Schweizer setzen vor Ferien auf Sprach-App statt Kurs

Anna Baumert
Anna Baumert

Bern,

Viele Menschen bringen sich heutzutage mit Apps neue Sprachen bei. Sorgt der Boom für leere Kursräume in den Schweizer Sprachschulen? Nau.ch hat nachgefragt.

Sprachschule
Viele Menschen, die Sprachen lernen wollen, greifen zu Apps. Haben Sprachschulen ausgedient? - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit Sprachlern-Apps können Lektionen bequem am Handy absolviert werden.
  • Schweizer Sprachschulen beobachten, dass viele sich die Basics mit Apps beibringen.
  • Besonders, wer sich auf Ferien vorbereitet, greift zu Duolingo und Co.

Kurz vor den Mallorca-Ferien noch schnell ein paar spanische Vokabeln büffeln oder vor dem USA-Roadtrip sein Englisch auffrischen? Mit Sprachlern-Apps kein Problem.

Aktuell erleben diese einen regelrechten Boom. Die Aktie von Duolingo hat beispielsweise Anfang August deutlich zugelegt. Hintergrund: eine durch starkes Nutzerwachstum und den Einsatz von künstlicher Intelligenz beflügelte Prognose.

Immer mehr Menschen greifen also zu Applikationen, um neue Sprachen zu lernen. Bleiben die Kurs-Zimmer in den Sprachschulen deshalb nun leer? Nau.ch hat sich umgehört.

Apps wecken bei vielen Menschen erst Interesse an Sprachen

Ana Vegara, Geschäftsführerin von Inlingua Aare, sagt dazu: «Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach Gruppenkursen leicht zurückgegangen ist, während das Interesse am Einzelunterricht deutlich gestiegen ist.»

Ob das direkt auf Sprachlern-Apps zurückzuführen sei, lasse sich jedoch schwer sagen.

Generell beobachte man bei der Sprachschule einen Trend hin zu massgeschneiderten Angeboten. «Und wenn es um Standardkurse geht, wird oft nach der günstigsten Option gesucht», so Vegara.

«Neue Technologien betrachten wir dabei nicht unbedingt als Konkurrenz, sondern eher als Ergänzung», hält sie fest. «Bei Inlingua nutzen wir zum Beispiel eine eigene Online-Plattform mit KI-generierten Übungen, die den Unterricht sinnvoll erweitert.»

Die Inlingua-Aare-Geschäftsführerin fügt hinzu: «Sprachlern-Apps wecken bei vielen Menschen überhaupt erst das Interesse am Sprachenlernen. Häufig legen sie damit die ersten Grundlagen. Und kommen anschliessend zu uns, um ihre Kenntnisse zu vertiefen und auf ein höheres Niveau zu bringen.»

Die Technik hat aber einen Haken: «Apps eignen sich hervorragend, um Wortschatz aufzubauen, stossen aber schnell an ihre Grenzen, wenn es um die aktive Kommunikation geht.»

Wer in die Ferien fährt, lernt oft mit Apps

Auch die Migros Klubschule erklärt, es sei schwierig, den direkten Einfluss der Sprachlern-Apps auf ihre Kurse abschliessend zu beurteilen.

Aber: «Wir beobachten, dass Personen, die sich auf einen Ferienaufenthalt vorbereiten, teilweise auf Übersetzungs-Apps oder KI-gestützte Tools zurückgreifen, anstatt einen klassischen Sprachkurs zu belegen.» Das sei insbesondere bei freizeitorientierten Sprachen wie Italienisch oder Spanisch der Fall.

Ferien
Viele nutzen Sprachlern-Apps, um sich auf die Ferien vorzubereiten. - keystone

Die Klubschule stellt ebenfalls fest, dass vermehrt Kursteilnehmende sich vorab schon ein gewisses Know-how der Sprache mithilfe von Apps aufbauen. «Diese Teilnehmenden sind oft motivierter und wissen bereits, dass sie sich intensiver mit der Sprache beschäftigen möchten.»

Es zeige auch, dass «ambitioniertere Lernende nach einer gewissen Erfahrung mit der App wieder zum Klassenunterricht wechseln, um die Lerneffizienz zu steigern».

Apps geeignet für «erste Schritte»

Sprachlern-Apps sind aus Sicht der Migros Klubschule eine gute Möglichkeit, «erste Schritte in einer Sprache zu machen». Oft stosse man jedoch irgendwann an Grenzen – besonders, wenn es um die Anwendung der Sprache in realen Situationen gehe.

Der Kurs in einer Sprachschule biete mehrere Vorteile: den persönlichen Austausch, eine klare Struktur und Regelmässigkeit sowie die motivierende Dynamik einer Gruppe.

Hast du schon mal eine Sprachschule besucht?

Den Trend, dass heute mehr Leute sich die Basics einer Sprache mit einer App beibringen und dann erst einen Kurs machen, beobachtet auch die International Language School (ILS) Basel.

Filialleiterin Fatima Arun sagt: «Immer mehr Lernende nutzen Apps für den Einstieg und suchen dann gezielt unsere Unterstützung, um den entscheidenden nächsten Schritt zu machen.»

Insgesamt sei die Nachfrage nach Sprachkursen stabil. Der Bedarf an professionell geführten Online-Sprachkursen habe jedoch deutlich zugenommen.

Arun hält fest: «Apps sind ein nützliches Zusatzwerkzeug, aber sie können den direkten, strukturierten Unterricht in einer Sprachschule nicht ersetzen.»

