Das Coronavirus lässt Lockerungen zu. Doch die ersten Festivals der Schweiz sind abgeblasen - andere zögern noch. Klar ist: Besucher kriegen kaum Geld zurück.
Paléo Festival Nyon
Das Paléo Festival in Nyon. (Archivbild) - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Paléo, das Blue Balls und das Montreux Jazzfestival sind abgesagt.
  • Der Bundesrat lasse die Veranstalter im Stich, so Blue-Balls-Gründer Urs Leierer.
  • Auch der Branchenverband verlangt eine Planungssicherheit vom Bundesrat.

Wie so manches, ist auch der Festival-Sommer ungewiss. Manche Festivals informieren wegen des Coronavirus proaktiv auf ihrer Homepage. Andere überhaupt nicht. Gestern Donnerstag haben nun die ersten Schweizer Festivals die Reissleine gezogen. Das Paléo in Nyon, das grösste Festival der Schweiz, hat um ein Jahr verschoben. Das Blue Balls in Luzern gleich ganz abgesagt.

Heute zog auch das Jazzfestival in Montreux nach und verkündete in diesem Jahr «eine stille Küste».

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Das Paléo in Nyon ist abgesagt. - Screenshot Paléo

«Wir hatten keine andere Wahl, als wegen der aktuellen Lage unser 45. Festival auf 2021 zu verschieben», erklärt Dany Hassenstein, Programmverantwortlicher des Paléo-Festivals. Die Vorbereitungen seien blockiert und einzelne Künstler hätten bereits abgesagt. «Zudem hätte uns das Zuwarten täglich rund 8000 bis 10'000 Franken gekostet.»

Paléo-Programm wegen Coronavirus auf 2021 verschoben

Es sei ein schwerer Schlag für das Paléo. «Wir haben bereits über sieben Monate Vorbereitungszeit hinter uns, die uns etwa fünf bis sechs Millionen gekostet haben.»

Paléo-Programmverantwortlicher Dany Hassenstein.
Dany Hassenstein - Keystone

Den Künstlern biete man die Garantie auf einen Auftritt im nächstes Jahr. «Damit wollen wir auch die Künstler in dieser schwierigen Zeit unterstützen», erklärt Hassenstein.

Auch die Blue-Balls-Verantwortlichen haben nicht mehr daran geglaubt, dass nach diesem «Nicht-Entscheid» des Bundesrates eine Durchführung noch möglich sei. «Mit der Absage ist das nun gegessen und wir wissen wieder wohin die Reise geht», so Festivalleiter Urs Leierer.

Der Blue-Balls-Gründer ist der Meinung, dass auch andere Festivals bald verschieben oder absagen müssen. «Die Branchen-Krise ist ein globales Problem. Der internationale Markt bricht gerade komplett zusammen.»

Blue Balls Festival
Urs Leierer ist der Direktor des Blue Balls Festival. - Keystone

Das betreffe Künstler, Veranstalter und Ticketverkäufer gleichermassen. «Wir alleine haben seit Anfang Februar rund eine halbe Million Franken verloren.»

Auch müsse man sich als Veranstalter die Frage stellen, was Musiker überhaupt noch wahrnehmen könnten. Der Konzertmarkt sei kollabiert, das Reisen so gut wie nicht mehr möglich. Man müsse nun realistisch bleiben und gemeinsam Lösungen finden. «Anders geht das nicht.»

Planungssicherheit fehlt

Da der Bundesrat keine Entscheidung betreffend Konzerten und Festivals gefällt habe, lasse er «die gesamte Branche weiterhin in planungs- und handlungsunfähigem Zustand». «Das schadet dieser noch mehr, anstatt dass er klare Ansagen macht, zum Beispiel wie in Deutschland», nervt sich Leierer.

Das Paléo unterstütze ebenso die Forderung einer Planungssicherheit vom Bund. So wünscht sich Hassenstein beispielsweise «eine Garantie, höhere Gewalt auch nach Ende der Einschränkungsmassnahmen geltend zu machen».

Auch beim Branchenverband SMPA wünscht man sich - auch wegen dem Publikum - eine Rechts- und Planungssicherheit. Zudem wolle man eine «rasche verbindliche Aussage, welche Grösse von Veranstaltungen bis Ende Juli stattfinden können». Dies erklärt Geschäftsführer Stefan Breitenmoser.

Festival
Stefan Breitenmoser vom Branchenverband der professionellen Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveranstalter. - SMPA

Momentan äussere sich der Bund «quasi von Woche zu Woche», und nicht wie in anderen Ländern über einen längeren Zeitraum. Die SMPA Fordere dies seit Anfang April auch vom Schweizer Bund.

In Grundsatz mache es für Festivals, die bis Ende Juli stattfinden, wenig Sinn, an der Durchführung festzuhalten. Einerseits wegen tiefen Ticketverkäufen aber auch weil internationale Künstler kaum anreisen könnten.

Doch sei es auch eine rechtliche Frage. «Solange das Veranstaltungsverbot nicht offiziell ausgesprochen ist, ist es unsicher, ob unter 'höherer Gewalt' abgesagt werden kann. Dies könnte Forderungen Dritter nach sich ziehen.»

Ticketrückerstattung «den Fans schuldig»

Während beim Paléo-Festival die Tickets ihre Gültigkeit für die Austragung 2021 behalten, hat man sich beim Blue Balls entschlossen, die Tickets zurückzuerstatten. «Weil wir keine Leistung erbracht haben, ist es für uns klar, dass wir das Geld den Besuchern zurückzahlen. Das sind wir unseren Gästen und den Fans der Künstler schuldig», betont Leierer.

Doch bestehe natürlich auch die Möglichkeit, das Ticket zu spenden und somit das Festival zu unterstützen.

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Das Blue Balls in Luzern ist abgesagt. - Screenshot Blue Balls

Beim Branchenverband heisst es, dass man gemeinsam mit den Mitgliedern festgelegt habe, dass den Ticketinhabern einen angemessenen Gegenwert für bereits gekaufte Tickets geboten werden soll. Bei einer Verschiebung sollen etwa Billette für die kommende Ausgabe ausgestellt werden.

Auch die Rückerstattung gehört bei abgesagten Veranstaltungen nach wie vor zu den Empfehlungen des Verbandes. Ticketbesitzer können sich aber auch solidarisch zeigen und im Rückerstattungsprozess immerhin einen Teil des Ticketpreises spenden.

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