Vielfalt und Anzahl der Schmetterlinge sinken in Mitteleuropa drastisch. Schuld sind die intensive Landwirtschaft und «Landfrass» durch Siedlungsaktivitäten. Als «Bioindikatoren» zeigen die Schmetterlinge den aktuellen Umweltzustand an.
Schmetterling
Zwei Schachbrettfalter fliegen über einer Distelblüte. - sda - Keystone/DPA/SILAS STEIN
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Das Wichtigste in Kürze

  • «Schmetterlinge sind prinzipiell sehr artenreich, und schon seit Alters her beliebte Sammelobjekte», sagte der Lepidopterologe (Schmetterlingskundler) Andreas Segerer der Nachrichtenagentur APA.

Daher könne man mit einer riesigen Datenbasis, die bis zu 250 Jahre zurückreicht, ihr Vorkommen über einen längeren Zeitraum kartieren.

Segerer hat damit einen «Atlas aller in Bayern nachgewiesenen Schmetterlingsarten» erstellt. Als Bioindikatoren würden sie quasi wie ein Fieberthermometer den Zustand der Umwelt anzeigen: «Wenn es den Schmetterlingen schlecht geht, geht es auch vielen anderen Insekten schlecht».

Das ist laut seinen Forschungsergebnissen der Fall. «Wir haben einen dramatischen Rückgang in der Artenvielfalt und in der Menge der Schmetterlinge feststellen müssen», sagte der Forscher, der an der Zoologischen Staatssammlung in München arbeitet. Bei manchen Arten seien die Bestände bis zu 90 Prozent rückläufig.

Im 21. Jahrhundert wären ausserdem elf Prozent der Arten, die zuvor in Bayern gelebt haben, nicht mehr zu finden, das sind 364 von ehemals 3300 Arten. Tausend weitere stünden als «gefährdet» auf der Roten Liste.

Der Verlust der Arten schreite immer schneller voran: «In den vergangenen 30 Jahren haben wir in Bayern mehr Arten verloren, als die ganzen 200 Jahre zuvor», sagte Segerer. Diese Schwund-Rate habe sich ausserdem seit dem letzten Jahrzehnt des vorangegangenen Jahrtausends ungefähr verdoppelt.

Als «Haupttreiber» des immer schneller werdenden Artensterbens nennt er die industrialisierte, intensive Landwirtschaft und den «Flächenfrass» durch Siedlungsgebiete, sowie Abgase aus Industrie und Autoverkehr.

Düngewirksame Stoffe mit reaktivem Stickstoff würden sich flächendeckend über das ganze Land verbreiten und «verheerende Schäden» anrichten, erklärte der Forscher. Zu zwei Drittel stammen diese Stickstoff-Verbindungen von Düngern und Pestiziden, und zu einem Drittel von Abgasen aus dem Strassenverkehr. Weil sie sich so effektiv verbreiten, seien Naturschutzgebiete ebenfalls massiv betroffen.

Durch die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen wurden die Landschaften vereinheitlicht und quasi zu grünen Wüsten. Zusätzlich wachsen die Städte, Dörfer und Industriegebiete, wodurch Betonwüsten entstehen. «Die restlichen Lebensräume, die noch artenreich und meistens Naturschutzgebiete sind, liegen daher weit auseinander».

Einerseits könnten die einzelnen Populationen dadurch untereinander kein genetisches Material mehr austauschen, und Inzucht schwächt die Bestände. Andererseits können die Gebiete beim Zusammenbruch einer Population kaum mehr wiederbesiedelt werden, weil die Distanz zur nächsten «Lebensinsel» oft zu gross sei.

«Um Abhilfe für die Schmetterlinge und andere Insekten zu schaffen, müsste man das System ändern, also die Landwirtschaft reformieren», sagt Segerer. Man müsste die Politik dahingehend ändern, dass die Landwirte bei gleichem oder besserem Einkommen umweltfreundlich wirtschaften können. «Dann wird halt das Essen teurer», meint er.

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