Neue Berner App: Wenn der Puls rast und man nicht weiss, wohin
Plötzlich Schwindel, Herzrasen, Panik – was tun? Die neue Web-App «Notfall-Finder» hilft, den Ernst der Lage einzuschätzen und Spitäler in der Nähe zu finden.

Es ist ein gewöhnlicher Samstagabend, als es Corinne beim Abendessen mit ihrer Familie plötzlich schwindlig wird. Ihr Herz rast, die Brust zieht und Panik steigt auf. «Soll ich ins Spital?», fragt sie ihren Mann. «Oder doch lieber warten?»
Genau für solche Fälle wurde die neue Web-App «Notfall-Finder» ins Leben gerufen. In dieser Situation kann Corinne nun ihr Smartphone zücken und nach ein paar Fragen zu ihren momentanen Symptomen bekommt sie eine Einschätzung, ob ein akuter Notfall vorliegt oder die ärztliche Kontrolle noch warten kann.
Eine Karte zeigt zudem die umliegenden Spitäler und Notfallpraxen samt ihrer aktuellen Auslastung an.
Die neue Notfall-Finder-App
Seit dem 21. Oktober 2025 steht der «Notfall-Finder» allen Menschen in der Stadt und Agglomeration Bern kostenlos zur Verfügung. Entwickelt wurde die digitale Plattform von der Berner Firma Polaris Health AG zusammen mit JAXForms AG, in enger Zusammenarbeit mit den Spitälern der Region.
Die Leitung liegt bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern, finanziert wird das Projekt gemeinsam vom Kanton sowie den drei Berner Krankenkassen Atupri, KPT und Visana.

Einer, der das Projekt von Anfang an begleitet hat, ist Xaver Weibel. Er ist Initiator, Entwickler und treibende Kraft hinter der Applikation. Der BärnerBär wollte von ihm wissen, was ihn auf die Idee brachte, wie die App genau funktioniert und für wen sie gedacht ist.
BärnerBär: Xaver Weibel, was war der Auslöser für dieses Projekt?
Xaver Weibel: Das Gesundheitswesen beschäftigt mich schon länger. Einerseits haben wir eine immer älter werdende Bevölkerung, einen akuten Fachkräftemangel und ein überlastetes Notfallsystem.
Andererseits explodieren die Gesundheitskosten. Ich habe mir deshalb überlegt, wie wir aus dieser Spirale herausfinden könnten.
Für mich liegt ein Schlüssel darin, einen Patienten dort zu behandeln, wo es aufgrund der Möglichkeiten und Kapazitäten am meisten Sinn macht. Das ist allerdings eine grosse Ambition.
Mit dem Notfall-Finder können wir dieses Problem gezielt angehen und mit vergleichsweise geringem Aufwand potenziell einen grossen Nutzen erzielen.
BärnerBär: Wie funktioniert dieser Notfall-Finder denn genau?
Weibel: Es handelt sich um eine Weblösung mit drei Knöpfen. Auf dem ersten gelangt man direkt zur Ambulanz, diesen braucht man dann, wenn man sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befindet.
Der zweite hilft, wenn man noch selbst in den Notfall fahren kann. Er zeigt an, wie die Auslastung in den umliegenden Kliniken aussieht und hilft somit, Wartezeiten zu verringern.
Der dritte Knopf kommt dann zur Anwendung, wenn ich mir – wie im Beispiel von Corinne – nicht sicher über meinen Zustand bin. In diesem Fall beantwortet man ein paar Fragen zu den Symptomen.
Die Einschätzung sagt dann, ob es sich um einen Notfall handelt oder ob die Symptome nicht dringend sind.
BärnerBär: Das klingt praktisch. Aber wer genau schätzt denn die Symptome ein?
Weibel: Der Symptom-Checker ist als Medizinalprodukt CE zertifiziert und wird laufend vom TÜV Rheinland geprüft. Es handelt sich dabei um eine webbasierte Software für die Ersteinschätzung medizinischer Beschwerden.
Ziel ist es, den Patienten bei der Bewertung von Symptomen zu unterstützen und daraus Handlungshinweise abzuleiten. Er ist als Orientierungshilfe gedacht, nicht als Ersatz für ärztliche Beratung.
