Insider packt aus: Diese Geheimnisse vertuschen Politiker und Promis
So manche bekannten Gesichter hüten Geheimnisse – oder führen gar ein Doppelleben. Viele scheuen keine Mühen, um das zu vertuschen. Ein Insider packt aus.
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Das Wichtigste in Kürze
- Eine Zürcher Agentur organisiert für Politiker, Promis und Normalos Alibis.
- So hilft sie ihnen, Geheimnisse zu vertuschen oder gar, sich an Feinden zu rächen.
- Teilweise werden so ganze Schein-Leben aufgebaut – etwa für einen bekannten Fussballer.
Eine australische Studie aus dem Jahr 2024 zeigt: Im Schnitt trägt jeder Mensch zehn Geheimnisse mit sich herum. Am häufigsten geht es dabei um Lügen und sexuelles Verhalten.
Einige dieser Informationen sind dermassen geheim, dass die Menschen sich ein ganzes Doppelleben aufbauen, um sie zu verstecken. Und dabei offenbar nichts dem Zufall überlassen wollen: Sie heuern gar Profis an, um den Schein aufrechtzuerhalten.
Normalos, Fussball-Stars oder Politiker – sie alle gehören zu den Kunden von Beni Keller. Er leitet die Schweizer Agentur der internationalen Organisation «Freiraummanager», die sich auf Alibis spezialisiert hat.
Schweizer Politiker blüttelt in Stadt
Konkret: Mit eigens erschaffenen Ausreden und Auswegen versucht die Agentur, ihren Kundinnen und Kunden aus unangenehmen Situationen zu helfen.
«Jeder Fall ist anders», sagt CEO Keller im Interview mit Nau.ch. Grundsätzlich gehe es aber darum, den Betroffenen ein «freies Leben» zu ermöglichen. Die Bandbreite reicht von «lustig» bis «tragisch».
Eines Beispiel: «Wir hatten einmal einen Politiker, der nackt in seiner Stadt herumlaufen wollte», sagt Keller. Also habe die Agentur ihn mitten in der Nacht auf den Stadtplatz gefahren und ihn eine Viertelstunde blütteln lassen.
Während dieser Zeit stellten die Geheimnishüter sicher, dass keine Passanten den Platz überquerten. «Natürlich haben wir bereits im Vorfeld geklärt, wie die Bewegung auf dem Platz ist in der Nacht.»
Die Agentur hatte auch einen Plan für den Fall, dass doch jemand vorbeigehen wollte: «Dann hätten wir sie mit einem vermeintlichen Gewinnspiel (...) abgelenkt».
Die Sache sei relativ schnell vorbei gewesen – und der anonyme Schweizer Politiker «zufrieden».
Die Beweggründe für die Blüttel-Aktion kennt Keller nicht – «wir wollen auch nicht darüber urteilen», meint er. «Es schadet ja auch niemandem, das ist für uns wichtig.»
Schein-Freundin für schwulen Fussballer
Während einige Aufträge schnell erledigt sind, sind andere deutlich ausführlicher. Keller erinnert sich an einen Fussballer, der nicht wollte, dass die Öffentlichkeit von seiner Homosexualität erfährt.
«Also haben wir ihm über längere Zeit eine Schauspielerin zur Seite gestellt, die sich als seine Freundin ausgab. Kein Mensch durfte das wissen, bis auf zwei, drei Personen, die in den Fall involviert waren.»

