In der Schweiz wird vergleichsweise schnell «Duzis» gemacht. Inzwischen zeichnet sich in vielen Bereichen sogar ein Aussterben der Höflichkeitsform ab.
Du
Duzis bei der Post? Intern gang und gäbe – im Kundenkontakt eigentlich nicht. Trotzdem werden Kunden auch mal geduzt. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Vielerorts wird man in der Schweiz nicht mehr gesiezt.
  • Auch zahlreiche Firmen haben mittlerweile zumindest intern auf eine Du-Kultur umgestellt.
  • Laut einer Sprachforscherin etabliert sich das Du zunehmend – bei uns mehr als im Ausland.
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Ob beim Reservieren in der Beiz, beim Shoppen oder auf Instagram: Vielerorts wird man heute mit «Du» angesprochen. Teilweise geht das sogar noch weiter.

«Ich staunte nicht schlecht, als mich eine Schalter-Mitarbeiterin in der Zürcher Sihlpost duzte», wundert sich eine Nau.ch-Leserin. «Dabei bin ich Mitte 30.»

Da staunen auch Experten. «Durchgesetzt hat sich das ‹Du› generell in solchen Bereichen, in denen oft jüngere Menschen anzutreffen sind. Zum Beispiel in Clubs und in sportlichen Kontexten», stellt Christa Dürscheid fest. Sie ist Professorin für Deutsche Sprache an der Universität Zürich und führt den Twitter-Account «VariantenGra».

Restaurant
Ob beim Reservieren in der Beiz, beim Shoppen oder auf Instagram: Vielerorts wird man heute mit «Du» angesprochen. (Symbolbild)
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«Durchgesetzt hat sich das ‹Du› generell in solchen Bereichen, in denen oft jüngere Menschen anzutreffen sind», sagt Expertin Christa Dürscheid. (Symbolbild)
Dürscheid
Dürscheid ist Professorin für Deutsche Sprache an der Universität Zürich und Inhaberin des Blogs «Varianten Pragmatik». Sie betreibt zudem den Twitter-Account «@variantengra».
Migros
Auch in der Migros werden die Kunden geduzt – allerdings nur, wenn viele gleichzeitig angesprochen werden, zum Beispiel in der Werbung. (Symbolbild)
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Bei Banken und Versicherung duzt man aber grundsätzlich nur intern. (Archivbild)
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Und: «Die ‹Sie›-Anrede ist weiterhin fest verankert im Umgang mit Ämtern, Behörden und gegenüber Lehrpersonen in der Schule.» (Archivbild)

Manchmal werde es auch nach Personalbefragungen von oben vorgegeben. Etwa intern bei der Swisscom, in Spitälern – oder bei der Post. Deren Sprecher Erich Goetschi sagt zu Nau.ch: «Wir leben heute unter Kollegen die Du-Kultur.»

Dass man aber auch als Kundin geduzt wird, sei eigentlich nicht die Idee. Extern spreche man Personen grundsätzlich mit «Sie» an. Das Erlebnis der Leserin bezeichnet der Post-Sprecher als «Einzelfall».

Migros duzt Kunden in Werbung und Co.

Anders die Migros. Sprecherin Carmen Hefti sagt: «Wenn wir viele Kunden adressieren, beispielsweise in Werbung, Social-Media-Beiträgen und Co., kommunizieren wir primär per ‹Du›.»

Das klingt dann so: «Vitamine, Mineralstoffe – Helden, die du verdienst»; «Warum auch du für die Migros arbeiten solltest»; «Haufenweise sparen – profitier von Top-Frühlingsrabatten».

Migros
So sieht das Cover des neuen Migros-Magazin aus.
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In einem Artikel geht es darum, warum DU bei der Migros arbeiten solltest.
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Auch die Kunden werden per Du angesprochen.

Bei der SBB werden fast alle Kunden gesiezt – «Ausnahmen gibt es im Social Media-Bereich, bei Jugendlichen». Intern dagegen herrsche seit 2018 eine Du-Kultur. Extern siezen auch die Raiffeisen-Bank und die Versicherung Mobiliar, wie sie auf Anfrage mitteilen.

«Die ‹Sie›-Anrede ist weiterhin fest verankert im Umgang mit Ämtern, Behörden und gegenüber Lehrpersonen in der Schule», ergänzt Professorin Dürscheid.

Duzen Sie Fremde?

«Das ‹Du› wird generell im deutschsprachigen Raum immer populärer. In der Schweiz ist das aber noch auffälliger», sagt die Expertin. Hier sei die Entwicklung weiter fortgeschritten als in Deutschland.

Soziale Medien treiben Du-Kultur voran

Als einen Treiber der Du-Kultur sieht die Expertin Facebook, Instagram und Co.: «Ich vermute, dass das Duzen durch die sozialen Medien noch mehr in unseren Alltag hineingelangt ist.» So breite es sich auch immer mehr in direkten Gesprächen aus.

Generell stellt Dürscheid fest, dass es einen Trend weg vom Formellen gibt. «Das zeigt sich auch in anderen Bereichen: Zum Beispiel bei der Begrüssung und in der Kleiderordnung.»

Ganz weg kommen wir vom «Sie» aber kaum. «Es gibt zwar immer mehr Situationen, in denen heute zum ‹Du› gewechselt wird», so Dürscheid. «Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen nicht das Bedürfnis haben, Unterschiede in der Anrede zu markieren.»

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