Diese Frage bleibt hartnäckig: Darf man Medikamente mit den blossen Händen anfassen? Experten erklären bei Nau.ch, welche Gefahren bei den Tabletten lauern.
Moderator Marco Reusser klärt seine Community auf, man dürfe Medis nicht anfassen – doch stimmt das? - Instagram / @reussli

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf Instagram ist die Diskussion entbrannt, ob man Medikamente anfassen darf.
  • Die Medis könnten die Zellen der Haut verändern.
  • Experten mahnen bei Nau.ch zur Vorsicht.
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«Das finde ich eine wichtige Information, die ich gerne von den Ärzten auch gehört hätte!» Der Berner Moderator Marco Reusser gibt auf seinem Instagram-Profil eine Runde Aufklärungsunterricht.

In einem Video lächelt er mit weissen Gummi-Handschuhen in die Kamera und erklärt, warum er diese trägt. Grund dafür sei das Medikament Colchicin. Dieses kommt unter anderem zur Behandlung der Gicht, einer schmerzvollen Form von Rheuma, zum Einsatz.

Müssen Sie regelmässig Medikamente schlucken?

Die Apothekerin habe Reusser gewarnt, er dürfe die Tabletten nicht mit blossen Händen anfassen. Denn: «Es könnte die Zellen verändern oder sonstige Nebenwirkungen hervorrufen», erinnert er sich.

Doch: Stimmt das? Nau.ch hat bei Experten auf dem Gebiet nachgefragt.

Erster Ansprechpartner ist die Toppharm-Apotheke beim Rathaus in Bern. Inhaber Stefan Fritz bestätigt: «Ja, das stimmt. Colchicin beinhaltet das Gift der Herbstzeitlose, das die Zellteilung hemmt.»

Zweiter Ansprechpartner ist die Universität Basel. Samuel Allemann, Assistenzprofessor für pharmazeutische Betreuung, erklärt: «Colchicin hemmt die Zellteilung, indem es an bestimmte Proteine (Mikrotubuli) bindet. Das passiert auch bei der oralen Einnahme und äussert sich beispielsweise durch Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen oder Durchfall.»

Experte: «Haut bietet guten Schutz»

Deshalb sei beim Umgang Vorsicht geboten.

Apotheker Stefan Fritz erklärt: «Es geht dabei darum, dass keine weiteren Personen mit dem Medikament in Berührung kommen.» So sollte sich etwa das Pflegepersonal mit Handschuhen schützen, sagt er.

Für Moderator Reusser gibt er aber Entwarnung: «Wer das Medikament jedoch selbst einnimmt, muss nichts befürchten. Wenn die Person sich danach die Finger wäscht, reicht das auch aus», sagt der Apotheker weiter.

Herbstzeitlose
Colchicin enthält das Gift der Herbstzeitlose.
Apotheke
In der Apotheke sollte über die Gefahren des Medikaments aufgeklärt werden.
Medikamente
Allerdings reicht es, nach der Einnahme der Medikamente die Hände zu waschen.

Auch Samuel Allemann bestätigt: «Eine Colchicin-Tablette enthält nur einen geringen Anteil des aktiven Wirkstoffs. Im normalen Umgang mit dem Medikament besteht keine Gefahr durch kurzes Anfassen mit blossen Händen.»

Alex Odermatt von der Abteilung für Molekular- und Systemtoxikologie der Universität Basel ergänzt: «Die Haut bietet einen relativ guten Schutz, sodass Zellen an den Händen kaum eine Reaktion zeigen werden.»

Und: «Nach Berührung des Medikaments mit den Fingern sollte ein Kontakt zur Nasenschleimhaut oder den Augen verhindert werden.»

Apotheker: «Medikamente sind keine Bonbons»

Andere Arzneimittel, die besondere Vorsicht erfordern, sind laut Apotheker Stefan Fritz Medikamente gegen Krebs sowie starke Schmerzmittel wie Morphin. «Bei einem alltäglichen Schmerzmedikament wie Paracetamol kann wegen des kleinen Anteils an Wirkstoffen aber nichts passieren», gibt er Entwarnung.

Grundsätzlich sei es sowohl die Pflicht der Ärztinnen und Ärzte sowie auch der Apotheken, über die Gefahren der Medikamente aufzuklären. «Wer sich unsicher ist, soll sich an eine Fachperson wenden», rät er.

«Medikamente sind keine Bonbons, sondern haben alle potenziell Nebenwirkungen.» Deshalb sei ein verantwortungsvoller Umgang ein Muss, so Fritz.

Samuel Allemann von der Uni Basel sagt: «Wer ein Medikament selber einnimmt, muss dafür in der Regel keine Handschuhe anziehen.» Ein Kontakt mit Schleimhäuten sollte aber möglichst vermieden werden.

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