Bei Unklarheiten oder schweren Symptomen wird auf ärztliche Hilfe oder den Notruf 144 verwiesen. Und er ist, ähnlich wie die medizinischen Telefon-Hotlines, so programmiert, dass er einen lieber einmal zu viel in den Notfall schickt.
BärnerBär: Es gibt ja, wie soeben erwähnt, bereits medizinische Telefonhotlines. Warum braucht es denn diese App?
Weibel: Ein entscheidender Vorteil ist die Übersicht über die Auslastung der Notfallstationen, was die Wartezeit vor Ort verringern und eine bessere Verteilung der Patienten gewährleisten kann. So hat man alles aus einer Hand.
Ausserdem: Eine Notfallbehandlung kostet deutlich mehr als ein Arztbesuch und auch jeder verhinderte, unnötige Ambulanz-Einsatz entlastet das System. Wenn also der Notfall-Finder genutzt wird, ist das für alle beteiligten Akteure ein Mehrwert.
BärnerBär: Und das sind ja einige – wie ist es gelungen, so viele Beteiligte unter einen Hut zu bringen?
Weibel: Technisch war die Hürde nicht sehr hoch. Aber die Akteure zusammenzubringen, das war wirklich eine Herausforderung.
Was aber von Anfang an toll für mich war: Bei all den mittlerweile sicher 100 Präsentationen dieser Lösung habe ich eigentlich immer nur positive Feedbacks bekommen.
Grundsätzlich finden das wirklich alle eine gute Idee. Mein Glück war, dass die erste Spitalgruppe, der ich den Notfall-Finder gleich zu Beginn präsentiert hatte, sofort mit an Bord war.
Damit ging es nachher einfacher. Im August hat das letzte Berner Spital seine Zusage gemacht. Und jetzt sind wir also live und können bereits zwölf Notfallstationen abbilden.
Das finde ich grossartig und es zeigt, dass vieles möglich ist.
BärnerBär: Für wen ist denn dieser Notfall-Finder genau gedacht?
Weibel: Effektiv für alle! Jeder von uns kann in eine Notfallsituation kommen und unsicher sein, was er nun tun soll.
Mir als Vater ist das auch oft so ergangen: Mein Kind hatte Schmerzen und ich fragte mich, ob ich effektiv die halbe Nacht auf dem Notfall verbringen soll oder ob ich bis am Morgen warten und dann zum Kinderarzt gehen kann.
Mit dem Notfall-Finder habe ich nun nach kurzer Zeit Klarheit.
BärnerBär: Wie verlässlich sind denn diese Echtzeitdaten?
Weibel: Die Daten stammen direkt von den Spitälern – entweder über automatische Schnittstellen, manuelle Eingaben oder Forecasts – und werden laufend aktualisiert. Damit sind sie so nah wie möglich an der tatsächlichen Situation.
BärnerBär: Wie geht es nun weiter?
Weibel: Die Lösung steht, auf notfall-finder.ch kann zugegriffen werden. Jetzt muss die Applikation nur noch genutzt werden.
Denn nur über die Menge gibt es einen echten Nutzen. Das Ziel ist, die Lösung im Frühling 2026 auf den gesamten Kanton auszuweiten und dann hoffentlich auch bald auf die ganze Schweiz.
BärnerBär: Was wünschen Sie sich persönlich für den Notfall-Finder?
Weibel: Ich wünsche mir, dass die Lösung genutzt wird. Dass notfall-finder.ch den Menschen eine Orientierung gibt und ihnen die Unsicherheit nimmt.
Ich erhoffe mir weniger Wartezeiten bei Notfällen und dass damit das Gesundheitssystem entlastet wird. Und ich wünsche mir insbesondere, dass wir mit dem Notfall-Finder einen messbaren Impact erzielen können!
Der Notfall-Finder: Ein digitaler Kompass im Akutfall
Der Notfall-Finder ist mehr als nur eine App – er ist ein digitales Hilfsmittel, das Ruhe in hektische Situationen bringt. Ob Herzrasen, Sturz oder Bauchschmerzen: Die Plattform hilft, die Lage einzuschätzen und den passenden nächsten Schritt zu gehen.
Das System zeigt, welche Notfallstationen, Arztpraxen oder Apotheken in der Nähe sind – inklusive Echtzeit-Informationen zur aktuellen Auslastung. Bei einem echten Notfall kann direkt die 144 angerufen werden.








