Alle Angestellten sollen fünf Wochen Ferien bekommen
Reinigungskräfte oder Coiffeusen müssen nach wie vor mit vier Wochen Ferien auskommen. Alt SP-Ständerat Paul Rechsteiner will dies ändern.

Das Wichtigste in Kürze
- «Fünf Wochen Ferien im Jahr sind nicht mehr als Anstand», findet Paul Rechsteiner.
- SP-Ständerat Baptiste Hurni hofft auf eine Volksinitiative.
- FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann befürchtet «eine Wohlstandskrise».
Zwei Wochen Sommerferien können bittersüss sein. Dies ist der Fall, wenn sie gleich die Hälfte des Ferienkontos wegfressen.
Tatsächlich gewähren gewisse Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden lediglich das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von vier Wochen Ferien. Dies zeigt eine Auswertung der Unia für Nau.ch.
Etwa Reinigungskräfte, Bäckereiangestellte, Securitys, Angestellte im Autogewerbe sowie Malerinnen und Maler haben oft nur vier Wochen Ferien pro Jahr. Auch Coiffeusen, Angestellte in Callcentern und der Land- und Forstwirtschaft müssen sich mit weniger als fünf Wochen begnügen.
Im Schnitt hatten Vollzeitangestellte zwischen 20 und 49 Jahren 2024 laut BFS dagegen fünf Ferienwochen. Bei den 15- bis 19-Jährigen waren es 5,5 Wochen. An der Spitze standen die 50- bis 64-Jährigen mit 5,6 Wochen.
«Nicht mehr als Anstand»
Paul Rechsteiner, ehemaliger SP-Ständerat und früherer Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), will dies ändern. «Fünf Wochen Ferien im Jahr sind nicht mehr als Anstand», schreibt er in einem Gastbeitrag des SGB.
Zunehmend begegnet er Leuten, die sich daran stören, immer nur vier Wochen Ferien im Jahr zu haben. Beim Lohn sei es vorwärtsgegangen, schreibt Rechsteiner. Bei den Ferien habe sich aber seit Jahrzehnten nichts bewegt.
Fünf Wochen hält Rechsteiner auch wegen des gestiegenen Stresses und der hohen Anforderung bei der Arbeit für notwendig. «Vier Wochen sind rasch aufgebraucht. Erst recht bei Familien mit Kindern.»
«Ausgepumpt sein»
Das Gesamtvolumen der geleisteten Wochenarbeitsstunden im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung belegt die Arbeitsbelastung eines Landes.
Die Schweiz gehört in dieser Statistik mit 22 Stunden und 47 Minuten zu den Ländern mit der längsten wöchentlichen Arbeitszeit. Die längste Arbeitszeit weist Island mit 25 Stunden und die kürzeste Italien mit 16 Stunden auf.
Die Arbeitszeiten in der Schweiz seien im europäischen Vergleich immer noch sehr hoch, sagt Paul Rechsteiner zu Nau.ch. «Es braucht ein Gegengewicht dazu.»
Die Produktivität sei gestiegen und der Stress nehme zu. «Niemand will arbeiten gehen, um am Schluss ausgepumpt zu sein.»

Das höhere Ferienkonto hat für den Gewerkschafter nichts mit Faulheit zu tun. Das Engagement habe stattdessen zugenommen. «Ich erlebe wenige Leute, die ihre Arbeit als Bullshit-Job empfinden.»
«Wenig Ferien und tiefe Löhne»
SP-Ständerat Baptiste Hurni scheiterte 2023 im Nationalrat mit einer ähnlichen Forderung. Sein Vorstoss verlangte für Angestellte ein Anrecht von mindestens fünf Wochen Ferien. Aufgegeben hat Hurni sein Anliegen deswegen aber noch nicht. «Ich bin nach wie vor überzeugt, dass fünf Wochen für alle Angestellten zeitgemäss sind», sagt er.
Mitarbeitende können laut Hurni aufgrund von Homeoffice und ständiger Erreichbarkeit schlechter abschalten. «Die Produktivität der Angestellten steigt zunehmend.»
Dass nicht für alle Angestellten gleich lange Spiesse gelten, hält Hurni für doppelt unfair. «Denn oft haben Arbeitnehmende, die nur vier Wochen Ferien haben, auch noch tiefe Löhne.»
Chancen für eine zusätzliche Ferienwoche sieht er in Form einer Volksinitiative. «Ich hoffe, dass eine solche Initiative mit den Gewerkschaften in den nächsten Jahren zustande kommt.»
«Luxusforderungen»
Bei FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann haben fünf Wochen Ferien keine Chance. «Diese Luxusforderungen von linken Seiten muss letztlich jemand bezahlen», sagt er.
Diejenigen Sektoren, die es sich leisten könnten, gewährten bereits fünf Wochen Ferien. Dies liege auch in der unternehmerischen Freiheit.
Die Tendenzen gehen laut Portmann heute in eine andere Richtung. Etwa in Dänemark steige das Rentenalter auf 70 Jahre. Auch die Schweiz kämpfe mit Fachkräftemangel und der Finanzierung der Altersvorsorge. «Mehr Ferien treiben unser Land früher oder später in eine Wohlstandskrise.»
Dass eine Reinigungskraft mit weniger Ferien auskommen muss als ein Büroangestellter, findet Portmann nicht unfair. «In den 70er-Jahren hatten Arbeitnehmende sogar nur drei Wochen Ferien.»
Zudem mache der Staat heute viel für die Kinderbetreuung. Für die Betreuung ihrer Kinder hätten Angestellte deshalb auf keinen Fall mehr Ferien nötig.
Effektive Ferienzeit habe zugenommen
Arbeitgeber lehnen die Forderung «entschieden ab». Dies teilt der Schweizerische Arbeitgeberverband mit.
Die durchschnittliche effektive Ferienzeit habe in den letzten Jahren bereits zugenommen, sagt Mediensprecher Jonas Lehner.
Dieser Umstand ist gemäss Lehner nicht zuletzt auf betriebliche Vereinbarungen und Gesamtarbeitsverträge zurückzuführen. «Welche bereits heute grosszügige Regelungen ermöglichen – differenziert und bedarfsgerecht.»
Es drohten höhere Kosten
Ein gesetzlicher Eingriff hingegen würde die betriebliche Flexibilität einschränken, sagt Lehner. Zudem würden als Folge von Stellvertreterreglungen und erhöhter Organisation von längeren Absenzen mehr Organisationskosten anfallen.
«Diese wären vor allem für kleinere Unternehmen nicht leicht zu schultern.»
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hänge zudem nicht allein von der Anzahl Ferientage ab. «Sondern vielmehr von vielfältigen betrieblichen Lösungen wie der Teilzeitarbeit und flexiblen Arbeitsmodellen.»