Stadt Zürich

Neuer Buchverlag rückt «Texte von Kindern ihrer Zeit» ins Zentrum

Keystone-SDA
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Zürich,

Der neu gegründete Zürcher Literaturverlag Zeitkind und Verlegerin Gabriela Merz sprechen über Verlagsrisiken und persönliche Vorlieben.

Buchverlag
Vier bis acht Bücher pro Jahr sollen bei Zeitkind veröffentlicht werden. (Symbolbild) - keystone

Zeitkind – so heisst ein Literaturverlag, der in Zürich neu gegründet worden ist. Ein Gespräch mit Verlegerin Gabriela Merz über Risiken im Verlagsgeschäft, über persönliche Vorlieben und die deutsche Sprache, die sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht.

Privat, also um des Vergnügens willen, liest sie fast nichts derzeit, dafür Manuskripte, die bei ihr eintreffen: Gabriela Merz hat 2024 den Verlag Zeitkind gegründet und präsentiert jetzt dessen erstes Programm. Das beinhaltet zwei Romane, die am 1. September erscheinen: «Der Geruch von Lehm» von Franziska Meister sowie «Von denen, die jagen» von Islème Sassi. Im Januar folgt die Textsammlung «41515 Wörter/????» von Vera Martynov.

Vier bis acht Bücher pro Jahr sollen bei Zeitkind veröffentlicht werden, Schweizer und europäische Literatur mit gesellschaftspolitischem Fokus. Die Bücher sollen sich durch eine «lustvolle Auseinandersetzung am Zeitgeschehen» auszeichnen.

Von Theater und Journalismus zur Neu-Verlegerin mit offenem Blick

Was das genau heissen soll, dazu hat Gabriela Merz zwar klare Vorstellungen. Sie will aber offen bleiben – für verschiedene Formen vor allem. 1968 geboren, hat die Zürcherin als Dramaturgin, Regisseurin, Journalistin und Mittelschullehrerin gearbeitet. Und jetzt ist sie Neu-Verlegerin.

«Sind Sie wahnsinnig?», möchte man sie fragen, angesichts der schwierigen Umstände, mit denen Schweizer Verlage zu kämpfen haben. Gestiegene Druck- und Papierkosten, Konkurrenz von grösseren Playern und kaum noch vorhandene mediale Präsenz machen kleinen Verlagen zu schaffen. Einen solchen leitet sie jetzt.

«Vielleicht», sagt Gabriela Merz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zu ihrem Wahnsinnsvorhaben. «Ich mache ja noch das meiste selbst: Manuskripte sichten, Kontakte knüpfen, lektorieren, Buchhaltung – kurz: fast alle Entscheide selber fällen.»

Parallelen zu ihrem Lehrerberuf gibt es im Verlegerinnenleben durchaus. Zum Beispiel in der Arbeit mit «ihren» Autorinnen und Autoren: «Literarische Texte sind intim. Über diese zu reden, bedeutet: genau hinschauen, sich auseinandersetzen mit den Menschen, die hinter den Texten stehen.» Ähnliches habe sie früher in der Schule machen dürfen.

Gabriela Merz und Zeitkind

Gabriela Merz’ Berufsleben verlief nie in geraden Bahnen, es weist aber einen roten Faden auf: die deutsche Sprache. Vor diesem Hintergrund ist der Name ihres Verlags wohl überlegt. Sie möchte mit Zeitkind «Texte von Kindern ihrer Zeit» publizieren. Ein unbedingter Wunsch dabei: Interdisziplinarität. Diese lässt sich zum Beispiel gut an den Genres der Erstlinge, die dieser Tage erscheinen, ablesen.

Zum einen ist da der Roman «Der Geruch von Lehm» von der Journalistin Franziska Meister, in dem zwei Protagonisten und eine Protagonistin mit ihren Verlusterfahrungen umzugehen versuchen. Der Roman mit Krimi-Charakter lebt von aktuellen Themen wie Verlässlichkeit, emotionale und medizinische Verantwortung. Die Geschichte spielt in Zürich. Man ist sofort mitten im Geschehen.

Das gilt auch für Islème Sassis «Von denen, die jagen», und doch ist dieser Roman eine ganz andere Art von Erzählung. Er spielt in einem fast entvölkerten Bergdorf, zeichnet sich durch viel Atmosphäre aus und weist Züge eines Unterhaltungsromans auf, manchmal schon fast eines Horrorfilms.

Wie weit Gabriela Merz mit der Interdisziplinarität gehen will, zeigt sich vielleicht am besten am dritten Buch, jenem der Theatermacherin und Malerin Vera Martynov, die 2022 von Russland nach Frankreich ausgewandert ist. Die Illustrationen in diesem Buch stammen von der Autorin selbst.

Gabriela Merz: Verlag und Theater

Flexibel zeigt sich die Verlegerin Merz auch in der Wahl ihrer Autorinnen und Autoren. Diese fotografieren, sind journalistisch tätig oder machen vielleicht sogar Theater. Wie einst die Verlegerin selber. «Das Erstellen eines Verlagsprogramms weist grosse Ähnlichkeiten mit der Regiearbeit auf», sagt sie. «Tausend Details müssen so komponiert werden, dass sie ein Bild ergeben, das stimmt.»

Ihre Bücher richten sich an ein «gesellschaftspolitisch interessiertes Publikum – das sich mit der zitierten lustvollen Auseinandersetzung am Zeitgeschehen angesprochen fühlt». Das Spektrum ist also gross. Umso mehr, als Gabriela Merz keine zeitlichen Einschränkungen machen will – die Literatur, die in ihrem Verlag erscheine, könne in der Gegenwart spielen, genau so wie Vergangenes behandeln; die Werke fiktional, autobiographisch oder sachlich sein.

«Ein historischer oder künstlerischer Blick auf die Welt, das zieht mich an», sagt die Verlegerin, der momentan die Zeit für private Lektüre fehlt. Bleibt zu hoffen, dass Leserinnen und Leser umso mehr davon mitbringen.*

*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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