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Grizzlies-Trainer Nick Snider: «Es war keine verlorene Saison»

Sébastian Lavoyer
Sébastian Lavoyer

Bern,

Nick Snider hat seinem Team hohe Ziele gesetzt. Der Titel sollte her. Jetzt sind die Bern Grizzlies im Halbfinal an den Basel Gladiators gescheitert.

Nick Snider
Grizzlies-Headcoach Nick Snider spricht an der Seitenlinie mit seinen Spielern - Daniel Zaugg

BärnerBär: Der Titel war das Ziel, jetzt sind die Grizzlies raus. Haben Sie die Latte zu hoch gesetzt?

Nick Snider: Alles andere, als den Titel zum Ziel zu erklären, wäre diesem Team nicht gerecht geworden. Wenn man ein starkes Team hat wie wir, dann zählt im Endeffekt nur, ob du das letzte Spiel gewinnst. So ist es in vielen Sportarten. Klar, jetzt sind wir enttäuscht. Trotzdem war es keine verlorene Saison.

BärnerBär: Warum?

Nick Snider: Die Jungs haben hart gearbeitet, sich entwickelt und grosse Fortschritte gemacht. Ich hasse es, das zu sagen, aber wir hatten auch grosses Verletzungspech.

BärnerBär: Vor allem auf der so zentralen Quarterback-Position, oder?

Nick Snider: Ja. Unser Starting-Quarterback Walker Dycus hat sich im zweiten Spiel gegen Basel Anfang Mai schwer verletzt. Er erlitt eine Hüftfraktur mit Muskelabriss.

Unfassbar, dass er die Partie dennoch zu Ende gespielt hat. Danach hat er alles gegeben, um für das Halbfinale gegen die Gladiators wieder fit zu sein, aber die Ärzte gaben kein grünes Licht.

BärnerBär: Wie fängt man einen so gewichtigen Ausfall auf?

Nick Snider: Dean Sadikovic-Cota, ein junger Schweizer, der aus dem Grizzlies-Nachwuchs hervorging, sprang ein. Aber auch er verletzte sich innert Kürze, also mussten wir improvisieren.

BärnerBär: Das heisst?

Nick Snider: Unser Safety Avery Hughes, einer unserer beiden Amerikaner, spielte ohne grosse Erfahrung auf der Spielmacher-Position. Zudem konnten wir Cédric Ammann überzeugen, wieder für uns zu spielen. Er hatte eigentlich schon seinen Rücktritt gegeben.

Nick Snider in der Berner Altstadt
Nick Snider in der Berner Altstadt - Daniel Zaugg

BärnerBär: Eine Notlösung.

Nick Snider: Absolut. Dass es funktionierte, ist vor allem auch Walker zu verdanken. Er war nicht nur unser Quarterback, sondern auch Offensive Coordinator. Er hat die beiden gecoacht und das System auf sie zugeschnitten. So konnten wir mit zwei Not-Quarterbacks drei Spiele gewinnen – das ist aussergewöhnlich.

BärnerBär: Was bedeutet das Halbfinal-Aus für Sie persönlich?

Nick Snider: Das ist noch offen, hängt von Klubführung und Spielerrat ab. Ich würde sehr gern zurückkommen. Ich liebe diese Stadt – meine Verlobte übrigens auch. Sie war zu Besuch und sofort begeistert. Wenn ich bleibe, zieht sie als meine Frau mit nach Bern.

BärnerBär: Sie heiraten?

Nick Snider: Ja, Anfang August auf den kanarischen Inseln. Sie stammt von dort. Wir haben uns aber während meiner letzten Station in der Slowakei kennen und lieben gelernt. Da lebt sie jetzt noch. Wenn es klappt mit der Vertragsverlängerung, würden wir hier zusammenziehen.

BärnerBär: Wie lange sind Sie noch in Bern?

Nick Snider: Ich fliege am 23. Juli auf die Kanaren, am 8. August geht es weiter nach Kanada. Dort arbeite ich dann als Defensive Assistant Coach an der University of Waterloo, meiner Alma Mater.

