Professor fordert: 1000 Fr. im Monat für drittes Kind
Vor allem Geburten von dritten Kindern gehen in der Schweiz zurück. Ein Professor bringt finanzielle Anreize ins Spiel.

Das Wichtigste in Kürze
- 1000 Franken sollen Frauen pro Monat erhalten, wenn sie ein drittes Kind geboren haben.
- «Gebärprämien erinnern an dunkle Zeiten», sagt SP-Nationalrätin Gabriela Suter.
- SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger befürchtet vernachlässigte Kinder.
Familien mit drei Kindern sind in der Schweiz zunehmend eine Ausnahme. In den letzten Jahren nahmen die Geburten von dritten Kindern um 13,6 Prozent ab. Ein neuer Vorschlag soll diesem Trend entgegentreten.
Emiliano Albanese, Professor für öffentliche Gesundheit an der Università della Svizzera Italiana (USI), bringt dabei finanzielle Anreize ins Spiel.
So soll jede Frau, die ein drittes Kind geboren hat, vom Staat pro Monat mit 1000 Franken unterstützt werden. Dies begleitet von der Verpflichtung, beruflich aktiv zu bleiben. Über diese «mögliche Lösung» für die Drittkinder-Flaute hat der «Corriere del Ticino» kürzlich berichtet.
Zuschuss zeige Effekt
Emiliano Albanese bestätigt seinen Vorschlag auf Anfrage.
Das Prinzip funktioniere, sagt er. Als Beispiel nennt er Frankreich, Québec und Israel, wo der Staat Kindergeld ausbezahlt. In Frankreich etwa bekommen Eltern ab dem zweiten Kind Kindergeld. Der Betrag steigt bei drei Kindern.
In Frankreich, Québec und Israel führte der Baby-Zuschuss laut Albanese zu einer erhöhten Geburtenrate. Dies habe sich insbesondere bei Frauen gezeigt, die bereits mehrere Kinder hätten, sagt der Professor.
Im Vereinigten Königreich hätten Drittgeburten hingegen abgenommen, sagt Albanese. Der Professor schliesst dies auf neue Regelungen zurück. Seit 2017 bezahlt die Regierung ab dem dritten Kind für bestimmte soziale Leistungen keine zusätzlichen Gelder mehr.
«Relevant für mittlere bis niedrige Einkommen»
Finanzielle Unterstützung für Familien mit drittem Kind hält Albanese für wirksamer als Steuererleichterungen. Es handle sich um eine flüssige und unmittelbare Unterstützung. «Sie zielt auf die entscheidende Bevölkerungsgruppe ab und ist relevant für die mittleren bis niedrigen Einkommen.»
Albanese ist überzeugt, dass der Baby-Zuschuss nicht dazu führt, Kinder nur wegen des Geldes auf die Welt zu setzen. Stattdessen verschiebe die finanzielle Unterstützung bereits getroffene Entscheidungen und verringere wirtschaftliche und berufliche Zwänge.
Der Gesundheitsprofessor sieht im Drittkind-Zuschuss nicht nur eine Investition, die sich in wirtschaftlich-produktiver Hinsicht auszahlt. «Sondern auch in sozialer Hinsicht.»
«Brauchen mehr familienfreundliche Politik»
In der Politik hat das Geburten-Geld keine Chance. «Gebärprämien erinnern an dunkle Zeiten», sagt SP-Nationalrätin Gabriela Suter zu Nau.ch.
Tatsächlich bekamen Frauen im Nationalsozialismus einen Orden, wenn sie möglichst viele Kinder auf die Welt brachten. Das NS-Regime schuf unter anderem mit Kindergeld Anreize für eine Geburtensteigerung.
Frauen mit Geld dazu zu animieren, ein drittes Kind zu bekommen, sei nicht die Lösung, sagt Gabriela Suter. «Stattdessen brauchen wir insgesamt mehr familienfreundliche Politik – für alle, nicht nur für Leute mit drei Kindern.»
Konkret fordert die Aargauerin Elternzeit, höhere Kinder- und Ausbildungszulagen, gute und kostengünstige familienexterne Betreuungsmöglichkeiten beziehungsweise Tagesschulen. «Sowie Familienergänzungsleistungen für tiefe Einkommen.»
Zwei Kinder reichen wegen Glück
SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger bereitet die sinkende Geburtenrate wenig Sorgen.
«Die Familienplanung ist etwas völlig Persönliches», sagt sie. Sie habe zwei und nicht drei Kinder. «Weil ich das Glück nicht herausfordern wollte.» Es sei nicht selbstverständlich, zwei gesunde Kinder zu haben.
Der Staat hat laut Sollberger in die Kinderplanung nicht dreinzureden. «Kinder hat man nicht wegen eines finanziellen Zustupfs, sondern weil man sie sich wünscht.» Bei der Familienplanung gehe es um Liebe und Zuneigung und nicht um Finanzen.
Eltern, die wirklich ein drittes Kind wollten, verzichteten deswegen nicht auf ihre Karriere, ist Sollberger überzeugt. «Ob man zwei oder drei Kinder hat, spielt keine Rolle mehr, wenn man sowieso berufstätig ist.»
Sollberger rechnet zudem damit, dass eine finanzielle Unterstützung für Drittgeburten einen falschen Anreiz schafft: «Kinder, die nur wegen des Geldes geboren werden, werden garantiert vernachlässigt.»
Giesskannenprinzip sei keine Lösung
Auch Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder kann solchen Zuschüssen wenig abgewinnen. «Es ist ein Versuch, eine einfache Lösung für eine komplexe Herausforderung zu präsentieren», sagt sie.
Dass weniger Kinder geboren werden und Familien schrumpfen, führt sie nicht nur auf finanzielle Gründe zurück. «Die Entwicklung ist genauso gesellschaftspolitisch begründet.»
Dieser Trend lässt sich laut Wismer-Felder nicht mit einer Zahlung im Giesskannenprinzip beheben. Es gehe um Fragen in anderen Bereichen. Sie erwähnt Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Anerkennung von Erziehungs- und Carearbeit, gesellschaftliche Erwartungen und Zukunftsperspektiven.
Natürlich dürfe der finanzielle Aspekt nicht ignoriert werden, sagt die Nationalrätin. «Aber eine finanzielle Unterstützung muss zielgerichtet und einkommensabhängig sein.»
















