Campieren statt mieten – Politiker von links bis rechts alarmiert
Die Wohnkrise treibt Wohnungssuchende vermehrt auf Campingplätze. Nationalräte von SP und SVP sind sich einig, dass sich etwas ändern muss.

Das Wichtigste in Kürze
- Politikern bereitet Sorgen, dass Wohnungssuchende auf Campings ausweichen müssen.
- SP-Nationalrätin Linda De Ventura sieht das Übel in der bürgerlichen Politik.
- SVP-Nationalrat Markus Schnyder verteidigt «angemessene» Renditen.
Gross ist die Vorfreude, die Sommerferien bald wieder auf einem Campingplatz verbringen zu können. Für manche Schweizerinnen und Schweizer ist das Leben in einem Wohnwagen jedoch ein Dauerzustand – allerdings unfreiwillig.
In der Stadt Zürich etwa sind die Mietpreise in den letzten 20 Jahren um 40 Prozent in die Höhe geschossen. 2024 sind sie schweizweit laut einer Studie des Beratungsunternehmens IAZI im Schnitt um 4,5 Prozent gestiegen.
Der Campingplatz wird deshalb zunehmend zur Wohnalternative.
«Plätze zur Dauermiete stellen in der heutigen Zeit ein echtes Bedürfnis der Schweizer Bevölkerung dar.» Dies sagte Basil Tulinski, Organisator auf dem Campingplatz Schützenweiher in Winterthur ZH. Vor allem in den letzten fünf Jahren falle dieser Trend auf.
Günstiger wohnen auf deutschem Camping
Manche älteren Gäste wohnen auf dem Campingplatz, weil die Rente für eine Wohnung in Stadtnähe nicht ausreicht. Dafür gehen sie auch über die Grenze.
Etwa der Campingplatz in Jestetten (D) ist beliebt. Dort profitieren Schweizer Dauer-Camper von tieferen Platzmieten. Auch sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland wesentlich niedriger.
Schweizer Nationalrätinnen und -räten von links bis rechts bereitet dieser Trend Sorgen.
«Ein riesiger Skandal»
Linda De Ventura ist SP-Nationalrätin und Präsidentin des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schaffhausen.
Die Wohnungskrise zwinge Menschen in der Schweiz auf Campingplätze, sagt De Ventura. «Sozial- und finanzpolitisch ist dies ein riesiger Skandal.» Sozialpolitisch handle es sich um einen der grössten Missstände.
Für die Betroffenen sei die Situation ein riesiger Frust, sagt die Schaffhauserin. «Obwohl sie arbeiten, können sie sich die Miete für eine Wohnung nicht mehr leisten.» In einer unangenehmen Lage steckten zudem die Menschen, die noch eine Wohnung hätten.
«Immer höhere Wohn- und Nebenkosten führen dazu, dass sie mit dem Bezahlen der Miete ständig im Stress sind.» So wüssten sie nicht, wie lange sie sich ihre Wohnung noch leisten könnten.
«Wie halbe Nomaden leben»
Die Wohnungsnot-Camper stimmen auch den Glarner SVP-Nationalrat Markus Schnyder nachdenklich.
«Es darf nicht sein, dass Menschen in der Schweiz wie halbe Nomaden leben müssen», sagt er.
Linda De Ventura sieht das Übel in der bürgerlichen Politik. Von rechts bis zur Mitte verkenne Bundesbern die Sorgen und Nöte der Menschen, sagt sie. «So will die Mehrheit im Parlament nicht dafür sorgen, dass die gerichtlich festgelegten Renditen von den Immobilienkonzernen eingehalten werden müssen.»
Initiative gegen zu hohe Mieten
Hoffnung setzt die SP-Nationalrätin in die Mietpreis-Initiative. Die Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz will mit einem Verfassungsartikel gegen missbräuchlich zu hohe Mieten vorgehen.
«Leider ist die Initiative der einzige Weg aus der Wohnungskrise», sagt De Ventura. Sie sei überzeugt, dass den Bürgerinnen und Bürgern bezahlbares Wohnen wichtig sei. Dies im Gegensatz zu der Mehrheit der «Menschen im Bundeshaus».
Markus Schnyder sieht das Problem jedoch nicht in der Höhe der Mieten, sondern im fehlenden Wohnraum. «Mehr und günstigerer Wohnraum können geschaffen werden, wenn wir die Zuwanderung bremsen», sagt er. Die SVP lancierte deshalb die Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz».
«Beschwerden sind zum Volkssport geworden»
Schnyder führt im Kanton Glarus ein Immobilienunternehmen. Ein weiteres Problem sieht er in den Bewilligungsprozessen bei Baugesuchen. «Es ist zum Volkssport geworden, Beschwerden gegen Bauprojekte einzulegen.»
Oft reichten fadenscheinige Gründe dafür aus. Als Beispiel erwähnt er Mehrverkehr, die Aussicht und die Wohnhygiene. «Mit vereinfachten Bewilligungsprozessen könnte man viel schneller mehr Wohnraum schaffen.»
Den Vorwurf, die Sorgen und Nöte der Menschen zu verkennen, weist der SVP-Nationalrat zurück. «Eher verkennt die Linke, dass Immobilien für viele Leute wichtige Kapitalanlagen sind.» Wenn man als Eigentümer seine Immobilie in Schuss halten wolle, sei eine angemessene Rendite nötig.