Mehr arbeitslose Dolmetscher – killt KI ihren Job?

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Winterthur Stadt,

Mit KI-Tools können Fremdsprachenmuffel ohne Mühe von einer Sprache in eine andere wechseln. Dolmetscherinnen und Dolmetschern droht die Arbeit auszugehen.

KI
Im EU-Parlament zu dolmetschen, zählt zu den Träumen vieler Dolmetscherinnen und Dolmetscher. - Screenshot / multimedia.europarl.europa.eu

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Arbeitslosenquote für Übersetzer und Dolmetscher erreicht einen neuen Höchststand.
  • Gleichzeitig mischt sich KI immer stärker in den Sprachdschungel.
  • Der Berufsverband für Dolmetscher warnt vor «erheblichen Problemen» bei KI-Übersetzungen.

In den Dolmetscherkabinen sitzt die Crème de la Crème der Sprachtalente. Bereits die Zulassungsprüfung für die Ausbildung zur Dolmetscherin oder zum Dolmetscher schaffen nur wenige.

Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) bietet als eine von schweizweit zwei Hochschulen den Masterstudiengang Konferenzdolmetschen an. Es werde ein aussergewöhnlich hohes Sprachniveau verlangt, sagt ZHAW-Mediensprecher Thomas Schläpfer. «Eine Anforderung, die nur wenige erfüllen.»

Lediglich ein bis fünf Studierende zählt ein Studienjahrgang jeweils. Die bereits kleine Gruppe droht jedoch noch mehr zu schrumpfen.

Über 100 Arbeitslose

2023 meldeten sich noch zehn Personen zum Zulassungstest an. In den Jahren 2024 und 2025 sank die Zahl auf fünf Anmeldungen und im Frühlingssemester 2026 auf nur noch drei.

Nur eine Studentin wird im Frühling den sechssemestrigen Studiengang starten. 2023 waren es noch sieben Kursteilnehmende, eine davon stammte aus dem Vorjahr.

Kann KI Dolmetscherinnen und Dolmetscher ersetzen?

Rosig sieht es auf dem Arbeitsmarkt für Dolmetscherinnen und Dolmetscher aktuell nicht aus. Im September sind in der Berufsgruppe der Übersetzer und Dolmetscher 124 Personen von rund 5700 arbeitslos. Die Arbeitslosenquote erreicht mit 2,16 Prozent einen neuen Höchststand.

Nur in den Corona-Jahren 2020 und 2021, als wenige bis keine Veranstaltungen mehr stattfanden, war die Quote noch höher. Zudem ist die Zahl der Erwerbspersonen in dieser Branche von rund 6200 im Jahr 2017 auf rund 5700 gesunken. Dies zeigen Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO).

Simultanübersetzungen mit KI gefragt

Auffällig ist, dass die Arbeitslosenquote bei den Übersetzungsprofis seit Anfang Jahr nicht mehr unter die Zwei-Prozent-Marke gefallen ist.

Ist etwa die Künstliche Intelligenz schuld? Bereits seit 2022 mischt sich KI immer stärker in den Sprachdschungel.

Etwa mittels ChatGPT können Fremdsprachenmuffel spontan Gespräche in alle möglichen Sprachen übersetzen. Kürzlich trumpfte Apple zudem mit Kopfhörern auf, die sogar Live-Übersetzungen bieten.

KI-Übersetzungen sind auch im Schweizer Parlament Thema. Während der Sessionen sind zehn Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Nationalrat für die drei Amtssprachen abwechslungsweise im Einsatz. Obwohl es noch mehr Arbeit gäbe, sind sie nicht gefragt.

KI
Dolmetscherinnen und Dolmetscher übersetzen die Debatten im Nationalrat simultan. - keystone

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrats wünscht in einem Vorstoss Simultanübersetzungen der Kommissionssitzungen.

Diese sollten jedoch «mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützen Programmen» übersetzt werden. Die SPK hat das Büro des Nationalrats mit der Prüfung eines entsprechenden Pilotversuchs beauftragt.

Das Büro des Nationalrats schliesst eine zukünftige Verwendung von KI-Lösungen für öffentliche Sitzungen «nicht per se aus». Das Problem stelle sich in erster Linie bei vertraulichen Sitzungen. Dabei handle es sich etwa um solche von Kommissionen, schreibt es in seiner Antwort auf den Vorstoss.

Zudem macht das Büro darauf aufmerksam, dass das luxemburgische Parlament deshalb derzeit Leitlinien für den Einsatz von KI ausarbeite. Auch untersuche das Europäische Parlament derzeit mehrere Möglichkeiten, wie KI das Simultandolmetschen unterstützen oder ergänzen könne.

EU suche händeringend nach Dolmetschern

Im EU-Parlament zu dolmetschen, zählt zu den Träumen vieler Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Droht mit KI dem angesehenen Dolmetscherberuf der Untergang?

Die ZHAW macht andere Erfahrungen. «Die Organe der Europäischen Union und die internationalen Organisationen suchen händeringend nach Nachwuchsdolmetscherinnen und -dolmetschern», sagt Mediensprecher Thomas Schläpfer.

Absolventinnen und Absolventen der ZHAW hätten dabei sehr gute Chancen. «Denn die Fachhochschule ist als akkreditierte und international anerkannte Ausbildungsstätte in der Arbeitswelt hoch angesehen.»

Die Studierenden lernen laut Schläpfer einen verantwortungsbewussten, aber auch kritischen Umgang mit KI. «Sie nehmen Künstliche Intelligenz als selbstverständlichen Teil ihres Berufs wahr.» Und sie wüssten, wann und warum ihre eigene Expertise unverzichtbar bleibe.

