Im Netz erklärt die Migros, warum Gendern sinnvoll sei. Dafür hagelt es negative Kommentare. Ein Experte findet: Gendersprache gehört nicht zur DNA der Migros.
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Die Migros klärt im Netz übers Gendern auf – und kriegt dabei von der Kundschaft aufs Dach. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Gendern ist ein grosses Reizthema. Auch bei der Migros-Kundschaft.
  • Mit einem Erklärvideo hat sich das Unternehmen in die Nesseln gesetzt.
  • Einige Kundinnen und Kunden wollen die Migros wegen der Gendersprache nun boykottieren.
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Hat die Migros die Bedürfnisse ihrer Kundschaft verkannt?

Der orange Riese bemüht sich in seinen Social-Media-Auftritten um geschlechtergerechte Sprache. Dafür hagelt es auch Kritik.

«Hört auf zu gendern, Alter!» Oder: «Das ist nicht mehr Deutsch», heisst es in nur zwei der Kommentare, die den Grossverteiler dazu erreicht haben.

Gender-Video sorgt für Zoff

Die Kritik nahm das Unternehmen zum Anlass, um ihrer Kundschaft in einem Video auf X das Gendern zu erklären. Unterstützt wird es dabei von der Gleichstellungsbeauftragten des Kantons St. Gallen.

Das Video verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Innert einer Woche wurde es 50'000-mal abgespielt, über 300 Kommentare versammeln sich darunter.

Dabei zeigt sich: Die Migros scheint ihre Kundinnen und Kunden nicht vom Gendern überzeugt zu haben.

Ganz im Gegenteil.

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«Nicht mehr meine Migros», schreibt ein User und erhält dafür Zuspruch.
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Viele weisen daraufhin, dass in Umfragen die Mehrheit das Gendern ablehnt.
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Die User sind überzeugt: Die Aktion ist ein Schuss in den Ofen.
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Einige drohen damit, künftig bei der Konkurrenz einkaufen zu wollen.

«Das ist nicht mehr meine Migros», heisst es etwa. Oder: «Dutti rotiert gerade in seinem Grab.» Andere fabulieren von «Gehirnwäsche» oder drohen: «Ich gehe jetzt lieber in den Coop einkaufen.»

Experte: «Passt nicht zur DNA der Marke»

Ist die Gender-Aktion ein Schuss in den Ofen für die Migros? Ja, findet der Markensoziologe und Konsumphilosoph Oliver Errichiello.

«Es macht markentechnisch keinen Sinn, dieses Thema aufzugreifen, wenn es nicht zum Kern der Marke gehört», sagt er zu Nau.ch.

«Migros ist ein beeindruckendes Unternehmen in Hinblick auf seine Leistungen. Aber ‹gesellschaftlicher Wandel› gehört nicht zur DNA der Marke», findet er.

Oliver Errichiello
Oliver Errichiello hat das Buch «Werbung für den Zeitgeist: Wenn bunte Kampagnen in Wirtschaft und Politik die Wirklichkeit ignorieren» geschrieben. - zvg

Er erklärt: «Man hat den Eindruck, dass sich hier Marketingprofis für ein gutes Selbstbild und auf Kosten der Marke selbst feiern wollen.»

Die Thematik der gendergerechten Sprache werde von vielen Menschen als ärgerlich bis anmassend empfunden, weiss der Experte. Das Problem sei, dass das Unternehmen seiner Kundschaft vorgeben wolle, was richtig und falsch sei.

Sollen Unternehmen gendern?

«Das ist für Migros zwar nicht untypisch», sagt er mit Verweis auf das Alkoholverbot beim orangen Riesen. «Aber die Gendersprache ist zutiefst ideologisiert und steht über die Funktion hinaus inzwischen für bestimmte politische Positionierungen.»

Migros setzt sich für Diversität und Gleichstellung ein

Bei der Migros handle es sich um eine «Volksmarke», die sich stets an den Bedürfnissen der Mehrheitsgesellschaft orientiert hat. «Jetzt bezieht man plötzlich die Position einer Minderheit», so Errichiello.

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Die Migros setzt auf Gendersprache, damit sich alle Kundinnen und Kunden wohlfühlen. - Keystone

Die Migros selbst geht auf die Fragen von Nau.ch nicht ein und gibt stattdessen ein allgemeines Statement ab.

Die Migros sei «für alle» da, schreibt Mediensprecherin Carmen Hefti. «Wir sind ein Markt für alle Menschen, die gerne bei uns einkaufen möchten.»

Die gesamte Migros-Gruppe setze sich für Diversität, Gleichstellung und Inklusion am Arbeitsplatz ein, so Hefti. «Auch im Supermarkt bieten wir unseren Kundinnen und Kunden ein Umfeld, in dem sie sich wohl, wertgeschätzt und sicher fühlen.»

Mit dieser Haltung adressiere das Unternehmen die Kundschaft auch auf Social Media, sagt sie.

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