Busse statt Hilfe: ZVV-Kontrolleure bringen Mami im Bus zum Weinen
Eine Frau hilft einer älteren Person beim Einsteigen. Sie hat danach keine Zeit mehr, ein Ticket zu lösen. Die Folge: Eine Busse in der Höhe von 100 Franken.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine junge Frau hilft einer älteren Dame beim Einsteigen in den Bus.
- Gleichzeitig jongliert die Frau mit Kinderwagen und kommt nicht zum Lösen des Tickets.
- Trotzdem kassiert sie eine Busse und wird von den Kontrolleuren zum Weinen gebracht.
Ungerechte Behandlung von Fahrgästen beim Zürcher Verkehrsbund ZVV? Eine Leserin erhebt gegenüber Nau.ch schwere Anschuldigungen gegen drei ZVV-Kontrolleure.
Meilen ZH am Freitagmittag: Julia M.* kommt mit ihrer Tochter von einem Kinderarzttermin und will mit dem Bus der Linie 921 nach Hause fahren. An der Haltestelle Feldmeilen Zentrum kommt sie mit einer älteren Frau mit Gehhilfen ins Gespräch.
Als der Bus heranfährt, hilft Julia der älteren Frau beim Einsteigen. Obwohl sie mit ihrem Kinderwagen und der neunmonatigen Tochter bereits alle Hände voll zu tun hat. Und obwohl sich im Innern des Busses drei ZVV-Kontrolleure befinden.
Keine Hilfe angeboten
Die Kontrolleure bieten aber weder Julia noch der älteren Dame Hilfe an. Der Bus fährt los, noch bevor die ältere Frau mit Gehhilfen auf ihren Sitz Platz nehmen kann. Julia stützt die Dame also, in der anderen Hand den Kinderwagen.
Klar, kann Julia nicht gleichzeitig auch noch das Ticket lösen. Das will sie nachholen, sobald die ältere Frau auf ihrem Sitz angekommen ist. Nicht beim Busfahrer, weil der Bus ja bereits weitergefahren ist, sondern auf einer App.
Ihr Kind nimmt sie inzwischen auf den Arm, weil der Kinderwagen noch nicht richtig platziert ist. Doch nun passiert's: Die Kontrolleure, die zuvor weder Julia noch der älteren Dame haben helfen wollen, möchten nun das Ticket sehen.
«Nun hören Sie sofort mit Weinen auf!»
Natürlich kann Julia dieses noch nicht vorweisen. Sie erklärt den Kontrolleuren die Situation. Diese antworten aber lapidar: «Wir haben die Situation schon beobachtet, das ist aber keine Rechtfertigung.» Und stellen die Busse aus: 100 Franken.
Aus Überforderung und wohl auch wegen der Ungerechtigkeit beginnt Julia zu weinen. Worauf der Kontrolleur meint: «Nun hören Sie aber sofort mit Weinen auf und beruhigen sich. Atmen Sie tief ein und aus. Oder sollen wir Ihnen etwa eine Ambulanz holen?»
Julia, davor immer noch mit ihrem Säugling auf dem Arm stehend, setzt sich nun völlig aufgelöst auf den Boden. Bei der nächsten Station, Meilen Eichholz, sagt einer der drei Kontrolleure aggressiv: «Nun aber raus mit Ihnen!» – und befördert Julias Kinderwagen aufs Trottoir.
Dabei fällt ein Teil von Julias Einkäufen noch im Bus auf den Boden. Der Kontrolleur nimmt Salat und Datteln auf und wirft sie einfach raus auf die Strasse. Der Bus fährt mit den Kontrolleuren weiter, Julia steht mit Kind und Wagen und Einkäufen völlig aufgelöst da.
Was hält der Zürcher Verkehrsverbund von Vorgehen und Reaktion seiner Kontrolleure? «Selbstverständlich ist es dem ZVV ein Anliegen, dass alle Kontrollen korrekt erfolgen», sagt eine Sprecherin auf Anfrage von Nau.ch.
Auf den konkreten Fall in Meilen wollte die Sprecherin indes nicht eingehen. Denn: «Die Medienstelle hat aus Datenschutzgründen keine Einsicht ins System.» Daher könne die Situation nicht abschliessend beurteilt werden.
Busse auf 30 Franken reduziert
Grundsätzlich hätten alle Fahrgäste, die mit einer Busse nicht einverstanden sind, die Möglichkeit, sich an den Kundendienst zu wenden. Als nächste Instanz wäre die Inkassostelle zuständig. Dort werde jeder Fall dann individuell geprüft.
Diesen Schritt hat Julia M. bereits vollzogen. Telefonisch wurde ihr beschieden, dass man das Vorgehen und Verhalten der Kontrolleure nicht nachvollziehen könne. Aus «Kulanz» hat man die Busse daher auf 30 Franken reduziert.
Für Julia nur ein kleiner Trost. Das Gefühl der ungerechten Behandlung bleibt. Und wohl für einige Zeit noch ein mulmiges Gefühl beim Einsteigen in den nächsten Bus.
* Name von der Redaktion geändert.