In Schweden, wo Gleichberechtigung Tatsache und Fortschritt Gegenwart ist, heissen Patchworfamilien Bonusfamiljen. Das hier ist die Geschichte einer solchen.
Die angestrengte Familienzusammenführung endet auf der Notfallstation.
Die angestrengte Familienzusammenführung endet auf der Notfallstation. - Netflix
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Die schwedische Netflix-Serie «Bonusfamiljen» erzählt von einer Patchworkfamilie.
  • Neue Liebe, alte Gewohnheit, Eifersucht, vergessene Klamotten und andere Katastrophen.

Die Geschichte

Netflix’ «Patchworkfamilie» erzählt von Lisa (Vera Vitali) und Patrik (Erik Johansson). Sie sind frisch verliebt, haben eben ein Haus gekauft und wollen eine gemeinsame Familie gründen. Betonung auf «gemeinsam». Denn separate Familien haben beide schon.

«Patchworkfamilie» ist nämlich auch die Geschichte von Geschäftsfrau Katja (Petra Mede) und ihrem Strebersöhnchen William (Jacob Lundqvist), das sie gemeinsam mit Patrik hat.

Und es ist die Geschichte von Martin (Fredrik Hallgren), der wieder bei Mama wohnt, seit ihn Jugendliebe Lisa mir nichts dir nichts mit Teenie Bianca (Amanda Lindh) und Rowdy Eddie (Frank Dorsin) sitzen gelassen hat.

Es ist die Geschichte von Oma Brigitta (Marianne Mörck), die seit 23 Jahren verheimlicht, dass Gugge (Barbro Svensson) mehr ist, als ihre beste Freundin.

Moment – sind Oma Brigitta (Marianne Mörck, links) und Gugge (Lill-Babs) etwa mehr als allerbeste Freundinnen?
Moment – sind Oma Brigitta (Marianne Mörck, links) und Gugge (Lill-Babs) etwa mehr als allerbeste Freundinnen? - Netflix

Und nicht zuletzt ist «Patchworkfamilie» auch die Geschichte des Therapeutenpaares Ylva (Ann Petrén) und Jan (Johan Ulveson), die ihre Beziehungskrisen seit den 68ern munter weiterpflegen, während sie Paare wie Lisa und Patrik helfen, den komplizierten Alltag mit so wenigen Schrammen, wie möglich, zu überstehen.

Dann stellt sich beim ersten, erzwungenen, gemeinsamen Familienfest herausstellt, dass Lisa wieder schwanger ist. Die Situation eskaliert. Weder zum ersten, noch zum letzten Mal.

Wenn der Knirps das Thermometer mit dem positiven Schwangerschaftstest verwechselt, kann der Haussegen schon mal schief hängen.
Wenn der Knirps das Thermometer mit dem positiven Schwangerschaftstest verwechselt, kann der Haussegen schon mal schief hängen. - Netflix

Das Fazit

Bisher wussten wir: Die Schweden können Krimis (Wallander) und heimelige Möbel (IKEA). Doch was passiert, wenn man von ersterem eine Prise in letzteres gibt und das einmal gut mit dem ganz normalen Alltag durchrührt? Dann entsteht die schwedische Serie «Patchworkfamilie».

Die Schweden, in Familiendingen uns allen zwei Nasenlängen voraus, vergleichen die neue Familienkonstellation allerdings nicht mit einem aus einzelnen Fetzen zusammengenähten Flickenteppich. Ihr Name für das Konstrukt «getrennt – geschieden - neu gefunden» könnte kaum optimistischer klingen: «Bonusfamiljen». So heisst die 2017 erstmals im schwedischen Fernsehen ausgestrahlte Serie denn auch im Original.

Zeit zu zweit? Rare Ware, wenn man eine Patchworkfamilie gründet.
Zeit zu zweit? Rare Ware, wenn man eine Patchworkfamilie gründet. - Netflix

Dass die böse Stiefmutter in einen Gewinn umbenannt wird, heisst aber nicht, dass die Serie in munteren Pastelltönen daherkommt. Wer im einen Jahr noch mit dem einen Mann an die Kostümparty geht und im nächsten nicht nur das Kostüm für den nächsten bastelt, sondern auch schon dessen Kind unter dem Herzen trägt, muss mit Komplikationen rechnen. Diese gehen dann natürlich auch über die ganz normale Schwangerschaftsübelkeit aus. Allerdings – und das macht die Serie so echt – ufert das Drama nie so sehr aus, dass es an Effekthascherei erinnert.

Klar gibt es Augenblicke, in denen man ob einer oder mehreren Figuren den Kopf an die Wand schlagen möchte. Aber nicht, weil ihr Verhalten überkandidelt theatralisch wäre. Sondern weil sie falsche Entscheidungen treffen und sich dumm verhalten und wir, die nicht mitten drin im Patchwork-Stress stecken, das auch früh genug erkennen.

(Nicht) Sehenswert weil

Die in unseren Breitengraden noch ganz und gar frischen Gesichter – das gilt übrigens nicht nur für die Junioren, sondern auch für Oma – füllen den Rahmen ihrer Rolle so wunderbar, dass jeder einzelne einem ans Herz wächst. Sogar die pubertierende Tochter Bianca. Ab und an, zumindest.

«Patchworkfamilie» macht keine halben Dinger: Da ging es nicht nur allzu schnell mit dem Zusammenziehen der Bonuseltern und dem Zeugen des Bonusbabys, da ist auch noch die karrieregeile Ex-Frau, der noch immer verliebte Ex-Mann, das Familien-Therapeuten-Pärchen mit eigenen Problemen und die lesbische Oma, die nach viel hin- und her endlich ihre jahrzehntealtes Geheimnis lüftet. Und doch wirkt «Patchworkfamilie» nie aufgesetzt und inszeniert.

So echt ist die Bonusfamilie, dass die Serie für all jene, die mit Kindern nicht so können, eher anstrengend wird. So echt, dass man die IKEA-Einrichtung fühlt, den Winterwind spürt und den eigenen Alltag ganz gut ob den Kapriolen der Inszenierung vergisst.

Die Patchworkfamilie (Felix Herngren, Moa Herngren, Clara Herngren und Calle Marthin, SWE 2017)

Wer bei der schwedischen Idee an die amerikanische Serie «Modern Family» denkt, liegt nicht ganz falsch. Zumindest, was die Ausgangslage betrifft. Denn auch die Amerikaner haben sich überlegt, wie verschieden Familienkonstruktionen (nicht) funktionieren können. Allerdings geht der schwedischen Produktion der US-Glanz ab. Was ein grosser – Achtung – Bonus ist.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Netflix