Denn: «Typische App-Lernfehler, wie falsche Aussprache, fehlender Dialogfluss oder unzureichendes Verständnis für kulturelle Nuancen, lassen sich im Unterricht gezielt korrigieren.»

Sprachschule lehrt, «zwischen den Zeilen zu verstehen»

Auch Josephine Baumgart, Sprecherin von Education First (EF), sagt: «Der Boom von Sprachlern-Apps zeigt sehr deutlich, wie gross das Bedürfnis nach flexiblem Sprachenlernen geworden ist.»

Man sehe diesen Boom jedoch nicht als Konkurrenz, sondern als Teil eines breiteren Trends. «Mehr Menschen als je zuvor beschäftigen sich aktiv mit dem Erlernen einer neuen Sprache», so Baumgart.

Aber: «Wer eine Sprache wirklich in allen Facetten beherrschen möchte, sucht oft zusätzlich den persönlichen Austausch in einem unserer Sprachkurse.»

Sprachschule
In Sprachschulen lernt man nicht nur Vokabeln und Grammatik, sondern auch unter anderem flüssige Konversation. (Symbolbild) - keystone

«Viele starten mit einer App, um die Grundlagen aufzubauen», sagt die EF-Sprecherin. «Und kommen dann zu uns, wenn sie ihren Wortschatz erweitern, flüssige Konversation oder kulturelle Feinheiten lernen wollen. In dem Land, wo die Sprache gesprochen wird.»

Baumgart hält fest: «Apps sind ideal für flexibles Üben, gezieltes Vokabeltraining und KI-gestützte Aussprache-Analyse. Aber Sprachen sind mehr als Wörter und Grammatikregeln.»

Stattdessen würden sie vom zwischenmenschlichen Austausch, von kulturellem Kontext und vom direkten Feedback leben. «In einer Sprachschule übt man nicht nur, richtig zu sprechen, sondern auch zwischen den Zeilen zu verstehen.» Zum Beispiel Humor und Körpersprache.

Doch für wen sind Apps eigentlich passend – und für wen nicht?

Apps sprechen «Gamification»-Fans an

Multilingualismus-Experte Raphael Berthelé von der Universität Freiburg erklärt: «Sie sind geeignet für Leute, die diszipliniert und autonom lernen können und wollen.»

Apps seien eine gute Möglichkeit, sich im Zug oder in anderen Situationen mit Sprachenlernen zu beschäftigen. Und: «Sie haben den Vorteil, dass man sich nicht vor einer Gruppe lächerlich macht, da man ja mit einer Maschine interagiert.»

Duolingo und ähnliche Apps würden besonders Leute ansprechen, die Freude an «Gamification» haben. Denn sie beinhalten das Sammeln von Punkten und Badges, Ranglisten von Benutzenden und Challenges.

Duolingo
Der «Gamification»-Aspekt kann auf Leute, die daran Freude haben, motivierend wirken. - Pexels

«Das wirkt auf gewisse Leute motivierend – auf andere dagegen abstossend, weil es als kindisch wahrgenommen wird», sagt Berthelé.

Er stellt klar: «Wer sein Lernen gerne in die eigene Hand nimmt, für den sind Apps sicher eine gute Sache. Wer gerne Beratung und enge Begleitung hat, für den sind wohl Lernkontexte mit menschlichen Lehrpersonen wichtiger.»

Berthelé hält fest: «Ich denke, Apps sind vor allem sehr gute Begleiter von anderen Lernwegen.»

Nutzt du aktuell eine Sprachlern-App?

Wenn man Apps gezielt einsetze, könnten sie Lernen dort beschleunigen, wo es beispielsweise in natürlichen Situationen relativ langsam sei.

«Gewisse Grammatikprobleme, die kommunikativ nicht unbedingt ein Problem sind, die auch niemand korrigiert, fliegen sozusagen unter dem Radar. Sind aber halt trotzdem Normverstösse, die viele Lerner gerne vermeiden möchten, vor allem auf höheren Kompetenzniveaus», so der Experte.

Dort könne man mit Apps gut nachhelfen, wenn man sie bewusst und gezielt einsetze.

Übergang in reale Welt kann stressig sein

Vorteile von Apps seien die zeitliche und räumliche Flexibilität. Sowie auch der Umstand, «dass man keine Angst vor Fehlern haben muss».

«Eine App kann aber natürliche Interaktion nicht ersetzen, nur ein Stück weit simulieren», so Berthelé. «Darum kann der Übergang in die freie Wildbahn für App-Lernende stressig sein: Plötzlich sprechen alle durcheinander, schneller, mit Akzenten, und so weiter.»

Das könne überfordern – «obwohl man sich intensiv mit der App vorbereitet zu haben glaubte».

Sein Fazit: «Ich sehe das Potenzial von künstlicher Intelligenz und Apps in der zwanglosen, durchaus auch spielerischen Interaktion mit einer Maschine, die Geduld hat und zudem den Lernenden bei überlegter und gezielter Benutzung viel über die Zielsprachen beibringen kann.»

Kommentare

User #1633 (nicht angemeldet)

Die vielen Bööööötler könnten davon auch profitieren. Hehehe. LOL.

User #7487 (nicht angemeldet)

Der Vorteil bei einer APP ist, dass man nicht auf sprach gehemmte erwachsene Menschen Rücksicht nehme muss. Der Erfolg hängt dann einzig alleine von einem selbst ab.

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