Europas grösster Spieleentwickler Ubisoft entlässt wegen Sexismus-Kritik mehrere Kader. Mitarbeiter kritisieren: Sexismus sei Teil des Systems.
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Mitarbeiterinnen erhoben schwere Vorwürfe gegen Creative Director von Ubisoft, Serge Hascoët. Er musste seinen Platz räumen. - Keystone/Ubisoft
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein neuer Artikel deckt die Reichweite von Sexismus und Diskriminierung bei Ubisoft auf.
  • Zuvor hatte Kreativdirektor Serge Hascoët nach schweren Vorwürfen seinen Platz geräumt.
  • Doch das Problem liegt tiefer: Mitarbeiter sprechen von systematischem Sexismus.

Die Computerspiele-Branche ist nicht für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bekannt. Doch ist die Geschlechterverteilung genügend Grund, den Mitarbeitern Männer-dominierte Strukturen aufzuzwingen, in denen Frauen benachteiligt werden?

In den vergangenen Monaten hat die #MeToo-Bewegung mit einiger Verzögerung die Gamingbranche erreicht. Die Spieleentwickler-Branche hat laut Umfrage von «IGDA» einen Frauenanteil von nicht einmal 25 Prozent. Dementsprechend haben es Frauen in der männerdominierten Branche besonders schwer.

Vor zwei Wochen entliess der grösste Spieleentwickler Europas Ubisoft aufgrund anhaltender Kritik unter anderem den Kreativdirektor Serge Hascoët. Nun deckte ein Bericht von «Bloomberg» auf, dass bei Ubisoft Sexismus tief im Unternehmen verankert ist.

Pornos am Arbeitsplatz, Sitzungen im Stripclub

«Chief Creative Director» Serge Hascoët arbeitete seit 1987 beim Unternehmen mit Sitz in Paris. Der ehemalige Spieletester und Freund von CEO Yves Guillemot hielt eine der mächtigsten Positionen: Jedes Spiel wurde nur mit seinem Gutheissen veröffentlicht. Hascoët war in seiner Position lange Zeit unantastbar.

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Serge Hascoët war langjähriger «Chief Cretive Director» bei Ubisoft. Angesichts schwerer Seximus-Vorwürfe musste der wichtigste Mann im Spieldesign seinen Platz räumen - Ubisoft

«Bloomberg» zitiert zahlreiche Mitarbeiter, welche das Verhalten Hascoëts in ein schlechtes Licht rücken: Der Kreativdirektor sei bekannt dafür gewesen, dass er Sitzungen gerne einmal in Stripclubs verlegte. Frauen waren davon natürlich ausgeschlossen.

Mitarbeiter beschreiben die Verhältnisse im Unternehmen wie in einer Studentenverbindung: Chauvinismus ist an der Tagesordnung, unter den männlichen Mitarbeitern werden Pornos verschickt. Eine Person schildert, wie eine Kollegin eine Sitzung verliess. Nachdem sie den Raum verlassen hatte, spielte Hascoët ein YouTube-Video ab, welches sexuelle Handlungen mit einer Person gleichen Namens schildert.

Personalführung ignoriert Beschwerden

Zahlreiche Mitarbeiterinnen kritisierten das sexistische Klima am Arbeitsplatz und meldeten sexuelle Übergriffe der Personalführung. Diese habe meistens jedoch nicht einmal reagiert: Wer beispielsweise Kritik am unantastbaren Hascoët übte, musste sich entweder mit seinen Machenschaften leben, oder kündigen.

Doch der Sexismus bei Ubisoft beschränkte sich keinesfalls auf Hascoët: Mitarbeiter berichten aus den verschiedenen Standorten von Ubisoft in Europa und Kanada über Sexismus, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz.

Spiele von Ubisoft in der Kritik

2019 brach der Aktienkurs von Ubisoft um 40 Prozent ein: Die neuen Spiele waren bei Fans und Presse nicht gut angekommen.

Das liegt unter anderem daran, dass Ubisoft-Games wie Far Cry und Assassin's Creed sich immer wieder gleich spielen: Nicht zuletzt wurden Protagonistinnen von Hascoët als nicht stark genug empfunden. Spiele wie Assassin's Creed: Odyssey bekamen stattdessen nachträglich männliche Hauptfiguren, was das Storytelling-Gefüge beeinträchtigte.

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Assassin's Creed: Odyssey sollte eigentlich eine weibliche Hauptfigur erhalten. Auf bestreben Hascoëts gab es schliesslich auch einen männlichen Hauptcharakter – darunter litt die Story. - Ubisoft

Vor diesem Hintergrund macht die Entlassung Hascoëts den Eindruck eines Bauernopfers: Dass der Kurs des Kreativdirektors ohnehin in der Kritik stand, dürfte die Entlassung leichter gemacht haben.

Gelingt der Kurswechsel bei Ubisoft gegen Sexismus?

Die Berichte von «Bloomberg» zeigen, dass es sich bei Hascoët keinesfalls um einen Einzelfall handelt. Die Teams um Hascoët haben ein Klima geschaffen, in welchem Frauen systematisch diskriminiert wurden.

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CEO Yves Guillemot ist Mitgründer des Familienunternehmens Ubisoft. - Ubisoft

«Die gesamte Denkweise des Unternehmens muss sich ändern», sagt die ehemalige Mitarbeiterin Kim Belair. «Die schlechten Akteure durften in diesem System existieren. Wir müssen das System neu beurteilen. Wir müssen uns anschauen, warum diese Kultur existiert.»

Ob die Entlassung wichtiger Führungsmitglieder dafür genügt, wird sich zeigen. Offen möchte Ubisoft das Thema anscheinend noch nicht diskutieren: Am jüngsten Online-Event zur Vorstellung neuer Spiele, «Ubisoft Forward», wurde das Sexismus-Problem mit keinem Wort angesprochen.

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