Der Fachkräftemangel hat sich in der Schweiz im Zuge der Coronakrise zugespitzt. Das spüren die Arbeitgeber an vorderste Front. Sie wollen das inländische Arbeitskräftepotenzial künftig besser nutzen, etwa jenes der Frauen oder der älteren Arbeitnehmenden.
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Ein Angestellter in einem Büro. (Symbolbild) - keystone

Am jährlichen Arbeitgebertag stand am Donnerstag in Bern der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften im Fokus.

Dieses Problem werde sich noch verschärfen, warnte Roland Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV). Schliesslich sei aufgrund der demografischen Alterung bis 2050 mit einer Fachkräftelücke von gegen 1,3 Millionen Personen zu rechnen.

Mit diesem Engpass vor Augen wollen die Arbeitgeber das Potenzial am Arbeitsmarkt künftig noch besser nutzen. Laut Müller richtet der Verband in seinen Bemühungen das Augenmerk auf die Frauen und da insbesondere auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es brauche unter anderem ein breiteres und finanziell attraktiveres Drittbetreuungsangebot sowie den Abbau von Fehlanreizen bei den Steuern.

Ein grosses Potenzial liege auch bei älteren Menschen, machte Müller klar. «Für ältere Arbeitnehmende ist es zentral, dass die Arbeitsmarktfähigkeit erhalten und gefördert wird.» Zu diesem Zweck habe der SAV das Arbeitgebernetzwerk «focus50plus» lanciert.

«Die Coronakrise hat den Arbeitgebern viele Verbesserungsbereiche aufgezeigt. Diese Chance dürfen wir nicht ungenutzt lassen», sagte SAV-Präsident Valentin Vogt in seiner Rede zum Auftakt des Arbeitgebertags. Doch nun bremse mit dem Ukraine-Krieg eine neue, aus geopolitischer Sicht weit dramatischere Krise den wirtschaftlichen Aufschwung.

Der Krieg sei für die Wirtschaft einschneidend, etwa im Welthandel oder in der Energieversorgung, sagte Vogt. Die von der Schweiz im Gleichschritt mit der EU ergriffenen Sanktionen gegen Russland sei das richtige Vorgehen in dieser Krise und lasse sich mit der Neutralität vereinbaren, ist er überzeugt.

Ein grosses Problem für die Menschen und die Firmen sei die stark anziehende Teuerung, auch wenn sie im Vergleich mit dem Ausland hierzulande moderater ausfalle. Die Schweizerische Nationalbank habe mit einem mutigen Schritt die Zinsen erhöht und damit den Kampf gegen die Inflation aufgenommen, lobte Vogt.

Kritisch äusserte sich der SAV-Präsident dagegen zu den mit dem Inflationstrend aufgekommenen Lohnforderungen der Gewerkschaften. «Sie vergessen, dass die Nominallöhne in den letzten zehn Jahren stiegen, die Teuerung dagegen bei null oder über eine längere Phase sogar negativ war.»

In seinem Tour d'Horizon zur politischen Lage in der Schweiz, forderte Vogt ausserdem einen neuen Anlauf in den Verhandlungen mit der EU, denn die steckten in einer Sackgasse. Es sei zu hoffen, dass der Bundesrat den bilateralen Weg mit der EU weiterentwickle und dies nicht auf nach den eidgenössischen Wahlen 2023 verschiebe.

Bezüglich Altersvorsorge richtete Vogt einen Appell an das Schweizer Stimmvolk, der AHV-Reform am 25. September zuzustimmen. Nach der jahrzehntelangen politischen Blockade und mehreren gescheiterten Reformvorhaben sei die Abstimmung von grosser Wichtigkeit für die Stabilität des Vorsorgesystems, so Vogt. Die Reform beinhaltet die Angleichung des Frauenrentenalters an jenes der Männer auf 65 Jahre und höhere Mehrwertsteuerbeiträge.

Die Erhöhung des Rentenalters stelle für die Frauen finanziell in praktisch allen Fällen eine Verbesserung dar, erklärte Vogt. Denn es erhöhten sich nicht nur die Beiträge an die AHV, sondern auch jene in die berufliche Vorsorge. Diesem Punkt werde zu wenig Beachtung geschenkt. Es brauche auch eine Flexibilisierung des Rentenalters. «Langfristig führt aber kein Weg an einer Diskussion über eine generelle Erhöhung des Rentenalters vorbei», ist Vogt überzeugt.

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