Analog ist im Trend: Darum boomen Kameras, Plattenspieler und Co.
Bei jüngeren Menschen liegt analoge Technologie – also analoge Kameras, Plattenspieler und Klapphandys – im Trend. Warum ist das so?

Das Wichtigste in Kürze
- Analogfotografie, Schallplatten, Walkmans und «Klapphandys» liegen im Trend.
- Dies vor allem bei jüngeren Menschen.
- Sie schaffen sich so «Freiräume» von der digitalen Welt.
In der Schweiz ist die Digitalisierung in vollem Gang.
Das zeigte sich auch an der letzten eidgenössischen Abstimmung. Dort wurde die E-ID vom Volk – wenn auch sehr knapp – angenommen.
Doch zur fortschreitenden Digitalisierung gesellt sich auch ein Gegentrend. Immer mehr jüngere Menschen setzen auf analoge Technologie.
Social Media als «Zeitfresser»
Das zeigte vor Kurzem auch eine Dokumentation von SRF. Dort sprachen Menschen über ihre Liebe zu Schallplatten und Analogkameras.
Der Berner Rapper Migo erklärt in der Doku des Formats «Rec» sogar, dass er kein Smartphone besitzt. Und stattdessen lieber auf ein «Klapphandy» setzt.
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Denn er habe keine Zeit für Sachen wie Social Media. «Wenn ich nicht arbeite, habe ich Lust, etwas zu lesen oder etwas zu unternehmen.» Da seien Soziale Medien nur «ein Zeitfresser».
«Dreimal mehr als im Vorjahreszeitraum»
Dass der Trend wieder mehr hin zu analogen Produkten geht, berichten gegenüber Nau.ch auch die beiden grossen Onlinehändler Digitec Galaxus und Brack.
Digitec-Galaxus-Sprecher Tobias Heller berichtet: «Unsere Kundschaft kaufte sich dieses Jahr schon dreimal mehr Schallplatten als im Vorjahreszeitraum.» Auch bei den Plattenspielern sei ein Plus zu verzeichnen.
Das Gleiche sehe man auch bei MP3-Playern, Discmans und Walkmans. Dort spreche man von einem Absatzwachstum von 30 Prozent.
Und Brack-Sprecher Lukas Keller erklärt: «Das grösste Wachstum sehen wir im Bereich der Sofortbildkameras. Hier verkaufen wir rund 25 Prozent mehr als noch im Vorjahr.»
Einzig Mediamarkt kann keinen Trend feststellen. Es gebe bei gewissen Produkten zwar wiederkehrendes Interesse. Aber «ohne erkennbaren nachhaltigen Aufwärtstrend».
Grosse Nachfrage führt zu Annahmestopp
Kaum vor dem grossen Ansturm retten kann sich derweil das Traditionsgeschäft Foto Zumstein in Bern. Geschäftsleiter Mario Wüest erzählt gegenüber Nau.ch: «Alleine in unserem Hauptgeschäft in Bern entwickeln wir mittlerweile über 100 Filme pro Tag.»
«Die Nachfrage war in den letzten Monaten so gross» so Wüest, «dass wir für den Oktober einen Annahmestopp verhängen mussten». Derzeit arbeite man daran, die Kapazitäten weiter auszubauen.
«Der Grossteil der analog fotografierenden Kundinnen und Kunden sind jüngere Menschen, die als Digital Natives aufgewachsen sind. Für sie ist der analoge Prozess eine spannende Neuentdeckung», berichtet Wüest.
Doch warum fahren – besonders jüngere Menschen – gerade so auf analoge Technologien ab?
«Viele schätzen die Überraschung»
Der Geschäftsleiter von Foto Zumstein erklärt: «Die analoge Fotografie hat eine entschleunigende Wirkung.»
Kunden würden berichten, dass sie bewusster fotografieren und dadurch auch ihre Umgebung intensiver wahrnehmen würden.
Und: «Viele schätzen die Überraschung, wie die Bilder am Ende aussehen, ohne stundenlange Bearbeitung am Computer.»
In einer Zeit, in der Bildschirmzeit dominiere, würden viele Kunden bewusst nach analogen Erlebnissen suchen.
Junge suchen nach Individualität und analogen Erlebnissen
Das bestätigt gegenüber Nau.ch auch Generationenforscher Rüdiger Maas: «Insgesamt sehen wir in vielen Bereichen einen Trend, sich ‹Freiräume› aus der digitalen Welt zu schaffen.»
Vielen jungen Menschen fehle, da sie aus der digitalen Welt kommen würden, das analoge Erlebnis. Ein Grund dafür: «Digital ist vieles austauschbarer und infolge auch stärker entwertet.»
Junge Menschen würden «nach Individualität und einem alternativen Lebensstil» suchen, so Maas. Man nutze analoge Technologie auch, um sich von der Masse abzuheben.