«Nachfrage übertrifft sogar das Angebot»

Der Schweizerische Verband für Übersetzen, Terminologie und Dolmetschen (ASTTI) (siehe Box unten) zeigt sich von den KI-Übersetzungsangeboten wenig beeindruckt.

Professionelle Simultan- und Konsekutivdolmetschende seien nach wie vor gefragt, sagt Präsident Antonio Suárez. Dies zum Beispiel als Sprachdienstleistende bei Tagungen, Konferenzen oder Versammlungen.

Gesprächs- und Verhandlungsdolmetschende kämen etwa bei Fachgesprächen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung zum Einsatz. Als weiteres gefragtes Arbeitsfeld für Dolmetscherinnen und Dolmetscher nennt er Gerichtsverhandlungen, Polizeiverhöre und behördliche Anhörungen.

«Dolmetschende sind daher sowohl im institutionellen Bereich wie im privatwirtschaftlichen Sektor unverzichtbare Sprachmittelnde im mehrsprachigen Kontext.» Dies sei gerade auch in der viersprachigen Schweiz mit ihrer langen Übersetzungstradition der Fall.

«In manchen Bereichen übertrifft die Nachfrage sogar das Angebot, gerade was die Verdolmetschung in seltene Fremdsprachen betrifft», sagt Suárez. «Mir ist kein konkreter Fall im geschäftlichen Bereich bekannt, bei dem der Mensch durch eine App ersetzt worden wäre.»

KI und Halluzinationen

Der Verbandspräsident bestätigt, dass KI-basierte Sprachübertragungssoftware im Alltag bei der rudimentären Überbrückung von Sprachbarrieren «durchaus von Nutzen sein kann». Dies besonders in Situationen, in denen aus den unterschiedlichsten Gründen ohnehin nie ein Dolmetschender hinzugezogen würde.

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Das Dolmetschen ist laut ASTTI-Präsident Antonio Suárez von einer vollständigen oder gar fehlerfreien Reproduzierbarkeit durch Maschinen weit entfernt. - pexels

Er und viele seiner Berufsgenossinnen und -genossen teilen die Befürchtung, dass KI der Tod des Dolmetschers ist, nicht. Die sprachliche Kommunikation sei eine menschenzentrierte Aktivität, sagt Suárez.

Auch weise sie eine hochkomplexe Natur und kulturelle Vielschichtigkeit auf. «Deshalb ist das Dolmetschen weit von einer vollständigen oder gar fehlerfreien Reproduzierbarkeit durch Maschinen entfernt.»

Derzeit machen die Hersteller von KI-Software laut Suárez vor allem mit der steigenden Fehleranfälligkeit ihrer Produkte von sich Reden. Darunter fielen etwa sogenannte Halluzinationen.

«Maschinen schlichtweg nicht fähig»

KI-Übersetzungen kommen laut dem ASTTI schnell ans Limit.

Trotz vermeintlicher Fortschritte hafte den maschinellen Translationsprogrammen grundsätzlich eine nicht zu eliminierende Unzuverlässigkeit an, stellt Antonio Suárez fest. «Weil sie den hochkomplexen kognitiven Vorgang des Übersetzens auf ein mathematisches Verfahren reduzieren.»

Beherrschst du eine Fremdsprache?

Berufsverband für Sprachprofis

Der Berufsverband ASTTI mit Sitz in Freiburg FR setzt sich für die Interessen des Berufsstands der Sprachdienstleistenden ein. Dazu zählen Sprachberufe des Übersetzens, der Terminologie und des Dolmetschens. Der Verband ist Mitglied des Weltdachverbands Fédération internationale des traducteurs (FIT). Aktuell zählt der ASTTI 400 Mitglieder.

Vielmehr noch als für den Bereich des Übersetzens gelte dies für das Dolmetschen. «Weil Dolmetscherinnen und Dolmetscher über das Gesagte hinaus auch nonverbale und kulturspezifische Inhalte in die Zielsprache übertragen.»

Etwa bezögen sie die Körperhaltung und den Tonfall der Sprechenden mit ein. «Wozu Maschinen schlichtweg nicht fähig sind.»

Fehlerhafte Übersetzungen drohten

In KI-Übersetzungen sieht der zertifizierte Übersetzer im besten Fall eine gewisse Hilfe bei Verständnisschwierigkeiten im Berufsalltag.

Er warnt jedoch vor erheblichen Problemen und mithin Reputationsschäden für die Anwender. Dies seien mögliche Folgen, sobald aufgrund fehlerhafter Übersetzungen juristische Konsequenzen beziehungsweise sicherheits- oder gesundheitsgefährdende Auswirkungen drohten. «Denn in den Bereichen Haftung und Datenschutz bieten Maschinen kaum ausreichende Gewähr.»

Selbstverständlich ist für die Dolmetscherinnen und Dolmetscher laut Suárez, sich mit den digitalen Hilfsmitteln auseinanderzusetzen. Auch integrierten sie diese in ihren Alltag ein.

«Ohne dass der Mensch dabei ersetzt wird.» Der Berufsverband kündigt an, demnächst ein Positionspapier zu KI zu veröffentlichen.

Kommentare

User #5709 (nicht angemeldet)

Man wird entdecken langsam das K.I. die jobs einer nach dem anderen aufrisst, dann wird man merken das man es gemerkt hat, dann wird nichts passieren, dann wird K.I. autonom, und dann was? nichts! denn man wollte es ja so mit der smarten und totaler welt, und ist noch dann dankbar, dankbar das man "genetisch" völlig in der eigenen dummheit angekommen ist als menscheit..

User #8759 (nicht angemeldet)

Ihr habt keine Ahnung.

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