BärnerBär: Kann man in Kanada vom Coaching leben?

Nick Snider: Nein, dafür reicht es nicht. In Kanada gibt es vielleicht 50 halbwegs gut bezahlte Coaching-Jobs. Der Rest bringt ein paar Hundert Dollar. Ich werde also wieder einen Nebenjob suchen.

BärnerBär: Was schwebt Ihnen vor?

Nick Snider: Da bin ich nicht wählerisch: Ich fahre Uber oder arbeite Nachschicht in einer Fabrik, was halt nötig ist. Ich lebe für American Football (lacht).

BärnerBär: Wie sieht es hier in Bern finanziell aus?

Nick Snider: Man wird nicht reich, aber man kann sich über Wasser halten. Die Grizzlies machen das sehr gut: Unterkunft, Flüge – vieles wird übernommen. Und die Spieler luden mich regelmässig zum Essen ein (lacht). Ich konnte sogar etwas für die Hochzeit zurücklegen.

Soll Nick Snider Coach der Bern Grizzlies bleiben?

BärnerBär: Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Nick Snider: Bern, natürlich. Ich wohne zwar in Bolligen, aber die Aare in Bern ist ein Muss! Zuletzt bin ich fast täglich im Fluss durch die Stadt getrieben. Das war fast so etwas wie ein Ritual. Gro­ssartig. Aber ich besuchte auch Zürich, Genf, Interlaken und Lauterbrunnen. Das Dorf fand ich besonders beeindruckend mit den Wasserfällen. Auch Thun fand ich toll.

BärnerBär: Was nehmen Sie als Coach mit aus dieser Saison?

Nick Snider: Ich habe viel gelernt – nicht nur über Football, sondern über Menschen. Von Spielern, von Coaches. Selbst von Spielern, die vorher kaum Football gespielt haben. Ich versuche, von jedem etwas mitzunehmen.

BärnerBär: Was hat Sie am Team überrascht?

Nick Snider: Ich habe mich noch nie so willkommen gefühlt wie hier – und das als Head Coach. Eigentlich sollte ich die Teamkultur prägen. Aber hier war sie schon da: Commitment, Charakter, Teamgeist – das ist selten.

BärnerBär: Sind die Grizzlies das beste Team, das Sie je gecoacht haben?

Nick Snider: In Europa: ja, definitiv. Die Schweiz hat eine starke Liga – auf Augenhöhe mit Österreich und dicht hinter Deutschland. Wenn man sieht, wie Calanda sich international schlägt, dann weiss man: Unsere Liga hat Substanz. Es fehlt einzig an Sichtbarkeit.

BärnerBär: Wie sehen Sie die Zukunft der Grizz­lies?

Nick Snider: Die zwei schwächeren Jahre waren Ausnahmen. Ich habe Dean schon erwähnt, aber auch Robin Devenish als Middle Linebacker war überragend – weit über seinem Altersniveau. Die Nachwuchsarbeit in Bern ist erstklassig. Trotz all der Ausfälle ist das Team nicht eingebrochen. Das hätten viele andere Teams nicht geschafft.

BärnerBär: Die U19 steht im Junior Bowl und trifft dort auf den Nachwuchs der Calanda Broncos. Was sagen Sie dazu?

Nick Snider: Sie spielen eine beeindruckende Saison. Ich habe Trainings und Spiele gesehen – das Coaching dort ist erstklassig. Kein Wunder, dass unsere jungen Spieler so gut vorbereitet in die NLA kamen.

BärnerBär: Drei Niederlagen gegen Basel, eine gegen Calanda – was fehlt zur nationalen Spitze?

Nick Snider: Es waren Kleinigkeiten. Drei, vier entscheidende Spielzüge, ein Konzentrationsverlust, ein Fehler zur falschen Zeit – das reicht, um ein Spiel zu verlieren. Talentmässig sind Basel, Calanda und wir auf Augenhöhe. Aber Basel hat in den direkten Duellen die entscheidenden Momente für sich genutzt – so ist American Football.

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