Die Schauspielerin habe ihn an öffentliche Events begleitet, auch die Medien hätten über das vermeintliche Traumpaar berichtet. «Wir haben auch Ferien organisiert, in die er mit seiner vermeintlichen Freundin geflogen ist.»
Vor Ort wartete aber dann der echte Freund des Fussball-Stars (Alter, Nationalität und Clubs bleiben geheim) auf ihn.
Riesen-Aufwand für Versteckspiel erstaunt Forschende nicht
Tabea Hässler und Léïla Eisner von der Universität Zürich forschen unter anderem zu LGBTIQ-Themen. Dass der Mann derartige Aufwände auf sich nahm, um seine Sexualität geheim zu halten, erstaunt die Sozialpsychologinnen nicht.
«Im Männerprofifussball haben sich bislang noch keine aktiven Spieler geoutet», schreiben sie auf Anfrage von Nau.ch. Das gilt für die Schweiz – international gab es einige wenige.
Dabei sei davon auszugehen, dass es in jeder Fussballmannschaft mindestens ein bis zwei schwule oder bisexuelle Spieler gebe.
Schliesslich sind «zirka 7–10 Prozent der Menschen LGBTIQ (Anmerkung d. Redaktion: Lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere Menschen)».
Doppelleben ist «extrem belastend»
Doch woher kommt die Angst vor dem Outing?
Hässler und Eisner verweisen auf eine ihrer Studien, in der sie Sportstudierende befragten – unter ihnen viele, die Profisport betreiben.
Die Befunde zeigen: «Viele Befragten sahen die Reaktionen der gegnerischen Fans oder die Befürchtung, Sponsorengelder zu verlieren, als Gründe gegen ein Outing.»
Viele Befragte gaben zudem an, zu glauben, männliche Sportler hätten ein Problem mit schwulen und bisexuellen Team-Mitgliedern. Die Studie zeigt aber, dass viele von ihnen in Wirklichkeit gegenüber schwulen und bisexuellen Team-Mitgliedern tolerant eingestellt sind.
«Diese Fehlwahrnehmung führt dazu, dass schwule oder bisexuelle Sportler sich nicht outen oder sogar ein Doppelleben führen. Das ist extrem belastend und wirkt sich negativ auf die Leistung aus», so die Forschenden.
Auch Normalos haben Angst vor Outing
Wichtig sei daher, dass Verbände Aufklärung betreiben und Trainerinnen, Trainer sowie Spielerinnen und Spieler «klare Statements gegen Diskriminierung abgeben».
Hässler und Eisner geben aber auch zu bedenken, dass nicht nur Fussball-Stars ihre Sexualität verstecken. Betroffen sind in der Schweiz auch Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen.

Eine Umfrage aus diesem Jahr zeigt, dass LGBTIQ+-Personen weiterhin häufig diskriminiert werden und sicher daher nicht immer outen.
Schweizer zahlen auch für Rache
Zurück zur Kundschaft der sogenannten Alibi-Agentur. Die hat nämlich nicht nur mit Fussball-Stars und Geheimnissen zu tun – sondern auch mit Rachegelüsten.
«Wenn einem Unrecht geschehen ist, kann man uns kontaktieren», sagt CEO Beni Keller zu Nau.ch.
Dazu gebe es gar Schauspielerinnen oder Schauspieler, die eingesetzt werden können. Das Ganze ist «natürlich alles ohne Einschüchterungen oder Drohungen, und auch alles legal», betont Keller.
Pflegerin rächt sich an Penis-Bild-Arzt
Ein Beispiel: «Eine Pflegerin aus einem Schweizer Spital wurde von einem Arzt immer wieder mit Penis-Bildern belästigt», erzählt der Agentur-Chef.
«Sie wollte ihn nicht melden, weil sie Konsequenzen für sich selbst fürchtete. Also wandte sie sich an uns.»

Und siehe da: Plötzlich wurden immer wieder auffällige Pakete für den Arzt direkt ins Spital geliefert. Prominent verkündeten die Verpackungen jeweils, dass es sich bei den Lieferungen um Dildos und andere Sextoys handelte.
«Das war natürlich alles von uns eingefädelt. Die Päckli sorgten im Spital für ordentlich Gesprächsstoff. So hatte die Pflegerin ihre Rache, ohne, dass es für sie Konsequenzen hatte.»
Stink-Hinterlassenschaften für dreisten Mitbewohner
Auch an einer dreisten WG-Partei rächte sich die Agentur schon: Ein Mitbewohner ekelte seine Mitbewohnerin aus der Wohngemeinschaft, weil er die Wohnung für sich haben wollte, so Keller.
«Beim Auszug haben wir als Freund getarnt mitgeholfen», erinnert er sich. Bei der Gelegenheit hat der Agentur-Mitarbeiter «unangenehme Produkte» in der Wohnung versteckt.
«Das eine Produkt hat immer wieder Geräusche erzeugt. Das andere hat einen sehr üblen Geruch verteilt», schmunzelt er.
«Person wollte, dass wir Autounfall provozieren»
Gerade, wenn es um Rache geht, ist die Grenze des Erlaubten schnell erreicht. «Illegalität kann auch bereits bei der Rufschädigung oder üblen Nachrede beginnen», gibt der CEO zu bedenken.
Darum muss seine Agentur auch immer wieder Anfragen ablehnen, die über das Ziel hinausschiessen.
Und das tun einige deutlich: «Eine Person wollte, dass wir einen Autounfall provozieren. Das machen wir natürlich nicht.»
Übrigens: Wie viel sich Promis, Politiker und auch Normalos Geheimnishüterei oder Rachepläne kosten lassen, lässt die Alibi-Agentur geheim.