Ehe aus Homo und Hetero – das kann funken
Der Mann von Modeschöpferin Diane von Fürstenberg ist schwul, schwärmt aber von seiner heterosexuellen Ehe. Fachpersonen klären auf.

Das Wichtigste in Kürze
- Barry Diller ist mit Diane von Fürstenberg glücklich, obwohl er auch Männer liebte.
- Beziehungscoach Esther Bischofberger ermuntert Paare zu einer Auslegeordnung.
- «Die wenigsten Personen sind nur heterosexuell oder homosexuell», so Pinkcross.
Diane von Fürstenberg und Barry Diller haben das Konzept der Ehe auf den Kopf gestellt. Der Mann der Star-Designerin outete sich kürzlich als schwul. Dennoch führte das seit 24 Jahren verheiratete Paar keine Zweckehe.
Er habe auch Männer gemocht, sagte der 83-jährige Unternehmer.
Aber dies hätte nicht im Widerspruch zu seiner Liebe zu seiner Frau gestanden. Seine Ehe bezeichnet er als «einzigartige und vollkommene Liebe».
«Liebes-Konzept» in der Ehe
Auch schwärmt er über die Designerin von einer «Explosion der Leidenschaft, die jahrelang anhielt».
Jetzt ist die Verwirrung komplett. Das LGBTQI-Lexikon macht die Sache nicht einfacher. Von Bisexualität über Pansexualität bis zu Heteroflexibilität liegt im Fall von Barry Diller alles drin.
Fachpersonen sehen wegen der aussergewöhnlichen Ehe aber kein Potenzial für einen neuen Eintrag ins LGBTQI-Lexikon.
Diller selbst hat sich nie als «schwul» oder «bisexuell» bezeichnet.
Glück in Ehe oder Beziehung bedeute nicht, dass man in die Schweizer Norm von Sexualität passe. Dies sagt Beziehungscoach Esther Bischofberger zu Nau.ch.
«Sondern, dass vor allem beide Partner mit ihrem ‹Liebes-Konzept› happy sind.» Die Kombinationen seien vielfältig.
«Unendlich viele Zwischenebenen»
Definitionen wie Heterosexualität oder Homosexualität bezeichnet Bischofberger als «Etiketten». Diese seien nichts anderes als die Definition für eine Phase der persönlichen Entwicklung nur in Sachen Liebe. «Selbstverständlich gibt es unendlich viele Zwischenebenen.»
Roman Heggli, Geschäftsleiter der Schwulenorganisation Pinkcross, teilt diese Ansicht.
Die sexuelle Orientierung sei ein Spektrum, sagt er. «Die wenigsten Personen sind ausschliesslich heterosexuell oder homosexuell.» Alle sollten aber selber entscheiden dürfen, welches Label für sie am passendsten sei.
Reden über Bedürfnisse sei wichtig
Paare ermuntert Esther Bischofberger, am Anfang ihrer Beziehung eine Auslegeordnung zu machen.
«Viele Partnerinnen und Partner trauen sich nicht, über ihre Bedürfnisse zu reden und holen sich die Erfüllung heimlich.» Wenn zwei Menschen öfters eine Auslegeordnung machten, könnten sie durchaus zu einem glücklicheren Paar werden.
«Und manchmal sogar glücklicher als solche, die 40 Jahre verheiratet sind und pseudo-händchenhaltend durch die Welt gehen.»
«Gestalten Sexualität flexibel»
Sexualtherapeutin Dania Schiftan kennt einige Paare, die eine vergleichbare Beziehung wie das Promipaar führen. «Sie gehören zusammen, haben sich aber darauf geeinigt, ihre Sexualität flexibel zu leben», sagt Schiftan.
Die Sexualität ist laut Schiftan vielschichtiger und dynamischer, «als wir es gerne hätten». Bereits die Kinsey-Studie aus den 50er-Jahre habe belegt, dass die Sexualität fluider sei als angenommen.
Der US-amerikanische Sexualforscher Alfred C. Kinsey entwickelte eine Skala, die aus fliessenden Übergängen zwischen Hetero- und Homosexualität besteht.
Gesellschaft drücke Stempel auf
«Es wäre deshalb falsch, der Beziehung von Barry Diller und Diane von Fürstenberg ein Label aufzukleben», sagt Schiftan.
Die Gesellschaft drückt laut der Sexualtherapeutin Beziehungsformen ständig irgendwelche Stempel auf. «Weil wir uns aus Sicherheit und Gewohnheit immer noch streng an Normen orientieren.»

Dies steht laut Schiftan im Widerspruch zur modernen Gesellschaft. Sonst im Leben dürften wir uns entwickeln und verändern. «Nur in der Sexualität haben wir das Gefühl, es gebe immer nur eine Antwort.»
Den schwulen Freund heiraten?
Gibt es demnach auch Hoffnung für unglücklich verliebte beste Freundinnen? Frauen, die in ihrem schwulen besten Freund den perfekten Ehemann sehen, haben schon einige Zeitschriften vollgejammert.
«Ich möchte den Frauen nicht zu viele Hoffnungen machen», sagt Roman Heggli. Viel eher sei das Beispiel des Promipaars ein Zeichen. Dies, für all diejenigen, die das Gefühl hätten, ausschliesslich homo oder hetero zu sein. «Wenn einem die Person begegnet, mit der man sein ganzes Leben verbringen möchte, ist das Geschlecht total egal.»