenten-Anspruch in der Schweiz basiert auf der Überlegung, dass der Ehemann für den Lebensunterhalt der Frau aufkommt. War diese für die Versorgung der Kinder zuständig, wird ihr nicht zugemutet, wieder Tritt in der Erwerbswelt finden zu müssen.

Gesetzt ist veraltet

Diese Grundüberlegung entspricht gemäss der ersten Instanz des EGMR nicht mehr den heutigen Gegebenheiten. Die Konvention sei ein «lebendiges Instrument», mit dem die Umstände unter dem aktuellen Blickwinkel behandelt werden müssten.

Der Gerichtshof stellte im Oktober deshalb fest, dass die Schweiz gegen das Diskriminierungsverbot von Artikel 14 der EMRK verstosse. Artikel 8 garantiert ein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Rente habe einen konkreten Einfluss auf die Gestaltung des Familienlebens und stehe jedem einzelnen zu.

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