Migros: War das 100-Jahre-Jubiläums-Fest ein Flop?
Zum 100er-Jubiläumsfest der Migros kam «nur» gut die Hälfte der 78'000 geladenen Mitarbeiter. Trotz Bands wie Hecht. Was ist los? Nau.ch fragt nach.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Migros feiert ihr 100-Jähriges mit einem Riesen-Fest und lädt 78'000 Mitarbeiter ein.
- 71 Millionen Franken Budget, ESAF-Gelände. Warum kommen dennoch «nur» 43'000?
- Die Migros selbst spricht von einem vollen Erfolg.
- Eine Mitarbeiterin erzählt, die Stimmung sei top gewesen. Das Essens-Angebot ein Flop.
100 Jahre Migros! Der Orange Riese feierte diese Woche ein Riesen-Fest auf dem ESAF-Gelände in Mollis GL.
Die Eckdaten: 71 Millionen Franken Budget; 43'000 Angestellte kommen am Montag und Dienstag ins Glarnerland; Bands wie Hecht, Lo & Lecuc, Stephan Eicher oder Bastian Baker treten auf.
Was zu reden gibt: Die Migros verschickte im Vorfeld 78'000 Einladungen an Mitarbeitende der Migros-Gruppe. Letztlich nahm also nur gut die Hälfte davon teil.
Ein Flop?
Keineswegs, so die Migros. «Wir haben unsere interne Zielsetzung von 50 Prozent Anmeldungen sogar übertroffen. Wir haben bisher nur positive Rückmeldungen erhalten», sagt Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir.
Westschweizer haben eine Mega-Anreise
Absagen habe es etwa wegen persönlichen Verpflichtungen und Ferien gegeben. Oder wegen der langen Reise nach Glarus. Für Leute aus der Westschweiz eine halbe Weltreise …
Mit dabei in Mollis GL, wo ein Tag zuvor Armon Orlik noch zum Schwingerkönig gekrönt wurde, war auch Esther Keusen*. Sie spricht bei Nau.ch unter geändertem Namen.
Was die langjährige Mitarbeiterin eines Migros-Betriebs super fand: «Wenn man sich auf eine Bank gesetzt hat, kam man sehr schnell ins Gespräch. Es war wirklich ein Team-Event, das war sehr nett, die Stimmung super. Zudem war die Zufahrt super organisiert.»
Dann kommt Esther aber aus dem Schwärmen heraus. Angefangen beim Essens-Angebot.
«Es gab nur Fast Food» – 45 Minuten anstehen für ausverkaufte Burger
«Das Essen war ein Riesen-Problem», nennt sie es beim Namen. Und zwar aus mehreren Gründen.
«Es gab den ganzen Tag nur Fast-Food, schon um elf Uhr sah man Leute mit Currywurst und Pommes. Das war erschreckend – die Migros hätte doch die Möglichkeiten, ein paar Äpfel und Bananen anzubieten. Es scheint, als dass das ESAF-Essens-Konzept gleich mit übernommen wurde.»

Was Esther und auch viele ihrer Kollegen massiv störte, waren die riesigen Schlangen, bis man überhaupt zum Fast-Food-Stand kam.
«Bei den Crêpes versuchte man es besser gar nicht. Für einen Wrap brauchte es 35 Minuten Geduld. Und eine Kollegin stand 45 Minuten bei der Burger-Bude an – als sie zuvorderst war, wurde ihr gesagt: ausverkauft.»
«Die Rede von CEO Mario Irminger war peinlich»
Genügend Platz gab es dann in der Arena. Doch auch da gibt es Kritik-Punkte: Die einstündige Show bezeichnet Esther als «mager».
Und die Rede von CEO Mario Irminger gar als «peinlich». «Unser Chef lobte die Migros in höchsten Tönen. Aber dabei war kein Wort über unsere Ex-Kollegen. Den Leuten von Micasa, Hotelplan und so weiter sagte er nicht einmal danke für die geleistete Arbeit.»
Beide Unternehmen wurden zuletzt verkauft, die Angestellten durften nicht mehr ans Migros-Fest.

Für Esther stand der Team-Gedanke im Vordergrund. Darum verstand sie auch nicht ganz, warum für die Musik-Acts so viel Geld ausgegeben wurde.
«Ein grosser Teil der Mitarbeiter besteht aus Ausländern. Ob die wirklich etwas mit Stephan Eicher anfangen konnten? Einige sind bei den Konzerten gegangen.»
«Für ein Sonderereignis sind 50 Prozent Zusagen ziemlich viel»
Zurück zu den 43'000 Teilnehmern. Und damit auch zu den 35'000 Absagen.
Matthias Mölleney leitet das Center for Human Resources Management & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich.
Auch der Personal-Experte sagt wie die Migros: «Für ein Sonderereignis sind 50 Prozent Zusagen ziemlich viel.»

Aber: «Das Fest war für die Migros in gewissem Masse ein Experiment. Werden ähnliche Anlässe zur Dauereinrichtung, zum Beispiel alle zwei, drei Jahre ausgetragen, sieht es anders aus. Dann sollte man als Ziel haben, 70 Prozent der Mitarbeiter an die Veranstaltung zu bringen.»
Mölleney empfiehlt der Migros denn auch, die Kultur der grossen Mitarbeiter-Feste weiterzuführen. «Das gibt Angestellten Wertschätzung.»
71 Millionen Budget: «Anderer Anspruch als Dorf-Verein»
Für die Migros sei die Planung eines solchen Events aber nie einfach. «Vom Lehrling bis zum Frührentner kommt jeder. Schon nur eine passende Musikrichtung zu finden, ist schwierig.»
Eine weitere Herausforderung bei der 100er-Jubiläums-Party: In Zeiten von massivem Stellenabbau und Verkäufen von Hotelplan, Micasa und Co. darf ein Fest nicht zu protzig wirken. «Auf Mitarbeitende wirkt es nicht gut, wenn während Spar-Programmen plötzlich bei Festen mit Geld um sich geworfen wird.»
Aber Achtung: «Ein Betrieb wie die Migros darf auch nicht zu popelig sein. Angestellte haben einen anderen Anspruch als eine Amateur-Chilbi wie bei einem Dorf-Verein.»
Mölleneys Fazit zum 71-Millionen-Budget: «Es ist sehr hoch, aber noch nicht unanständig oder überrissen.»
*Name geändert