Klimawandel macht die Tage länger
Der Mond zerrt an der Erde und lässt sie langsamer rotieren. Auch der Klimawandel hat ähnliche Auswirkungen – er könnte den Mond sogar übertrumpfen.

Das Wichtigste in Kürze
- Laut einer neuen Studie verlangsamt der Klimawandel die Drehung der Erde.
- Da immer mehr Wasser von den Polen ins Meer gelangt, ändert sich die Massenverteilung.
- Dadurch verlängert sich letztlich auch der Tag.
Der Klimawandel lässt die Tage auf der Erde einer Studie zufolge minimal länger werden. Denn das schmelzende Eis der Polargebiete verteile sich auf die Weltmeere. Das sorge wiederum für eine andere Massenverteilung auf der Erde, die die Erdrotation verlangsamt.
Dies berichtet ein Forschungsteam im Fachmagazin «Proceedings» der US-nationalen Akademie der Wissenschaften («PNAS»). Derzeit liegt der Effekt des Klimawandels auf die Tageslänge demnach bei etwa 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert.
Wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird, könnte der Effekt grösser werden als der Einfluss des Mondes auf die Erdrotation. Dies erklärt die Gruppe um Mostafa Kiani Shahvandi von der ETH Zürich.
Gezerre am Planeten
Die Schwerkraft des Mondes bringt auf der Erde Gezeitenkräfte hervor, die hauptsächlich in Ebbe und Flut sichtbar werden. Das «Gezerre» des Mondes an der Erde verlangsamt minimal die Rotation der Erde und verlängert damit den Tag.
Auch das Klima hat einen winzigen Einfluss auf die Erdrotation, der mit modernen Satelliten gemessen werden kann.

Neben Satellitendaten verwendeten Shahvandi und sein Team Computermodelle. Dies, um den Einfluss des Klimas für die Zeit seit 1900 zu ermitteln und die Zeit bis 2100 zu prognostizieren. Dabei berücksichtigen die Forschenden verschiedene Szenarien für die Entwicklung des Klimawandels.
Bis zu einer Millisekunde langsamer
Die Berechnungen der Wissenschaftler ergaben: Die klimabedingte Zunahme der Tageslänge hat im Laufe des 20. Jahrhunderts erheblich geschwankt. Zwischen 0,31 Millisekunden pro Jahrhundert (1960 bis 1980) und einer Millisekunde pro Jahrhundert (1920 bis 1940).
«Diese Schwankungen spiegeln die variablen Anteile der globalen Oberflächentemperatur-Änderung, der Eisschmelze, der Änderung der terrestrischen Wasserspeicherung und des Meeresspiegelanstiegs wider, die im 20. Jahrhundert aufgetreten sind», schreiben die Autoren.
Eisschmelze durch Klimawandel so hoch wie noch nie
Für die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts wurde aufgrund des Klimawandels eine durchschnittliche Tageslänge-Zunahme um 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert errechnet. Statistisch bedeutsam mehr als im gesamten 20. Jahrhundert.
Den Computermodellen zufolge geht die Erhöhung des Wertes im Wesentlichen auf die Eisschmelze auf Grönland und in der Antarktis zurück.
Diese Ergebnisse würden vor allem eines zeigen, wie die Wissenschaftler erläutern: Der Massentransport von den Polen zum Äquator war in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zu den vorhergehenden 100 Jahren beispiellos. Grund für die erhöhte Schmelze ist der Klimawandel.