Nach Raketen und Bomben stellt sich die Frage: Wie steht es um den digitalen Krieg zwischen den USA und dem Iran? Cyberexperten ordnen ein.
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Kommt es zwischen dem Iran und den USA zum Cyberkrieg? - Pixabay/Keystone/Bildmontage
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Verhältnis zwischen dem Iran und den USA bleibt angespannt.
  • Cyberexperten erklären, wie gross die Gefahr eines digitalen Krieges ist.
  • Die Folgen könnten auch für Europa verheerend sein.

Seit die USA den iranischen General Kassem Soleimani exekutiert haben, beherrscht die Auseinandersetzung das Weltgeschehen. Der Iran attackierte mit Raketen US-Stützpunkte im Irak. Die Konfrontation nahm aber, wie von Experten vermutet, ein schnelles Ende.

Doch ein Aspekt des Konflikts kriegt beinahe keine Beachtung: Ein möglicher Cyberkrieg zwischen den Nationen.

Cyberangriffe «möglichst verdeckt»

Alberto Gomez, Oberassistent am Center for Security Studies der ETH Zürich, stellt zwar fest: «Aktuell findet kein Cyberkrieg zwischen den USA und dem Iran statt.» Doch hätten beide Nationen seit 2010 ihre Fähigkeiten für den digitalen Krieg aufgebaut.

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Miguel Alberto Gomez vom Center for Security Studies der ETH. - zVg

Auch Bernhard Tellenbach, IT-Sicherheitsexperte an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, sieht noch keine akute Gefahr. Cyberattacken mit klarer Verantwortlichkeit (USA oder Iran) dürften ausserhalb eines offenen Krieges «höchstens chirurgisch und möglichst verdeckt eingesetzt werden».

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Bernhard Tellenbach forscht an der ZHAW mit Schwerpunkt Information Security. - ZHAW

Doch zu denken, dass es deshalb keine Gefahr gäbe, sei naiv.

Auch andere Nationen könnten Cyberkrieg auslösen

Wie Tellenbach weiter ausführt, würden Cyberangriffe heute meist verdeckt erfolgen. «Zum Beispiel zu Spionagezwecken oder um später den ‹Fuss in der Tür› zu nutzen, um dann doch eine Bombe reinzuschmeissen.»

Ein offener Cyber-Angriff durch eine Regierungsstelle hält der Experte aktuell für relativ unwahrscheinlich. Vielmehr würde dieser anonym von Gruppen oder Institutionen, oder gar anderen Nationen erfolgen, die den Angriff dem Iran oder den USA in die Schuhe schieben möchten.

Gefahr vom «Cyberunwissen»

Ein konkretes Beispiel wäre Stuxnet, ein Computerwurm, welcher 2010 entdeckt wurde und das iranische Atomprogramm sabotierte. Gomez glaubt, «dass momentan das Risiko gering ist, dass ein möglicher Cyberkrieg zu längerfristigem physischem Schaden wie im Beispiel von Stuxnet führt».

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Irans Präsident Hassan Rohani beim Besuch des AKWs in Bushehr, Iran. In diesem Kraftwerk wurde Stuxnet gefunden. - Keystone

Denn: «Eine konventionelle Militäroperation wird günstiger sein als ein elaborierter Cyberangriff.» Jedoch könnte ein gewisses Unverständnis in Cyberbelangen die Situation verschärfen.

«Das Ungewisse bei solchen Operationen ist die Neuartigkeit und das begrenzte Wissen zu digitalen Themen von Staatsführen», sagt Gomez. So könnte beispielsweise eine Fehleinschätzung zu den Fähigkeiten des Gegners zu einer Eskalation führen.

Cyberkrieg würde auch Europa treffen

Doch was steht bei einem möglichen Cyberkrieg zwischen den beiden Staaten auf dem Spiel? Tellenbach von der ZHAW sagt deutlich: «Prinzipiell alles.» Denn: «Aus Sicht des Irans könnten Racheangriffe auf die US-Wirtschaft sowie auf Menschenleben, insbesondere auch Politiker und wichtige Militärs im Fokus stehen.»

Dies könne über Cyberattacken auf US-Firmen, Lahmlegen der Energieversorgung oder Kommunikationsinfrastruktur erreicht werden. Oder auch Hacken von Verkehrsinfrastruktur oder Medizinalgeräten.

Hacker USA
Ein Hackerangriff auf die USA hätte auch folgen für Europa. (Symbolbild) - Keystone

Auch Gomez sieht die Gefahr besonders in Angriffen auf Einrichtungen wie Spitäler. «Es scheint, als wären Angriffe bislang eine rote Linie, die keiner überschreiten möchte.» Doch das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran sei geprägt von Misstrauen und Unsicherheit.

Kommt es zu einem Cyberkrieg, hätte dies auch Folgen für Europa, schliesst Tellenbach ab. Beispielsweise ein Angriff auf amerikanische Firmen mit massivem Schaden für die US-Wirtschaft «hat sicher einen deutlichen Einfluss auf das Finanzsystem und somit Europa».

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