Expertin: Schleimerei im Job geht meist nach hinten los
Sind Anbiederungsversuche, wie jener von Nato-Chef Mark Rutte an US-Präsident Donald Trump auch in der Berufswelt sinnvoll? Laut einer Expertin eher nicht.

Das Wichtigste in Kürze
- Mark Rutte warb kürzlich beim Nato-Gipfel um die Gunst von US-Präsident Donald Trump.
- Für sein mutmassliches Einschleimen wurde der Nato-Generalsekretär kritisiert.
- In der Berufswelt kann Schleimerei zu Problemen führen.
Wie Nato-Generalsekretär Mark Rutte beim Gipfel in Den Haag um US-Präsident Donald Trump warb, empfanden manche als übertriebene Schleimerei.
Trump hatte kurz vor dem Beginn des Nato-Gipfels in Den Haag einen ganz besonderen Willkommensgruss erhalten. Diese eigentlich persönliche Nachricht hat er prompt veröffentlicht.

Wörtlich schrieb Rutte demnach: «Es war nicht einfach, aber wir haben sie alle dazu gebracht, die 5-Prozent-Zusage zu unterzeichnen! Donald, Du hast uns zu einem wirklich, wirklich wichtigen Moment für Amerika, Europa und die Welt geführt. Du wirst etwas erreichen, was kein amerikanischer Präsident seit Jahrzehnten erreicht hat.»
Rutte: «Ich habe ihn nicht ‹Daddy› genannt»
Die Schmeicheleien von Rutte sorgten für Kritik. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sah sich Rutte gar zu einer Reaktion veranlasst: «Ich habe ihn nicht ‹Daddy› genannt.»
Der Hintergrund: Trump hatte während einer Pressekonferenz Iran und Israel als «streitende Kinder» bezeichnet. Rutte kommentierte: «Dann muss ‹Daddy› manchmal eine harte Sprache benutzen.»
Auf die Frage, ob sein Verhalten gegenüber Trump nicht zu unterwürfig gewesen sei, sagte Rutte: «Geschmackssache.»
Manch jemand mit Karriereambitionen könnte auch auf die Idee kommen, sich beim Chef oder der Chefin einzuschleimen. Ist Schleimerei im Berufsleben eine gute Idee? Karriere-Coachin und Unternehmensberaterin Heidi Stopper zeichnet gegenüber dem «Spiegel» ein differenziertes Bild.
Im Job wird oft geschleimt
«So schlecht kann es nicht sein», erklärt sie. «Sonst würde es nicht so unglaublich häufig gemacht werden.»
Die Frage sei, warum wir uns anbiedern, so Expertin: «Wir versuchen anderen zu gefallen, um für uns selbst einen Vorteil zu bekommen. Das ist ein Phänomen, das Sie jeden Tag sehen können, egal wo.»
Laut Heidi Stopper hat dieses Phänomen verschiedene Gesichter. Es geht vom Kopieren von Verhaltensweisen bis zum Anpassen oder Unterdrücken der eigenen Meinung bei Abstimmungen.
Die Expertin sieht die Art der Unternehmenskultur als wichtig dafür, ob Schleimerei vorkommt oder nicht. In einer konfliktscheuen Atmosphäre, wo «der, der ein Problem auf den Tisch bringt, abgestraft wird, ist Schleimerei gang und gäbe. Lebt eine Führungskraft offen vor, dass man ihr sagen kann, was Sache ist, verfängt die Anbiederei viel weniger.»
Expertin: «Schleimerei geht immer nach hinten los»
Letztlich ist für die Coachin aber klar: «Schleimerei geht immer nach hinten los. Sie führt zu einer schlimmen Negativdynamik im Team, bei der alle untereinander Konkurrenten werden.»
Heidi Stopper hält eine solche Dynamik für gefährlich: «Wer in einer solchen Kultur erfolgreich ist, bleibt es nur, solange sich diese Kultur nicht ändert», erklärt sie. «Wenn kritische Punkte nicht offen vorgebracht werden können, türmen sich die Probleme auf – bis die Bombe irgendwann hochgeht.»