Chefredaktor Charles Martig von Kath.ch tritt zurück. Mit dem Umgang der Bischöfe mit der Missbrauchskrise kann er sich nicht mehr identifizieren.
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Ein Mann hält einen Rosenkranz. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Charles Martig fordert die Schweizer Bischöfe zum Rücktritt auf.
  • Mit der Missbrauchskrise seien diese bis heute nicht richtig umgegangen.
  • Stattdessen versuche man, die unabhängige Berichterstattung zu beeinflussen.
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Seit 2015 ist Charles Martig Chefredaktor des katholischen Medienportals Kath.ch. Aufgabe des Portals ist es, die katholische Kirche mit unabhängigem Journalismus sichtbarer zu machen. In Fällen wie dem aufgedeckten Missbrauch an Kindern berichtete die Nachrichtenseite ebenso offen und kritisch.

Für Charles Martig als Direktor und Chefredaktor ist die öffentliche Diskussion über Probleme in der Kirche wichtig. Im Missbrauchsskandal habe die katholische Kirche jedoch bisher nicht ausreichend reagiert. Stattdessen versuchten Entscheidungsträger der Kirche, die Berichterstattung zu beeinflussen, äussert Martig laut der «NZZ».

1002 Missbrauchsfälle – über die nicht geredet wird

Seinen Rücktritt, den er bereits im November 2023 verkündete, begründe er vor allem wegen fehlender Reaktion der Verantwortungsträger beim Missbrauchsskandal. Im September 2023 veröffentlichten Historikerinnen der Universität Zürich Studien bezüglich des sexuellen Missbrauchs innerhalb der katholischen Kirche. Ihre Untersuchungen verwiesen auf 1002 Missbrauchsfälle. Für die Kirche war das deutlich mehr als bisher vermutet.

Bereits im Jahr 2018 kritisierte Alain de Raemy, der Weihbischof für Genf, Freiburg und Lausanne, die Berichterstattung des Medienportals: Laut Martig habe er bei einer Sitzung gefragt, warum so oft über Missbrauch in der Kirche berichtet werde. Die Jugendlichen, mit denen der Bischof arbeite, würde das Thema nicht interessieren.

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Alain de Raemy kritisierte die häufige Berichterstattung über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. (Archivbild) - keystone

Im Zuge seiner Abschiedsrede am Dienstag forderte Charles Martig den Rücktritt aller Schweizer Bischöfe und unterstrich: «Die Rücktrittsforderung an alle Bischöfe der Schweiz ist berechtigt. Sie haben sich als unfähig erwiesen, die Kirche durch die Krise zu führen.»

Bischöfe zeigen wenig Verständnis für Berichterstattung

Der Chefredaktor selbst findet sich in dem Lied «Losing my Religion» wieder, wie er anmerkt. Statt auf verängstigte und verunsicherte Kirchenmitglieder zuzugehen, gab es bei der Schweizer Bischofskonferenz kaum Verständnis für unabhängige und kritische Berichterstattung. Martig äussert, «es gab bis vor zwei Jahren noch eine leise Hoffnung, dass diese römisch-katholische Kirche sich retten kann». Doch nun sei ihm «dieser Funke vollständig abhandengekommen».

Die Redaktorin Annalena Müller betreute das Missbrauchsdossier. Auch recherchierte sie bezüglich der jungfräulichen Geburt durch Maria. In einer Artikelserie schrieb sie, für die Jungfrauengeburt gebe es weder biologisch-medizinische noch historisch-kulturelle Argumente.

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Josef Stübi legte sein Veto gegenüber Annalena Müller ein. (Archivbild) - keystone

Die rechtskatholische Bewegung Pro Ecclesia startete daraufhin eine Petition mit der Begründung: Die Artikel würden jeden gläubigen Katholiken verletzen und seien «eine Schmähung der Gottesmutter».

Annalena Müller hätte eigentlich die Nachfolge von Martig antreten sollen. Josef Stübi, der Weihbischof von Basel, legte jedoch sein Veto ein.

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