ETH-Forschende bauen mithilfe von Robotern und künstlicher Intelligenz (KI) eine architektonische Struktur nach dem Vorbild der sagenhaften «Hängenden Gärten von Babylon». Ab Sommer 2022 soll die Skulptur als Wahrzeichen den Tech Cluster Zug begrünen.
Eine graphische Darstellung der «Hängenden Gärten». (Pressbild)
Eine graphische Darstellung der «Hängenden Gärten». (Pressbild) - sda - Gramazio Kohler Research, ETH Zürich
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Das Wichtigste in Kürze

  • Matthias Kohler, Professor für Architektur und digitale Fabrikation an der ETH Zürich, nennt die Skulptur ein «Hochhaus für Pflanzen».

Wie Hochhäuser in Städten den Menschen eine Heimat bieten, wird die 22,5 Meter hohe Struktur, bestehend aus fünf vertikal angeordneten Schalen aus 51 bis 88 Holzplatten und getragen von acht schmalen Stahlstützen, ein Zuhause für einheimische Pflanze und Tiere sein.

Im «Immersive Design Lab» auf dem ETH Campus Hönggerberg präsentierte das am Projekt «Semiramis» beteiligte Team aus Forschung und Industrie den Entwurf der «Hängenden Gärten» am Dienstag den Medien.

Das Modell ist ein kreatives Werk, das Mensch und Maschine gleichsam ausgetüftelt haben. Die Forschenden speisten einen auf maschinellem Lernen basierenden Algorithmus mit Anforderungen, die die Struktur erfüllen soll. Dazu zählten unterschiedliche Anteile für Sonnen- und Regenschutz sowie bepflanzbarer Fläche. Als Resultat spukte das Programm unzählige Möglichkeiten für die Anordnung und Formen der Schalen aus - Varianten, die man ohne maschinelle Hilfe nie entdeckt hätte, sagte Kohler.

Anschliessend konnten die Forschenden im «Immersive Design Lab» in die Entwurfsvorschläge virtuell eintauchen. Die Modelle lassen sich drehen, man kann hineinzoomen und sie aus unterschiedlichen Perspektiven erkunden. Mit einem Klick erscheint eine neue Geometrie mit ähnlichen Zielgrössen für Sonnen- und Regenschutz sowie bepflanzbarer Fläche auf der Leinwand.

Zudem berücksichtigt eine neu entwickelte Software unter anderem, dass die Holzplatten nicht zu schwer werden und generiert die effizienteste und belastbarste Konfiguration der Schalengeometrie.

Das Vorgehen eröffnet gemäss dem Projektteam einen viel grösseren Gestaltungsspielraum als herkömmliche Entwurfsprozesse: Anstatt sich bereits früh auf einen bestimmten Entwurf festzulegen, kann dieser laufend angepasst werden. Der Mensch nehme aber nach wie vor eine zentrale Rolle ein, betonte ETH-Professor Kohler, etwa um die Ästhetik zu bewerten.

Der beste Entwurf wird derzeit im robotischen Fertigungslabor der ETH realisiert. Dort hängen vier Rotoberarme von der Decke, auf dem Boden liegen dreieckige Holzplatten. Im Gleichtakt ergreifen die Roboter die Platten, heben diese und führen sie gemäss dem Computerentwurf präzise zusammen. Es ist millimetergenaue Arbeit, denn die Platten dürfen während des Puzzlespiels nicht kollidieren.

Ganz ohne menschliche Handarbeit geht allerdings auch das Zusammensetzen nicht: Wo Geschicklichkeit gefragt ist, kommen Handwerkerinnen und Handwerker zum Zug, die beispielsweise die Platten mit einem speziellen Giessharz verleimen. Auch sei immer ein Zimmermann vor Ort, etwa um die Qualitätskontrolle sicherzustellen, sagte Projektleiterin Sarah Schneider während der Demonstration des robotischen Kunststücks.

Die fertigen Holzschalen bestehen jeweils aus zwei bis drei Segmenten, um sie leicht transportierten zu können. Laufend fahren Lastwagen diese nach Zug, wo das architektonische Wunderwerk im kommenden Frühjahr zusammengesetzt und schliesslich bepflanzt wird. Läuft alles nach Plan, werden die «Hängenden Gärten» ab Sommer 2022 den Hauptzugang zum Areal des Tech Clusters Zug schmücken.

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