Gletscher wachsen: Schweizer untersuchen Phänomen
Während Gletscher weltweit in Rekordtempo schmelzen, zeigt sich im Hochgebirge des Pamir in Tadschikistan ein rätselhaftes Gegenbild: Einige Eismassen wachsen.

Das Wichtigste in Kürze
- Einige der Pamir-Gletscher wachsen, während andere Gletscher weltweit stark schmelzen.
- Schweizer Forschende untersuchen vor Ort die sogenannte Karakorum-Anomalie.
- Eisbohrkerne sollen zeigen, warum das Phänomen auftritt und wie lange es anhält.
Die Wissenschaft kennt seit Jahren nur eine Richtung, wenn es um Gletscher geht: Bergab. Von den Alpen bis zu den Anden verlieren die Eismassen dramatisch an Volumen, ganze Landschaften verändern sich. In den Bergen des Pamir in Tadschikistan jedoch bricht die Realität mit dieser globalen Gewissheit. Hier gibt es Eisriesen, die stabil bleiben oder sogar wachsen.
Eine zwölfköpfige Gruppe von Schweizer Wissenschaftlern hat sich deswegen auf eine lange Reise gemacht. Fast vier Tage dauerte es, bis sie von der Schweiz aus, die entlegenen Höhen Zentralasiens erreichten. Ihr Ziel: Gletscher untersuchen, die so gar nicht ins Bild der weltweiten Klimakrise passen.
«Im Gegensatz zu den Gletschern der ganzen Welt, die in zunehmendem Tempo an Masse verlieren, ist die Masse der Gletscher der Pamir-Region relativ stabil geblieben», sagt Evan Miles von der Universität Zürich gegenüber «RTS». Einige von ihnen würden sogar wachsen, betont der Glaziologe.
Diese Beobachtung treibt die Forschenden an. Vor Ort sollen genaue Messungen zeigen, wie gross die Abweichung tatsächlich ist und wie lange sie schon andauert.
Eisbohrkerne sollen Antworten zu Anomalie liefern
Das Phänomen, das in der Hochgebirgskette von Zentralasien zu beobachten ist, trägt einen Namen: «Karakorum-Anomalie». Eine führende Hypothese erklärt es mit der intensiven Bewässerung im angrenzenden Pakistan.
Auf der pakistanischen Seite der Region Pamir-Karakorum liegt eines der grössten bewässerten Gebiete der Welt. Durch Verdunstung gelangt viel Feuchtigkeit in die Atmosphäre, die später über dem Pamir als Schnee wieder zu Boden fällt.
Die Glaziologen versuchen, die Theorie vor Ort zu überprüfen. Eine Woche lang arbeiteten die Forschenden in mehr als 5800 Metern Höhe, auf der Eiskappe des Kon Tschukurbatschi. Zwei Eisbohrkerne, je 105 Meter lang, wurden aus dem Gletscher gezogen.
Schicht für Schicht bildeten diese ein Klima-Archiv über Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende hinweg. Darin können die Forscher ablesen, wie es bis weit zurück in die Vergangenheit um Schneefälle, Temperaturen, Atmosphäre und Staub stand.
Untersuchungen könnten Antworten auf wichtige Fragen liefern
Die Hoffnung von Evan Miles und seinen Kollegen: Antworten auf entscheidende Fragen. «Werden diese Gletscher einen Rückgang erleben wie im Rest der Welt? Oder könnten sie sich auch erholen? Und könnte die Anomalie länger andauern?»
Der Glaziologe ist überzeugt, dass die Bohrkerne wertvolle Hinweise dazu liefern wird, wie sich die «Karakorum-Anomalie manifestiert hat und wie sie sich in Zukunft entwickeln wird». Die Forschungsergebnisse könnten den Gletscherschutz auf globaler Ebene beeinflussen.




















