Alle 53 Minuten kommt es schweizweit zu einem Angriff in den eigenen vier Wänden. Die Gerichte behandeln zurzeit drei Fälle wegen häuslicher Gewalt.
Häusliche Gewalt.
Frauen sind mehrheitlich Opfer häuslicher Gewalt. - Keystone-sda (Symbolbild)
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Das Wichtigste in Kürze

  • 29 Fälle von häuslicher Gewalt endeten letztes Jahr tödlich.
  • Die Mehrheit der Opfer sind Frauen.
  • Es standen diese Woche gleich drei tödliche Delikte im Fokus.

Häusliche Gewalt bleibt ein Dauerthema. Diese Woche standen gleich drei tödliche Delikte von häuslicher Gewalt im Fokus.

Ab Dienstag beurteilte das Berner Obergericht den Fall eines Tunesiers (36), der 2016 seine Schweizer Ehefrau aus Eifersucht zuhause in Burgdorf BE erstach.

Der Mann kassierte erstinstanzlich 15 Jahre. Er rekurrierte an die nächste Instanz.

Ab Donnerstag stand CVP-Mitglied Igor P.* (55) vor Gericht in Brig VS. Der promovierte Historiker und Oberstleutnant a.D. erschlug 2018 die Mutter seiner beiden kleinen Kinder mit einem Hammer.

Igor P., der aus einer noblen Walliser Familie stammt, war bankrott. Er hatte Angst, dass ihn seine Partnerin verlässt.

Und in Emmenbrücke LU erstach ein Mann (49) am letzten Sonntag seine Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung des Paares.

Das Ehepaar aus Serbien hatte zuvor einen heftigen Streit.

Opfer bei häuslicher Gewalt sind mehrheitlich Frauen

Alle drei Tötungsdelikte fallen in der Schweizerischen Kriminalstatistik unter die Rubrik «häusliche Gewalt». Die Opferzahlen sind seit Jahren unvermindert hoch.

Häusliche Gewalt
Die Opfer häuslicher Gewalt sind mehrheitlich Frauen. - Keystone

Im letzten Jahr wurden schweizweit 29 Tötungsdelikte im Bereich häusliche Gewalt verzeichnet. 14 der Opfer waren Frauen, die innerhalb einer Partnerschaft getötet wurden.

Auch 2018 starben 27 Menschen wegen häuslicher Gewalt in den eigenen vier Wänden, 24 davon waren Frauen und Mädchen.

Spitze des Eisbergs

Die Zahlen schrecken auf: Sie zeigen, dass mehr als die Hälfte aller tödlichen Angriffe in den eigenen vier Wänden passiert. 2019 wurden insgesamt 46 Menschen in der Schweiz ermordet.

Die Zahlen der tödlichen Angriffe bei häuslicher Gewalt liegen leicht über dem Durchschnitt der letzten Jahre. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges.

Längst nicht alle Opfer von häuslicher Gewalt melden sich bei den Behörden. Die Opfer machen in den meisten Fällen erst eine Anzeige nach einem jahrelangen Martyrium. Bei emotionalen Beziehungen, wie etwa einem Ehepaar, kann sich die Gewalt über Jahre massiv steigern.

Häusliche Gewalt
2019 ist die Gesamtzahl gemeldeter Fälle leicht angestiegen. - Keystone

Fakt ist aber: Häusliche Gewalt ist vor allem ein Männerproblem. In 95 Prozent der Fälle sind sie die Täter. 72 Prozent der Opfer waren letztes Jahr weiblichen Geschlechts.

Auch die Gesamtzahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt stieg 2019 leicht an. Im letzten Jahr kam es 53 Mal pro Tag in der Schweiz in den eigenen vier Wänden zu Angriffen. Polizei und Staatsanwaltschaft registrierten insgesamt 19'669 Fälle von häuslicher Gewalt. Das sind 6,2 Prozent mehr als 2018.

Jeder zweite Täter ein Ausländer

Häusliche Gewalt ist in der Schweiz ein Delikt, das überdurchschnittlich häufig von ausländischen Männern begangen wird.

Gemäss Polizeistatistik ist jeder zweite Täter Ausländer. Zum Vergleich: Der Ausländeranteil in der Schweiz liegt bei rund 25 Prozent.

In den letzten Jahren hat zum Thema häusliche Gewalt eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit stattgefunden. Doch schwere Delikte können dadurch kaum verhindert werden.

«Eine verstärkte Sensibilisierung der Öffentlichkeit hat im besten Fall zur Folge, dass minderschwere Delikte wie Drohungen oder Tätlichkeiten vermehrt der Polizei gemeldet werden», sagt Chantal Billaud, Geschäftsleiterin der Schweizerischen Kriminalprävention SKP. «Das kann auf längere Zeiträume gesehen Gewaltentwicklungen aufhalten, da man früher eingreifen kann.»

Mehr Beratungen während Lockdown

Die Polizei muss in der Schweiz von Amtes wegen einschreiten, falls Hinweise auf häusliche Gewalt bestehen. Denn diese ist seit 2004 ein Offizialdelikt.

Im Corona-Lockdown kam es entgegen Befürchtungen von Fachleuten zu keinem Anstieg von häuslicher Gewalt.

Die gemeldeten Fälle häuslicher Gewalt blieben in den meisten Kantonen im Vergleich zum Vorjahr stabil. In einzelnen Kantonen stellten die Opferhilfestellen seit Mitte Mai allerdings eine Zunahme der Beratungen wegen häuslicher Gewalt fest.

*Name der Redaktion bekannt

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