Der Bundesrat vollzieht einen Kurswechsel und wird erstmals präventiv gegen das Coronavirus aktiv. Experten rechnen mit einem langen Lockdown.
Coronavirus
Epidemiologe Andreas Cerny unterstützt die vom Bundesrat verschärften Massnahmen. - Keystone/Epatocentro Ticino
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bundesrat wagt eine Kehrtwende weg vom «Schweizer Weg».
  • Wegen der Briten-Mutation wurden zum zweiten Mal strenge Massnahmen erlassen.
  • Experten rechnen damit, dass diese länger als nur bis Ende Februar nötig sein werden.

Die altbekannte Push-Mitteilung am frühen Mittwochnachmittag gab eigentlich Anlass zur Hoffnung. 3001 Neuansteckungen mit dem Coronavirus meldete das BAG. Das ist viel, aber doch deutlich weniger als noch vor zwei Wochen. Wir sind auf gutem Weg, wird sich der eine oder andere gedacht haben.

Doch nur wenig später an diesem Mittwoch verschärfte der Bundesrat die Corona-Massnahmen in der Schweiz massiv. Die Mutationen des Coronavirus aus Grossbritannien setzt dem «Schweizer Weg» ein abruptes Ende. Für einmal wird nicht auf eine Verschlechterung der epidemiologischen Lage gewartet, sondern proaktiv gehandelt. Man habe zum ersten Mal einen «Wissensvorsprung», sagte Gesundheitsminister Alain Berset, und diesen gelte es auszunutzen.

Coronavirus Virologe Andreas Cerny
Andreas Cerny ist Virologe in der Privatklinik Moncucco in Lugano TI. - Screenshot SRF

Andreas Cerny begrüsst diese Massnahmen. «Die Fallzahlen sind über die Festtage nicht wie befürchtet angestiegen, was darauf hinweist, dass die Bevölkerung die Schutzmassnahmen beachtet hat.» Dies sagt der Epidemiologe auf Anfrage.

Die Infektionen mit dem Coronavirus seien aber noch zu hoch. «Das Ziel, sie alle 14 Tage um 50 Prozent zu senken, ist bisher nicht erreicht.»

Massnahmen wohl bis mindestens Frühling nötig

Wie lange die neuen Massnahmen nötig sind, hänge stark davon ab, ob und wie sich die neue Mutation verbreiten wird. Gelinge es, mit dem Lockdown die Verbreitung zu stoppen, hätten wir aber «sehr viel Glück» gehabt. Ein baldiges Ende der Massnahmen ist also noch nicht in Sicht.

Und das trotz kürzlich erfolgreich gestarteter Impfkampagne? Für viele Hoffnungsvolle symbolisiert sie das Licht am Ende des Lockdown-Tunnels. Doch Christoph Berger, Chef der Impfstoffkommission, erteilte kürzlich im «Tagesanzeiger»-Interview auch den Optimisten eine Absage.

Jetzt gehe es zuerst darum, dass die Spitäler und Intensivstationen weniger voll sind. Auch die Zahl der Todesfälle soll zurückgehen, indem man die Risikogruppen impft.

Christoph Berger Coronavirus Schweiz
Christoph Berger ist Präsident der Eidgenössischen Impfkommission. (Archivbild) - Screenshot/SRF

«Im ersten Quartal können wir die Fallzahlen mit der Impfung sicher nicht senken», ist Berger darum überzeugt. «Dafür haben wir zu wenige Impfdosen. Die Massnahmen dürfen deshalb in den kommenden Monaten nicht gelockert werden.»

Er plädierte auch für strengere Einschränkungen in Anbetracht der neuartigen Briten-Variante. Der Bundesrat gab ihm recht.

Die Mutanten des Coronavirus sind hier

Denn angekommen sind die Virusmutanten offenbar schon. «Zuerst wurden sie im Abwasser in verschieden Örtlichkeiten in der Schweiz Mitte Dezember nachgewiesen. Und jetzt haben wir die ersten Weiterverbreitungen in der Bevölkerung in Wengen beobachtet», sagt Cerny besorgt.

Virus Outbreak
In Grossbritannien zwingt eine neue Mutation des Coronavirus die Leute, daheim zu bleiben. Die ersten Fälle sind auch in der Schweiz bekannt geworden. - keystone

Wenn sich die Variante wie im Südosten Englands schnell verbreiten wird, sieht Cerny erneut schwierige Entscheidungen auf den Bundesrat zukommen.

«Ob und wie lange es geht bis die ansteckenderen Varianten das bisher zirkulierende Virus verdrängen, ist schwierig zu sagen. Aber wahrscheinlich wird das mehrere Wochen dauern. In England wurde die ersten Varianten im September festgestellt und so richtig los ging es Anfang Dezember.»

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